Traumziel Berliner Olympiastadion: Eine Delegation des Gemeinderats wird am Samstag mit von der Partie sein – und nur die Fraktion SÖS/Linke wählt bewusst das Abseits Foto: dpa

Grünen-Stadtrat Vittorio Lazaridis hat sich für eine Privatreise mit der ganzen Familie entschieden – deswegen reisen am Samstag nur neun und nicht zehn Stadträte zum Fußball-Pokalfinale in Berlin. Im Volk gibt es Kritik, die Stadt Stuttgart verteidigt die Exkursion.

Stuttgart - Um 8.35 Uhr an diesem Samstag wird eine Delegation der Stadt Stuttgart auf dem Flughafen durchstarten in Richtung Berlin. Sie will dem VfB Stuttgart bei seinem schweren Gang gegen den FC Bayern München moralisch beistehen. Oder geht es um ganz anderes? Nicht wenige der VfB-Fans, die von den 21 000 Tickets aus dem VfB-Kontingent fürs Olympiastadion keine ergatterten, und auch Leserbriefschreiber wittern eine Lustreise. Dass die Roten lieber Stadträte reinlassen ins Stadion als die noch lebenden Helden etwa vom Pokalerfolg 1958, steigert den Unmut über die Dienstreise noch.

Die Verteidigung steht aber wie eine Eins. Ihre Linie: Alles in bester Ordnung. Die Karten habe die Stadt aus dem Kontingent des VfB zum regulären Preis erworben, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt. Auch an bezahlbare Flugtickets und an die Hotelzimmer – gebucht ist im Fünf-Sterne-Hotel Ritz-Carlton – habe man nur über den VfB kommen können. Alle Kosten würden aber aus der Stadtkasse bestritten. Die Gesamtsumme stehe noch nicht fest.

„Das Referat Allgemeine Verwaltung hat die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens geprüft und grünes Licht gegeben“, resümiert Matis. Aber nicht nur rechtlich, auch moralisch ist die Reise für die Verwaltung über alle Zweifel erhaben. Matis: „Die Stadträte reisen im Auftrag der Stadt, um diese angemessen zu repräsentieren.“ Das Sportamt hat vorsorglich die Querbeziehungen aufgelistet, die das dringend angeraten erscheinen lassen: Gemeinsam bilden Stadt und VfB den Aufsichtsrat der Stadion Neckar-Park GmbH. Der Verein ist millionenschwerer Pächter der Mercedes-Benz-Arena, wo die Stadt viel Geld investiert. Für die Dienstreise nach Berlin haben die Fraktionen auch überwiegend Stadträte benannt, die im Aufsichtsrat oder im Sportausschuss sitzen. Trotzdem äußern Verwaltungsmitarbeiter unter dem Schutz der Anonymität, man könne die Berliner Mission auch kritisch betrachten. Manche Teilnehmer hätten halt doch keine Sportfunktion. Und wenn der VfB nicht einmal seine Pokalhelden mit Tickets bedenke, müsse in der Bevölkerung ja das Bild einer Schieflage entstehen.

An den Reisewilligen prallt das ab. „Wenn Vertreter der politischen Spitze der Stadt bei diesem Pokalspiel dabei sind, kann ich nichts Verwerfliches daran entdecken“, sagt beispielsweise Andreas Reißig (SPD) – nicht nur, weil er selbst der Delegation angehört. Bei so einem Spiel des VfB müsse die Stadt Flagge zeigen. Von einer „Selbstverständlichkeit“ spricht FDP-Fraktionschef Bernd Klingler. Er ist Delegationsleiter, weil OB Fritz Kuhn als Gast des Deutschen Fußballbunds im Stadion sitzen wird. Wenn man am Sonntag zurückkehre, werde man diverse Sportstätten besichtigt und mit Berliner Sportexperten Gespräche geführt haben.

Ehrenrührig findet auch Vittorio Lazaridis (Grüne) die Dienstreise nicht, obwohl er sich früh entschieden habe, im Zug mit der Familie ganz privat nach Berlin zu reisen. Er sei wie andere VfB-Mitglieder zu Karten gekommen, sagt er. Für ehrenrührig halte er die Dienstreise zwar nicht, aber natürlich stehe man als Stadtrat in der Öffentlichkeit und müsse sich bewusst sein, dass man in der Situation kritisiert werden könne. Von der Fraktion vorgeschlagen, fand sich der Name von Lazaridis bis Dienstag noch auf der Teilnehmerliste des Delegationsleiters. Am selben Tag allerdings meldete die Verwaltung nur noch neun statt zehn Teilnehmer – ohne Lazaridis. Zuvor hatte schon die Fraktion SÖS/Linke auf den einen Platz, der ihr angeboten war, verzichtet. „Es hieß, für so etwas solle nicht der Steuerzahler aufkommen müssen“, sagt Matis. Die Fraktion habe auch Wert darauf gelegt, dass der frei werdende Platz nicht anders vergeben werde.

Die Verwaltung selbst ist aus dem Schneider. Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) brauchte über eine Einladung vom VfB nicht lang nachzudenken, weil sie verhindert ist. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) wird im Urlaub sein. Und dass Fritz Kuhn als OB in die Ehrenloge des DFB gehört, steht außer Frage. Für ihn fallen wohl nur Flugkosten an, weil er noch ein Familiendomizil in Berlin hat.