Mauro Bigonzetti hat die Choreografie für ein eindrucksvolles italienisches Vivaldi-Projekt entworfen, das jetzt bei den Schlossfestspielen zu erleben war.
Ludwigsburg - Rot. Zuerst nur ein Farbblitzen des Mantelfutters bei jeder Bewegung des
Tänzers. Später ein Umhang, sich darin einzuhüllen. Zuletzt eine Stoffbahn auf
dem Bühnenboden, auf dem der barfüßige Vincenzo Capezzuto zum Largo e cantabile
aus dem Konzert C-Dur RV 556 „Per la solennità di San Lorenzo“ von Antonio
Vivaldi seinen Weg gehen muss. Der leicht gebeugte Körper schwankt zwischen
Mutlosigkeit und Hoffnung.Rot, so will es das Vivaldi-Projekt des Musik-, Theater- und Tanz-Ensembles Soqquadro Italiano an diesem Abend, ist ein ambivalentes Farbsymbol für brennenden Schmerz und pulsierendes Leben.
Vincenzo Capezzuto tanzt und singt
„Stabat mater dolorosa - Christi Mutter stand mit Schmerzen“ - diesen mittelalterlichen Topos um die trauernde Mutter Jesu haben Komponisten aller musikalischen Epochen vertont. Der Urtext
eines Anonymus aus dem 13. Jahrhundert ist geprägt von Volksfrömmigkeit. Die
Nähe zu den Quellen nutzt die italienische Gruppe unter der Leitung von Claudio
Borgianni, um Antonio Vivaldis Stabat Mater aus dem Kirchenraum auf die Bühne zu
holen. Vincenzo Capezzuto singt (wenn er nicht tanzt) wechselnd an drei
Mikrofonen, die in ihrer Anordnung einen imaginären dreieckigen Bewegungsraum
bilden, Teile der Komposition in der Alt-Stimmlage mit schimmerndem Timbre.
Um dem Tänzer nicht den Atem und dem einstündigen Projekt nicht die Ruhe zu
nehmen, wählte Claudio Borgianni aus dem reichen Werk Antonio Vivaldis
ausschließlich mit Largo bezeichnete Sätze, so auch das von Simone
Vallerotonda gespielte Largo aus dem Konzert für Laute D-Dur RV 93. Es sind
betont gramvolle Bewegungen, mit denen der Choreograf Mauro Bigonzetti seinen
Tänzer vom Schmerz erzählen lässt: abgewinkelte Arme wie gebrochene Flügel,
Fesselgesten, unterbrochenes Strömen.
Barockmusik mit Melodika, Saxofon und Elektronik
Hier wird nicht laut lamentiert, nicht exzessiv zu Gott gerufen, werden keine spektakulären Bewegungsabläufe erzeugt. Stattdessen forcieren auch die großartig aufspielenden Musiker ohne Angst vor Pathos die für die Zeitepoche des Barock so typischen Affekte. In die musikalischen Arrangements hat Claudio Borgianni zu Laute, Kontrabass und Toy-Piano Melodika, Alt-Saxofon, Bassklarinette,
Metallofon, elektronisch erzeugte Sounds und Vogelzwitschern gemischt, jazzig
und auch poppig aufgerüschte musikalische Zwischenspiele eingebaut und den
Abend damit im besten Sinne in die Nähe italienischer Volkstümlichkeit gerückt.
Als letztes Wort und zugleich als Botschaft erklingt im Dunkel der Bühne
Capezzutos „Amore“. In den begeisterten Schlussapplaus mischt sich leise
gehaltene Kritik einiger Unzufriedener.