Setzt auf das Museum als Ort der Forschung: Christiane Lange Foto: dpa

Ja“, sagt Christiane Lange, „man spürt auch Erleichterung.“ Bis 2021 bleibt Lange für den Kurs des Museumsflaggschiffs Baden-Württembergs verantwortlich. Ihre Ziele nennt sie den „Stuttgarter Nachrichten“: mehr Forschung, mehr digitale Angebote und eine Schau zum Bauhaus-Jubiläum.

Stuttgart - Am Ende geht alles ganz schnell. Am Montagvormittag unterzeichnen Christiane Lange und – für das Land – Petra Olschowski, parteilose Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, den neuen Vertrag. „Die Woche fängt gut an“, sagt Olschowski und lacht. Rundum freudige Gesichter. Bis zum 31. Dezember 2021 bleibt Christiane Lange nun Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart. „Das ist eine wunderbare Aufgabe“, sagt sie unserer Zeitung – und lässt einen für sie typischen Zusatz folgen: „mit großen Herausforderungen“.

Wahrnehmbarer werden

„Ich will nur zwei Beispiele nennen“, sagt Lange weiter: „Zum einen wollen wir in allen Fragen der Digitalisierung deutliche Schritte nach vorne machen – von der Erfassung unserer Bestände bis hin zu neuen Serviceangeboten für unser Publikum.“ Langes Losung: „Wir müssen in diesem Bereich wahrnehmbarer werden.“

Ein einfacher Satz scheinbar, aber das Wort „wahrnehmbarer“ ist auch eine Warnung. Dass es nicht darum gehen kann, ein bloßes Mehr an Sichtbarkeit zu produzieren. „Da gibt es“, sagt Lange, „auch viele Missverständnisse, was Digitalisierung für ein Museum bedeutet.“

Land will „Kontinuität“

Offiziell sagt Staatssekretärin Petra Olschowski am Montagvormittag: „Wir haben entschieden, dass wir in den kommenden fünf Jahren auf Kontinuität und Weiterentwicklung setzen.“ Und: „Die Staatsgalerie steht wie alle Museen vor wichtigen Herausforderungen – dazu gehört vor allem die Vermittlungsarbeit in einer Zeit, die geprägt ist von Digitalisierung und gesellschaftlichen Veränderungen. Daher ist es uns wichtig, dass wir im Dialog mit der Direktorin und ihrem Team kreative Wege für die Museumsarbeit entwickeln, um neue und vor allem jüngere Besuchergruppen für die Kunst und ihre Geschichte zu begeistern, aber auch Akzente in der Ausstellungs- und der Forschungsarbeit zu setzen.“

Christiane Lange dürfte sich damit auf ihrem Kurs bestätigt sehen. „Innerhalb eines Gesamtkonzeptes“, hatte sie auf Anfrage vorab unserer Zeitung gesagt, „möchte ich die Staatsgalerie stärker als Forschungsort positionieren.“ „Wir wollen“, so Lange weiter, „auch die bereits initiierten Allianzen mit den Universitäten verstärken.“ Initiativen, die Geld kosten – „weshalb wir“, so Lange „inzwischen sehr aktiv Drittmittelanträge stellen und so verstärkt in einem Feld agieren, in dem die Museen bisher eher zurückhaltend sind“.

Täglicher Spagat

Passt das aber zusammen – hier der Anspruch, der Museumsleitlinie „Sammeln, Bewahren, Forschen“ neues Gewicht zu geben, dort die zahlreichen Initiativen, die Staatsgalerie als offenes Haus zu positionieren? Und über allem die Freude, herausragende Ausstellungen zu realisieren – verbunden durchaus mit den Erwartungen von Politik und Gesellschaft, viele Besucher in die Staatsgalerie zu ziehen?

„Diesen Spagat“, sagt Christiane Lange, „kennen eigentlich alle Kolleginnen und Kollegen.“ Und so wundert sie sich auch kaum mehr, „dass etwa bei den Besucherzahlen niemand mehr zu wissen scheint, wo und wie wir im Januar 2013 starteten“. Auf unter 200 000 war die jährliche Besucherzahl gefallen – 2015 war man bei fast 400 000 angelangt. „300 000 bis 400 000“ – diese Marke hatte Lange im Januar 2013 als Ziel ausgegeben. 2016 kamen 354 000 Besucherinnen und Besucher – eigentlich müsste man ein deutliches „trotzdem“ anführen. Das ganze vergangene Jahr schon ist die Staatsgalerie ja eine Insel im Baustellenmeer. Der Erweiterungsbau der Landesbibliothek an der Adenauer-Straße, der Neubau der John-Cranko-Schule des Stuttgarter Balletts hinter dem Staatsgalerie-Areal und die Baustellenlogistik für das Verkehrs- und Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 erschweren den Zugang von allen Seiten.

„Das kostet viel Kraft“, sagt Christiane Lange zu den Anstrengungen, die Zugänglichkeit der Staatsgalerie immer neu zu diskutieren. Von Vorahnungen solcher Mühen bei ihrem Antritt will die 1964 in Mainz geborene Kunstwissenschaftlerin aber nichts wissen. Dabei hatte die vormalige Lenkerin der Hypo-Kunsthalle in München – geholt, um die Staatsgalerie in die erste Liga der Kunstmuseen zurückzuführen – schon bei ihrer Vorstellung in Stuttgart für ungewöhnliche Töne gesorgt. Das Haus, verblüfft die neue Chefin nicht nur die Kunstpolitiker, habe strukturelle und finanzielle Defizite bei der doch immer wichtigeren Arbeit mit der eigenen Sammlung. Die Spannung ist seinerzeit im ganzen Saal spürbar.

Neue Rolle im Stadtraum

Neue Rolle im Stadtraum

Lange gibt 2013 noch einen weiteren Hinweis: „Die Einbindung der Staatsgalerie in den Stadtraum ist unglaublich wichtig“, sagt sie. Die vorhandene Unterführung sei alles andere als zeitgemäß. Jetzt hätte man hier doch alles neu, die Regierung, den Bürgermeister, eine neue Direktorin. Da gebe es keinen Grund mehr, sich mit dem Status quo der Stadtautobahn vor der Haustür abzufinden. Wäre diese Straße weg, ergäbe sich die Anbindung an den von unserer Zeitung als „Kulturquartier“ skizzierten Stadtraum bis zum Landes- und Kunstmuseum, der Bolzstraße mit ihren Kinos und zum Kunstgebäude am Schlossplatz „fast automatisch“.

„Stuttgart“, sagte Lange vor nun vier Jahren, „hat die Museumsinsel, von der man in Berlin träumt – nur leider hat man einen Fluss dazwischengelegt.“ Ihren neuen Vertrag bis zum 31. Dezember 2021 hat Christiane Lange im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Stuttgarts Stadtzentrum unterschrieben. Ein gutes Vorzeichen für das stärkere Einbinden der Staatsgalerie in das Erleben des Zentrums der Landeshauptstadt? „Das wäre schön“, sagt Lange und beobachtet die wieder neu initiierten Diskussionen um die Stichworte Kulturquartier und Untertunnelung der Konrad-Adenauer-Straße „natürlich sehr gespannt“.

Finanzielle Spielräume selbst schaffen

Und ihre Pläne für die Staatsgalerie? Noch sieht Christiane Lange die „internen Baustellen“ nicht abgeschlossen. Um etwa das Personal im Bereich der Aufsichten flexibler einsetzen zu können, hatte Lange auf die Kooperation mit Fremdfirmen gesetzt. Auch der Staatsgalerie-Shop wird nicht mehr hausintern verantwortet – „wir brauchen“, sagt Lange, „finanzielle Spielräume“. Und diese, ist die Direktorin überzeugt, „müssen wir uns selbst schaffen“. Auch, weil Lange an „zentralen Schaltstellen“ „Unterkapazitäten“ identifiziert hat – „gerade etwa im Bereich Digitalisierung“.

Politische Rückendeckung, weiß Christiane Lange, ist aber immer auch von der öffentlichen Resonanz abhängig. Lassen sich also die Pole Forschung und Ereignis zusammenbringen? „Unser großes, von VW gefördertes Projekt zum Werk von Marcel Duchamp macht 2018 unseren Bestand an Werken dieses Kunstrevolutionärs deutlich und wird sicher international Beachtung finden“, sagt Lange. Und auch für 2019 kündigt sich Großes an: Mit einem Gegenwartskunstprojekt will man in der Staatsgalerie die Gründung des Bauhauses 1919 in Weimar feiern und die Aktualität des spartenübergreifenden Bauhaus-Denkens deutlich machen.

Ein Ziel: Lehmbruck-Dauerleihgabe sichern

Hat eine Museumsdirektorin auch Wünsche? „Viele“, sagt Christiane Lange. Aktuell gehe es etwa darum, die in Stuttgart längst als festen Staatsgalerie-Bestand gewertete umfassende Dauerleihgabe zum Werk von Wilhelm Lehmbruck zu sichern. „Und ganz bestimmt“, sagt Lange dann noch, „hat unser Projekt Videobox mehr Aufmerksamkeit verdient – aktuell mit einer Arbeit von Andrea Fraser.“