Pietro Tenerani, Amor der Venus einen Dorn ziehend, 1839-1841, Staatsgalerie Stuttgart Foto: StN

Zusammen mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg ehrt die Staatsgalerie Stuttgart Wilhelm I. zum 150. Todestag für dessen „öffentliches und privates Engagement für die bildende Kunst“.

Zusammen mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg ehrt die Staatsgalerie Stuttgart Wilhelm I. zum 150. Todestag für dessen „öffentliches und privates Engagement für die bildende Kunst“.

Stuttgart – Schon 1814 besang Wilhelm Hauff den „Prinzen Wilhelm“ als „edlen Ritter“. 1816 König von Württemberg geworden, leitete Wilhelm I. (1781–1864) Reformen ein, etablierte mit der Verfassung von 1819 wieder „gutes altes Recht“ und wurde Otto Borst zufolge zum „Liebling der Leute“, wozu die Zarentochter Katharina, seine Frau, als engagierte Sozialfürsorgerin nicht wenig beitrug.

Kaiser Napoleon III. soll ihn darum beneidet haben, dass er sich arglos unter seine Stuttgarter traute, die ihm 1841 zum 25. Regierungsjubiläum einen grandiosen Festzug ausrichteten. Jetzt nimmt die Staatsgalerie Stuttgart zusammen mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg den 150. Todestag Wilhelms I. als Anlass, mit einer Ausstellung auch dessen „öffentliches und privates Engagement für die bildende Kunst“ zu würdigen. „Königliche Sammellust“ ist die von Christofer Conrad, Patricia Peschel und Sandra-Kristin Diefenthaler erarbeitete Schau überschrieben, die unter gut 100 Gemälden, Grafiken, Skulpturen und Dokumenten nicht wenig Werke zeigt, die seit der Kriegsauslagerung nicht mehr gezeigt worden seien.

„Königliche Sammellust“ bis heute unterschätzt

Tatsächlich hat man die „Königliche Sammellust“ bis heute unterschätzt. Sie machte sich ab etwa 1820 bemerkbar, als Wilhelm den Bildhauer Johann Heinrich von Dannecker bat, geeignete Sammlerstücke ausfindig zu machen. Der hatte 1905, im Todesjahr des Dichters, die Arbeit an seiner berühmten Schillerbüste begonnen. Zudem empfahl er Eberhard Wächter, den er von der Hohen Karlsschule kannte. Mit dessen „Odysseus, den Sirenen widerstehend“ von 1820 setzten weitere Ankäufe mythologischer Szenen ein. Die gestatteten es den klassizistischen Künstlern, an die antike Tradition anzuknüpfen, dass Protagonist(inn)en nackt in Erscheinung traten. Auch der griechische Freiheitskampf von 1820/21 gegen die Osmanen tat Wirkung und ließ den Zeitgenossen plausibel erscheinen, dass in gesunden Körpern auch ein gesunder Geist wohne.

„Daß Seine Königliche Majestät die Classische Italiänische Schule den Incunabeln (altdeutsche Malerei) vorziehen“, wie einem geheimen Rat auffiel, sprach sich auch in Adelskreisen herum. Man machte Wilhelm gelegentlich entsprechende Geschenke. Das spektakulärste Beispiel liefert Auguste Galimards „Leda mit dem Schwan“ von 1855, das Wilhelm von Napoleon III. verehrt bekam. Bei der Pariser Weltausstellung war es wegen „Unschicklichkeit“ durchgefallen. Als Leihgabe kam es jetzt aus Linz, aus Österreich.

Um mit jungen Künstlern in Rom Kontakte zu knüpfen, tat sich der Maler Johann Ritter von Bravo in königlichem Auftrag als Vermittler um. Persönlich unternahm der Monarch 1838 und 1839 Italienreisen, um bei von ihm geförderten Künstlern Atelierbesuche wahrzunehmen. So gelangten die „Toilette der Venus“ und „Herkules und Omphale“, beides Arbeiten von Joseph Anton Gegenbaur, in die königliche Sammlung.

Eine Schwäche für alles Orientalische

Einher ging das Sammeln mit dem Bau des Sommerrefugiums auf dem Rosenstein durch Giovanni Salucci. Wegen des frühen Tods Katherinas wurde der Bau erst 1829 fertig, bot aber gerade deswegen dem Witwer mehr Platz für seine Sammlung. Von vornherein geplant war eine Gemäldegalerie im Lustschloss Wilhelma, dessen maurischer Stil sich an das Vorbild der Alhambra anlehnt und zugleich die Schwäche des Königs für alles Orientalische offenbart. Von dort stammt eine Serie zum ersten Mal gezeigter Glasmalereien, die im „Maurischen Landhaus“ das Bad, das Ankleide- und Schlafzimmer schmückten. Von Christofer Conrad als „King’s Choice“ apostrophiert, verkörpern die nach berühmten Gemälden (besonders von Tizian) entstandenen kleinformatigen Kopien ausnahmslos Beispiele weiblicher Schönheit, die mehr oder minder verführerisch in Erscheinung tritt, auch in Gestalt von „Europa und Asien“.

Das Faible für den Orient und den Süden vereinbarte der König ohne weiteres mit lokalpatriotischer Heimatliebe. Als persönliche Entdeckung Wilhelms erhielt Gottlob Friedrich Steinkopf den Auftrag zu einer Reihe von Neckartal-Landschaften. Noch vollkommen unbelastet von den Errungen- und Hinterlassenschaften des industriell prosperierenden 19. und erst recht des 20. Jahrhunderts wecken die lieblichen Gefilde fast wehmütige Reaktionen. „Schloss und Gestüt Weil bei Esslingen“ kommen einer Entdeckung gleich.

Überhaupt bringen einen Steinkopfs Landschaften, der „Blick auf Schloß Rosenstein und das Neckartal“ und „Die Kapelle auf dem Rotenberg“ ins Grübeln. Auch „Stuttgart vom Hasenberg aus gesehen“, 1807 von Johann Jakob Müller gemalt, tut das: Hat Wilhelm I. mit der Wahl der Standorte für seine Projekte nicht klüger gehandelt als spätere Generationen und damit mehr Hellsicht für die Chancen bewiesen, die im Miteinander von Nesenbach und Neckartal gelegen hätten?

Jedes Jahr am 27. September ein Geschenk an die Galerie

Spätestens mit dem 1843 eröffneten „Museum der bildenden Künste“ in der Neckarstraße, der „alten“ Staatsgalerie von Georg von Barth, ist der König als „öffentlicher“ Förderer und Sammler gefragt. Außer der kolossalen Schiller-Büste, die Dannecker selbst seinem König und Land überließ, zählten Christian Gottlieb Schicks monumentales „Apoll unter den Hirten“ sowie ein Konvolut von Gemälden, die aus dem Residenzschlössern Stuttgart und Ludwigsburg überstellt wurden, zur Erstausstattung. Zur Gewohnheit wurde, dass der König dem Museum jedes Jahr am 27. September, seinem Geburtstag, ein Kunstwerk schenkte. Repräsentative Wirkung, kunsthistorische Bedeutung und erzieherische Wirkung waren an dieser Stelle maßgeblich. Das Museum beherbergte auch eine Kunstschule, aus der später die Staatliche Kunstakademie hervorging. Also kam es auf didaktische Prinzipien an.

Bildend in diesem Sinne war etwa ein Gemälde von Robert von Langer, das „Virgil und Dante in der Unterwelt“ zeigt. Lebhafter Nachfrage erfreute sich auch dessen Schüler August Heinrich Riedel, von dem „Medea, den Tod ihrer Kinder sinnend“ zu sehen ist. Im Interesse namhafter Kunst behalf man sich mit Werkstattarbeiten. Oder griff zu Kopien nach Raffael, Leonardo, Bellini und Tizian.

Und weil man sich in Stuttgart mit der Sammlung Boisserée – mit einem „ Schatz, den man zum zweiten Mal nicht findet“ (so Gottlob Heinrich Rapp 1818 an Dannecker) – hoffnungslos vertat, ging dieser Schatz nach München. Die gutachterliche Stellungnahme der Herren Wächter, Steinkopf und Leybold auf eine Anfrage der Finanzverwaltung fiel abschlägig aus. „Selbst die besseren dieser Bilder (stünden) denjenigen der späteren italienischen Schule um Vieles nach . . .“ Klüger geworden, griff man dann bei der Sammlung Abel und der venezianischen Sammlung Barbini-Breganze umso beherzter zu und ließ „größtmögliche Discretion“ walten.

Staatsgalerie, Stirling-Halle. Bis 26. Oktober. Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 20 Uhr. Katalog mit Beiträgen von Christofer Conrad, Sandra-Kristin Diefenthaler, Birgit Langhanke, Patricia Peschel und Dirk Zimmermann 29,90 Euro.