Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt gerne die engagierte Aufklärerin. Foto: AP

Die Hechinger Staatsanwaltschaft hat Zweifel am Pfullendorfer Ausbildungsskandal bei der Bundeswehr. Hat das Verteidigungsministerium – vor allem gegenüber den Fachpolitikern des Bundestags – die Sachlage bewusst übertrieben dargestellt?

Stuttgart - Hat das Verteidigungsministerium den Ausbildungsskandal in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne in einem grelleren Licht dargestellt als notwendig – nur um Handlungsstärke zu beweisen und eine Rechtfertigung für harte Disziplinarmaßnahmen zu haben? Diesen Schluss lassen mittlerweile die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hechingen zu.

Die Behörde hat untersucht, ob im „Ausbildungsbildungszentrum Spezielle Operationen“ sexuell-sadistische Praktiken an der Tagesordnung gewesen sind, bei der insbesondere weibliche Rekruten entwürdigende Rituale über sich ergehen lassen mussten. Diesen Vorwurf hatte seit August 2016 ein weiblicher Leutnant intern erhoben. Mit Recht? Das ist in Teilen fraglich.

Die Staatsanwaltschaft sah, wie schon am 24. Mai mitgeteilt wurde, nach „Prüfung der maßgeblichen Unterlagen der Bundeswehr“ keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten. Es sei kein Nachweis erbracht, dass Soldatinnen an einer Pole-Stange zu erotischen Tanzbewegungen gezwungen oder gar von Vorgesetzten dabei „betatscht“ wurden. Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat es demnach nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat nicht einmal festgestellt, dass die Ausbildungspraktiken den Vorschriften der Truppe widersprochen haben.

Widersprüchliche Darstellung für den Ausschuss

Ministerin Ursula von der Leyen hatte die „Vorgänge in Pfullendorf“ noch Ende Januar „abstoßend“ und „widerwärtig“ genannt. Sie werde diese „mit aller Härte“ aufklären. Am 13. Februar erhielt der Verteidigungsausschuss einen Bericht, der alle pikanten Details enthielt, die kurz darauf in den Medien ausgebreitet wurden. Angeblich mussten sich Rekruten im Hörsaal ausziehen, Frauen mussten ihre nackten Brüste und den unbekleideten Genitalbereich abtasten lassen. Zugleich wurde den Fachpolitikern die Entlassung von einer Reihe beteiligter Soldaten mitgeteilt. Später wurde auch der Leiter des Ausbildungszentrums ausgetauscht: Seit dem 1. März wird es von Oberst Carsten Jahnel geführt.

Von der Leyen hat also den Missstand zunächst drastisch beschrieben, um dann als Aufklärerin zu glänzen – eine bevorzugte Rolle der Ministerin. Neu ist aber, dass das Ministerium der Staatsanwaltschaft laut „Bild“-Zeitung bereits am 8. Februar ein internes Untersuchungsergebnis zugeleitet hat, das zentrale Anschuldigungen entkräftet. Demnach mussten sich die Rekruten nicht komplett entkleiden, und den Frauen wurde geraten, für das Ritual doppelte Unterwäsche zu tragen, um die Untersuchungsschritte der Ausbilder auf diese Weise nur „anzudeuten“. Die Lehrgangsteilnehmerinnen hätten angegeben, sich daran gehalten zu haben. Auch wurde keine Tamponade in den After eingeführt, was auch aus den Schilderungen des weiblichen Leutnants ausdrücklich hervorgehe.

Staatanwaltschaft hält sich nun lieber bedeckt

Kurzum: das Ministerium hat die Sachlage – demzufolge auch dem Verteidigungsausschuss – „verkürzt dargestellt“, urteilt die Staatsanwaltschaft. Deren Sprecher Markus Engel hält sich nunmehr lieber bedeckt. Er mag die „Bild“-Darstellung „weder bestätigen noch dementieren“. Seine Behörde habe nichts Neues zu dem Fall mitzuteilen, sagte er dieser Zeitung. Der Umstand, wer wann was gewusst hat, habe für die strafrechtliche Prüfung keine maßgebliche Rolle gespielt. Dies wird als Angelegenheit der Bundeswehr angesehen.

Weiterhin ermittelt wird gegen sieben Soldaten, die in Pfullendorf an Ritualen beteiligt waren, bei denen der Verdacht der Freiheitsberaubung oder Körperverletzung besteht. Dabei geht es zum Beispiel um Vorgänge, wonach Rekruten Stiefelbeutel über den Kopf gezogen wurden, um sie – auf Stühlen festgebunden – im Waschraum mit kaltem Wasser abzuspritzen. Diese Ermittlungen könnten sich noch einige Wochen hinziehen, sagt Engel.