Eltern und Lehrer sind alarmiert: ein weiterer Spritzenfund auf dem Gelände Foto: Gombold

Die anhaltenden Proteste von Eltern der Jakobschule wegen der Spritzenfunden im Umfeld zeigen Wirkung: Nächste Woche will sich die Verwaltungsspitze damit befassen. Die Suchthilfeträger planen ein Projekt zur Beseitigung des Drogenmülls.

Stuttgart - Die Stimmung in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats Mitte war aufgeheizt. Elternvertreter klagten einmal mehr darüber, dass im Umkreis der Jakobschule und auf dem Schulhof selbst jeden Tag blutverschmierte Spritzen herumliegen. 40 solcher Fixerutensilien zählte ein Vater innerhalb einer Woche, zwei davon auf dem Schulhof. Einer Mutter stockte die Stimme, als sie erzählte, wie ihre Tochter unter dem Karussell der Schule eine gebrauchte Spritze fand. Die Klagen sind nicht neu, seit einiger Zeit aber spitzt sich die Lage zu. In der Sitzung war sogar von der drohenden Schließung der Schule die Rede.

Die Verwaltungsspitze befasst sich nun nochmals mit dem Problem. „Die Stadt wird auf Wunsch von OB Kuhn kurzfristig Maßnahmen ergreifen“, lautete dazu am Freitag eine knappe Presseerklärung der Stadt. Wie man im Rathaus hört, ist für kommende Woche ein Treffen der von dem Thema berührten Bürgermeister vorgesehen.

Das Problem hat zugenommen

Die Polizei will ebenfalls „noch an der einen oder anderen Stellschraube drehen“, so Polizeisprecher Stefan Keilbach. Im Präsidium ist eine Besprechung angesetzt, nachdem schon längst zwei Reviere, die Sondertruppe der Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS) und das Drogendezernat verstärkt mit dem Quartier beschäftigt sind. „Wir sehen die massiven Beschwerden“, sagt Keilbach. „Womöglich muss die Präsenz intensiviert werden, um das Problem besser in den Griff zu bekommen.“ Auch eine verbesserte Beleuchtung oder eine andere Stadtmöblierung seien hilfreich. Allerdings könne man nicht davon sprechen, dass es rund um die Jakobschule eine verfestigte Drogenszene gebe. „Das ist kein Kriminalitätsschwerpunkt“, so Keilbach.

Auch die Suchthilfeträger reagieren auf die jüngsten Proteste. „Das hat zugenommen“, räumt Ulrich Binder, der Leiter der Suchtberatung Release, beim Thema Spritzenfunde ein. Dies gelte nicht nur für die Jakobschule, andere Fundstellen seien etwa die Wächterstaffel, das Züblinparkhaus, die Tiefgarage an der Olgastraße oder der Spielplatz an der Stitzenburgstraße. Wegen solcher Vorkommnisse auch in Hinterhöfen des Gerberviertels habe schon vor der Sommerpause ein Gespräch stattgefunden. Wirklich erklären kann sich Binder die Zunahme weggeworfener Spritzen nicht. Die Verursacher seien wohl nicht jene Opiatkonsumenten, die in regelmäßigem Kontakt zu den Suchthilfeträgern stehen. Es gebe aber verschiedene Hinweise, dass eine neue Gruppe von Abhängigen unterwegs sei, die man bisher nicht erreiche. Die Zahl der ausgegebenen Spritzen hat stark zugenommen. Laut Binder waren es bei den Trägern Release, Caritas und Lagaya im Jahr 2013 rund 37 000, im Vorjahr zählte man schon 92 000. Dies sei durchaus positiv zu werten, der Zuwachs zeuge von einem gewachsenen „Gesundheitsbewusstsein“ der Fixer.

Café High Noon als „Hotspot“

Dass es sich zumindest bei einem Teil der aufgefundenen Spritzen um Exemplare handelt, die aus dem nahe der Jakobschule gelegenen Kontaktcafé High Noon stammen, bestätigt Rainer Lang, Fachdienstleiter Sucht bei der Caritas. „Darauf deuten Fotos von den Umverpackungen hin.“ Im High Noon gibt es tagsüber zu bestimmten Zeiten eine Spritzenausgabe am Schalter, dort hängt aber auch ein Automat, aus dem die Utensilien rund um die Uhr gezogen werden können. Lang betont, dass man in der Beratungsstelle, die auch als Treff und Ruhepunkt für die Süchtigen dient, darauf hinwirke, dass gebrauchte Spritzen nicht weggeworfen werden sollen. „Das ist den Leuten bekannt“, sagt er. Es gibt auch eine Art Pfand: Wer eine gebrauchte gegen eine neue Spritze tauscht, bekommt diese kostenlos, sonst werden 20 Cent fällig. Außerdem gibt es ein niederschwelliges Beschäftigungsprojekt für Junkies, dessen Teilnehmer weggeworfene Spritzen aufsammeln, sie beginnen ihre Tätigkeit aber erst um 10 Uhr.

Dass dies alles nicht mehr reicht, darin sind sich Ulrich Binder und der Bereichsleiter Sucht- und Sozialpsychiatrische Hilfen bei der Caritas, Klaus Obert, einig. Man sieht sich in der Pflicht, gegen den Missstand im Umfeld der Jakobschule „umgehend“ mehr zu tun, sagt Obert. „Der Drogenmüll muss beseitigt werden. Das ist ein dringliches Thema, das High Noon ist da ein Hotspot.“ Gedacht ist etwa daran, mittels eines Arbeitshilfeprojekts ein paar Leute zu finden oder einen ganze Pool von Menschen aufzubauen, die schon zwischen 6 und 7 Uhr früh die Überreste nächtlichen Drogenkonsums beseitigen. Klaus Obert hofft, dass sich die Lage rund um die Jakobschule „bis in drei Wochen“ beruhigt haben könnte.