Seit 15 Jahren gibt Adelheid Kummerow (links) Migrantinnen Deutschunterricht in Weilimdorf. Foto: Marta Popowska

Die Stadt Stuttgart überarbeitet im Sommer ihr Angebot an Sprachkursen für Migranten.

Weilimdorf - Dass ihr Deutschkurs vielleicht zum letzten Mal stattfindet, hat die Lehrerin Adelheid Kummerow zwei Tage vor der Sommerferienpause erfahren. Seit 15 Jahren unterrichtet sie Migrantinnen in Weilimdorf, die kein oder kaum Deutsch sprechen. Doch nachdem der Bund das neue Integrationsgesetz beschlossen hat, das unter anderem den Ausbau der Integrations- und Sprachkurse vorsieht, möchte die Stadt Stuttgart die Sommerferien dazu nutzen, eine neue Struktur für alle städtischen Deutschkurse zu erarbeiten. Denn diese sollen die vom Bund finanzierten Integrations- und Sprachkurse sinnvoll ergänzen.

Am Freitag vor den Sommerferien sitzen zehn Frauen in einem Tischkreis in einem Raum im Gemeindehaus der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde. Außer während der Schulferien findet hier jeden Montag- und Freitagmorgen Kummerows Sprachkurs statt. Das Angebot richtet sich speziell an Frauen. Sie stammen aus Tunesien, der Türkei, Russland, Japan oder Afghanistan.

Für viele ist der Unterricht nicht nur die einzige Möglichkeit, Deutsch zu lernen, sondern auch die einzige, zuhause rauszukommen. Die meisten Frauen können den Kurs nur besuchen, weil er in ihrem Stadtbezirk liegt und eine Erzieherin im Nachbarraum die Kleinkinder betreut. Seit Kummerow ihnen gesagt hat, dass der Kurs nach den Ferien vielleicht nicht mehr stattfindet, sind sie in Sorge.

Der Schritt zum Sprachkurs verlangt viel Mut

„Meine Kinder haben irgendwann gesagt: Mama, du könntest auch endlich mal Deutsch lernen“, sagt Sultan Tekin. Die 64-jährige Korntalerin lebt bereits ihr halbes Leben in Deutschland, ihre Kinder sind erwachsen. Sie ist stolz auf sie, weil sie studiert haben und komplett in der deutschen Gesellschaft angekommen sind. Nun will auch sie einen weiteren Schritt machen. „Ich habe die Angst verloren“, sagt sie. Vielen der anderen Frauen hat der Schritt zum Sprachkurs viel Mut abverlangt. Eine Frau, die seit vier Jahren in Stuttgart lebt und mit einem Deutschen verheiratet ist, erklärt, was die Sprachbarriere bei ihr ausgelöst hat: „Ich habe Angst, mit Deutschen zu sprechen. Das erste Jahr bin ich nur zuhause geblieben.“ Eine andere sagt, dass sie Konditorin ist, hier arbeiten möchte und gerne ihren Meister machen würde.

„Frauen finden oft Arbeitsstellen, wenn sie erst mal gut genug Deutsch sprechen“, sagt Kummerow mit Blick auf die 15 Jahre, in denen sie den Kurs für Migrantinnen bereits anbietet. Dass die Volkshochschule, die den Kurs als Träger veranstaltet, sie so kurzfristig von einer möglichen Streichung unterrichtet hat, hat sie verärgert.

Stadt will neue Kursstruktur erarbeiten

„In den Sommerferien werden wir einen Kassensturz machen und eine neue Kursstruktur erarbeiten“, bestätigt der bisherige Verwaltungs- und Krankenhausbürgermeister und künftige Sozialbürgermeister Werner Wölfle. Die Stadt bietet sogenannte stadtteilorientierte Deutschkurse und das Programm „Mama lernt Deutsch“ an Stuttgarter Schulen als Ergänzung zu den Bundes-Integrationskursen an. Während letztere Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive und anerkannten Asylbewerbern vorbehalten sind, füllen Kommunen mit den städtischen Kursen eine Lücke. Denn an ihnen dürfen auch Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive und jene, die bereits seit Jahren hier leben, aber immer noch kein Deutsch sprechen, teilnehmen.

Laut Werner Wölfle werden die städtischen Kurse zu 60 Prozent vom Land mitfinanziert. „Der städtische Haushalt stellt 140 000 Euro bereit“, sagt der Bürgermeister. Da der Bund das Angebot für Sprachkurse neu strukturiert hat, möchte die Stadt die eigenen Kurse besser auf diese abstimmen. Hinzu kommt, dass zum 1. Juli vom Bund beschlossen worden war, die Deutschlehrer der Integrationskurse statt mit 23 Euro künftig mit 35 Euro pro Unterricht zu honorieren. Denn schon länger gab es das Problem, dass diese zu Anbietern mit höheren Honoraren abwanderten. Auch die Honorierung der Deutschlehrer städtischer Kurse wird ein Thema für die Sommerpause sein. „Eine Harmonisierung der Honorare für die Kursleitenden wird auch angestrebt, um unerwünschte Wanderungen zu besser vergüteten Kursen zu vermeiden“, sagt die Sprecherin der Volkshochschule Stuttgart, Elvira Schuster.

„Ich habe ein großes Interesse daran, dass die Kurse für Migrantinnen weiter stattfinden und werde mich dafür einsetzen“, sagt Werner Wölfle. Welche Kurse letztendlich erhalten bleiben, erfahren die Lehrer aber erst im September. Bis dahin heißt es für alle Beteiligten: weiter bangen.