43 Prozent – fast die Hälfte – aller ausländischen Bewerber bekommen keinen Ausbildungsplatz. Foto: dpa

Sprachprobleme und Vorurteile erschweren ausländischen Jugendlichen die Ausbildungsplatzsuche.

Stuttgart - Der Unterschied ist enorm: Von den 20.700 Bewerbern, die sich derzeit für einen Ausbildungsplatz in Baden-Württemberg beworben haben, sind 35 Prozent der deutschen Jugendlichen noch unversorgt. Die Zahl der ausländischen Bewerber ohne Stelle ist vor dem Start in das Ausbildungsjahr noch höher: 43 Prozent – fast die Hälfte – bekommen keinen Ausbildungsplatz.

Warum Jugendliche mit Migrationshintergrund größere Probleme haben, eine Stelle zu finden, erklärt sich Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) wie folgt: „Die Gründe dafür sind niedrige oder sogar fehlende Bildungsabschlüsse, unzureichende Sprachkenntnisse, aber auch fehlende Kenntnisse über das deutsche Berufsbildungssystem und die Chancen, die eine Ausbildung mit sich bringt.“

In einer Stellungnahme, mit der er auf einen Antrag der CDU-Landtagsfraktion antwortet, weist er darauf hin, dass die grün-rote Landesregierung das Programm „Azubi statt ungelernt – mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund ausbilden“ mit 260.000 Euro fördert. Das Geld stammt aus dem Europäischen Sozialfonds. Zweck dieser Initiative ist es, dass Berufswerber mit Migrationshintergrund ausländische Jugendliche und deren Eltern in ihrer Muttersprache zum Bildungssystem und zu den 350 angebotenen Ausbildungsberufen beraten und ihnen während der Ausbildung für weitere Fragen und Probleme zur Verfügung stehen.

400 Berufsberater allein in Baden-Württemberg

„Die Bundesagentur für Arbeit hat den gesetzlichen Auftrag zur Vorbereitung von jungen Menschen auf die Berufswahl“, meint Schmid und weist auf die 400 Berufsberater allein in Baden-Württemberg hin, die Jugendlichen den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern sollen. Des Weiteren gibt es in vielen Regionen spezielle Angebote für Migrantenfamilien. Dazu gehören Elternabende mit Übersetzern.

Neben den oben genannten Gründen treffen ausländische Jugendliche noch auf weitere Hindernisse auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Eine Studie des Integrationsministeriums belegt, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg davon ausgeht, dass Bewerber mit Migrationshintergrund nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben wie deutsche  Bewerber.

Wirtschaftsminister Schmid und Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) schlagen deshalb anonymisierte Bewerbungsverfahren vor. Man bewirbt sich bei einem Arbeitgeber, ohne den Namen, das Alter, das Geschlecht, die Nationalität oder den Familienstand zu nennen. Das soll „unbewusste Ungleichbehandlung vermeiden“, wie Schmid erklärt. Im Herbst will die Landesregierung das Verfahren in einem Modellprojekt testen, um genauere Erkenntnisse zu erlangen.

Ministerium unterstützt Forum „Landesarbeitsgemeinschaft Migrantenökonomie“

Im öffentlichen Dienst sei der Anteil an ausländischen Mitarbeitern ebenfalls sehr gering, wie Schmid in der Anfrage weiter ausführt. So befanden sich im Dezember 2011 ungefähr 5800 Auszubildende im öffentlichen Dienst, davon waren nur 170 ausländischer Herkunft. Eine Projektgruppe im Finanz- und Wirtschaftsministerium arbeitet nun daran, den Migrantenanteil etwa bei der Polizei schrittweise anzuheben.

Um die Fähigkeit und die Bereitschaft von Unternehmen, Jugendliche auszubilden, zu erhöhen, unterstützt das Ministerium das Forum „Landesarbeitsgemeinschaft Migrantenökonomie“. Dabei sollen sogenannte Ausbildungswerber die Unternehmen dazu motivieren, den Fachkräftenachwuchs durch Ausbildungen zu fördern.

Eine wichtige Rolle spielen auch die Betriebe, die von Migranten geführt werden. 28 Prozent von ihnen bilden Jugendliche selbst aus. Arbeitgeber aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien sind dabei die Unternehmen mit den meisten Ausbildungsplätzen. Die Anzahl der Auszubildenden, auch Ausbildungsquote genannt, ist in ausländischen Unternehmen etwa gleich hoch wie bei deutschen Arbeitgebern. Dort liegt die Ausbildungsquote bei fünf Prozent, in türkischen Unternehmen bei acht Prozent.

Besonders beliebt unter den ausländischen Bewerbern sind derzeit Berufe im Verkauf. Auf dem zweiten Platz liegen Büro- und Sekretariatstätigkeiten, es folgen Jobs in der Kfz-Technik.