Propaganda-Kitsch: Sowjetische Briefmarke mit sozialistischen Bruderkuss (1968). Foto: Wikipedia commons/www.webmarki.com/pochtovie-marki-sssr/50-letie-vooruzhennyh-sil-sssr-sc3604

Anglizismen und Bürokraten-Deutsch, Mode-Floskeln und aussterbende Begriffe – in unserer Sprach-Glosse hören wir genau hin. Wie die Menschen so reden, was sie sagen, wie sie’s meinen. Heute unter der Lupe: „Polit-Kitsch“.

Stuttgart - Kunst ist das Produkt der gestalterischen Schaffenskraft des Menschen, seiner kulturellen Kreativität. Kunst im Dienst eines politischen Systems, missbraucht zu Propagandazwecken, ist Auftragskunst. Totalitäre Regime sehen in ihr ein probates Mittel zur Selbstinszenierung und ästhetischen Überhöhung des eigenen Machtanspruches. Das Wahre und Schöne, das die Kunst seit der Antike als hehres Ziel versinnbildlicht, wird zum Polit-Kitsch. Zum Ausdruck einer süßlich-sentimentalen Scheinkunst und trivialen Gefühlsduselei im Dienste der Politik, die sich Stereotypen und Klischees bedienen.

Totalitäre Regime – Meister des Polit-Kitsch

„Kitsch ist die Unfähigkeit zuzugeben, dass Scheiße existiert“, sagt der tschechische Schriftsteller Milan Kundera. Wer sein Weltbild absolut setzt – totalitäre Regime sind darin wahre Meister – ist nicht nur unfähig, die Grenzen seines Denkens und Handelns zu erkennen. Er würde auch nie zugeben, dass er die Realität nur noch schlechter macht als sie ohnehin schon ist. Um mit Milan Kundera zu sprechen: Dass die „Scheiße“, die er produziert real und zum Nachteil der Anderen ist.

„Kitsch as kitsch can“

Kitsch kennt keine Kunstgattungen, er ist grenzenlos. „Kitsch as Kitsch can.“ Er drückt sich in ölfarbenen Heldenposen von Despoten wie Josef Stalin aus, in pseudo-realistischen Darstellungen eines Arbeiter-und Bauern-Paradieses wie auf DDR-Buntglasfenstern und Briefmarken oder in Retro-Revolutionsumzügen von Altkommunisten wie in Russland.

Polit-Kitsch rührt das Herz, nicht das Hirn

Geschönte Vergangenheit, verklärte Gegenwart und Sehnsucht verheißende Zukunft sowie klare Botschaft und emotional anbiedernde, glorifizierende Bildsprache: Das ist sind die Ingredienzien, derer sich der Polit-Kitsch bedient, um den breiten Publikumsgeschmack zu treffen. Verborgene Botschaften, die nur eine Elite versteht, sind nicht seins. Polit-Kitsch rührt das Herz, nicht das Hirn.