Alles in die passende Tonne: So geht Abfallentsorgung richtig. Foto: dpa

Anglizismen und Bürokraten-Deutsch, Mode-Floskeln und aussterbende Begriffe – in unserer Sprach-Glosse hören wir genau hin. Wie die Menschen so reden, was sie sagen, wie sie’s meinen. Heute unter der Lupe: „Entsorgen“.

Stuttgart - Alexander Gauland war 40 Jahre lang CDU-Mitglied, bevor er 2013 zum Geburtshelfer der AfD avancierte. Als Lobbyist der Abfallentsorgungswirtschaft ist der 76-Jährige bisher nicht aufgetreten. Als er kürzlich der Integrationsbeauftragten des Bundes, Aydan Özoguz von der SPD, androhte, sie „in Anatolien zu entsorgen“, ist die Aufregungder anderen Parteien groß gewesen. Schon wieder ein sprachlicher Missgriff in die Nazi-Mottenkiste?

„Sworga“ – Sorge – Entsorgung

Die politische Vermutung liegt nahe, doch die Etymologie spricht dagegen. „Entsorgen“ ist ein sogenanntes Präfixverb – also ein Tätigkeitswort, dem die Worterweiterung „ent-“ vorangestellt ist. Das Verb wird abgeleitet vom Hauptwort „Sorge“.

Ab dem achten Jahrhundert ist es erstmals im Althochdeutschen als „sorga“/ „sworga“ belegt. In der Nazi-Terminologie kommt „Entsorgen“/„Entsorgung“ allerdings nicht vor. Tatsächlich ist es eine semantische Erfindung von Technokraten aus den späten 1970er Jahren.

Trennen, recyceln, thermisch verwerten

Die bundesdeutsche Abfallwirtschaft stand damals angesichts der ausufernden Reste der Zivilisationsgesellschaft mit dem Rücken zur Wand. Die Kapazitäten der Deponien stießen an ihre Grenzen, den Müll einfach in den Wald zu schmeißen oder klammheimlich außer Landes zu schaffen ging auch nicht. Blieb nur ihn einzusammeln, zu trennen, zu recyceln und thermisch zu verwerten.

Um das Vorhaben zu verklausulieren, wählte man den beschönigenden Begriff „Entsorgung. Mit dem Müll „entsorgte“ man nicht nur ein zum Himmel stinkendes Problem, sondern entledigte sich auch der damit verbunden ökologischen und sozialen Sorgen. Inzwischen hat der Techonkraten-Terminus längst Einzug in die Umgangssprache gehalten im Sinne von – ganz unideologisch – loswerden.