Der LAC Degerloch will mit seiner Calisthenics-Anlage junges Publikum ansprechen. Foto: Cedric Rehman

Der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) verkündet steigende Mitgliederzahlen. Die Sportvereine auf den Fildern reagieren verhalten auf die guten Nachrichten. Sie beklagen zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber den Vereinen.

Filder - Freude über eine gute Nachricht klingt anders. Arno Freudenberger vom Vorstand des LAC Degerloch reagiert mit Schweigen auf die Frage, wie er den vom Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) zum Stichtag 1. Januar 2016 festgestellten ersten Mitgliederzuwachs im Land seit 2010 bewertet. „Also bei uns stagnieren die Zahlen“, sagt er dann. Im Verlauf des Gesprächs attestiert er dem Dachverband eine allzu rosarote Brille, die den Funktionäre helfe, das Pfeifen im Walde zu überhören.

Freudenberger will nicht falsch verstanden werden. Die Mitgliederzahl des LAC entwickle sich seit Jahren stabil und liege stets bei rund 180 bis 200 Aktiven, sagt er. Aber die Zeiten, zu denen auch sein Verein ohne Probleme Mitglieder gefunden hat, die sich auch in den Strukturen einbringen, seien vorbei, stellt er fest. „Das muss man so akzeptieren, und das lässt sich auch nicht schönreden“, sagt Freudenberger.

Fußball immer beliebt

Der erste Vorsitzende des LAC spricht davon, dass viele Menschen heute schlichtweg nicht mehr am Ball bleiben, wenn sie sich für eine Mitgliedschaft in einem Sportverein entscheiden – es sei denn, es handele sich um einen Fußball. „Fußball geht wahrscheinlich immer. Aber sonst ist es oft so, dass sich die Menschen schnell für eine Sportart interessieren und dann auch den Verein wechseln“, meint Freudenberger.

Der LAC Degerloch hatte im vergangenen Jahr eine Calisthenics-Anlage auf seinem Gelände aufgestellt. Sportler können an Stangen ihren Körper allein mithilfe der Schwerkraft trainieren. Die Sportart gilt als beliebt bei Jugendlichen, weil sie mit der US-amerikanischen Hip-Hop-Kultur verbunden ist. Die allen zugängliche Calisthenics-Anlage des LAC sei gut frequentiert, berichtet Arno Freudenberger. Doch bisher habe keiner der Calisthenics-Sportler einen Mitgliedsantrag gestellt, fügt er hinzu. „Wir sind im Gespräch mit Calisthenics-Gruppen, die vielleicht bei uns unterschlüpfen wollen. Aber bei den Leuten gibt es keine große Lust auf Vereinsstrukturen“, sagt Arno Freudenberger.

Möglichst individuell

Der Wunsch, möglichst individuell Sport zu treiben, gehe nicht nur bei jungen Calisthenics-Fans mit dem Unwillen einher, sich für einen Sportverein zu engagieren, stellt Freudenberger fest. „Das ist der gesellschaftliche Trend.“

Folker Baur, erster Vorsitzender des TV Plieningen formuliert es so: „Die Leute haben keine Lust, am Wochenende mal für den Verein am Grillstand zu stehen“, meint er. Natürliche ließe sich das nicht verallgemeinern, fügt er hinzu. „Wir haben das Glück, dass wir immer noch Ehrenamtliche finden, die sich im Verein einbringen wollen“, sagt er. Dass die Zeiten sich geändert haben und dies nicht immer zum Vorteil der Vereinskultur, kann Folker Baur bestätigen. Die Mitgliederzahlen des TV seien tatsächlich leicht gestiegen, sagt er. Er führt dies auf das boomende Segment des Seniorensports und der Gesundheitsfürsorge zurück.

Wachsende Konkurrenz

Auch der TSV Heumaden vertraut auf ein möglichst breites Angebot an Kursen. „Steigende Zahlen bestätigen uns, dass wir ein gutes Angebot machen“, sagt Denise Roth vom TSV. Allerdings spüre der Heumadener Verein die wachsende Konkurrenz durch die Kursangebote der Fitnessstudios. Auch beim TSV gebe es Mitglieder, die ihren Sport machen wollen, sich aber sonst kaum am Vereinsleben beteiligen, berichtet Denise Roth.

Helmut Bäuerle vom TSV Birkach bezeichnet die Entwicklung der Mitgliederzahlen des vergangenen Jahrs als konstant. „Natürlich gab es ein paar Austritte, weil die Alfred-Wais-Halle mit Flüchtlingen belegt war und deshalb Kurse ausfielen. Aber dramatisch war es nicht“, sagt er.

Für Nichtmitglieder offen

Der TSV Birkach habe bereits vor Jahren begonnen, sich auf den Trend zu mehr Unverbindlichkeit einzustellen. „Wir haben ein Kursangebot entwickelt, das für Nichtmitglieder offen ist. Das läuft sehr gut“, sagt er. Doch auch beim TSV Birkach würden immer mehr Aufgaben auf immer weniger Schultern ruhen – weil die Zahl derjenigen, die sich aktiv ins Vereinsleben einbringen, sinkt.

Helmut Bäuerle führt die wachsende Unlust, sich an einen Verein zu binden, auch auf die Vielfalt der Angebote zurück. „1989 war unser Sommerfest das Ereignis in Birkach. Da haben die Leute ihren Urlaub so gelegt, dass sie mitfeiern können. Heute ist das nur ein Ereignis neben vielen“, sagt er.

Jammern helfe aber nichts, meint Bäuerle. Die Vereinskultur werde sich stark verändern, aber nicht gleich untergehen. „Echte Vereinsmenschen, die sich aktiv einbringen wollen, wird es immer geben“, sagt Helmut Bäuerle.