Die Steelers und die Handballerinnen sind die erfolgreichsten Sportmannschaften Bietigheims. Weitere Bilder zur Sportstadt finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Baumann Montage: Detsch

Die reiche Stadt lässt sich den Sport vor Ort einiges kosten. Davon profitieren die Steelers oder die Handballerinnen. Andere wiederum fühlen sich benachteiligt.

Bietigheim-Bissingen - Ich will alles gewinnen“, sagt Tess Wester. Bundesliga, Pokal und EHF-Cup (Europacup) – die Ziele der Torfrau bei den Handball-Frauen der SG BBM Bietigheim sind hoch gesteckt. Doch sie sind realistisch. Seit Bietigheims Handballerinnen im Jahr 2013 in die erste Liga aufgestiegen sind, gehören sie zu den besten Teams Deutschlands. Aktuell sind sie auf Tabellenplatz 1 mit 17 Siegen aus 17 Spielen.

Ähnlich sieht es im Eishockey in Bietigheim aus: die Steelers spielen seit 18 Jahren regelmäßig um die Meisterschaft in der zweiten Eishockeyliga mit, eigentlich hätten sie längst aufsteigen können, doch das verhindert eine Regel im Eishockey. Nun spielen sie also seit Jahren auf erstklassigem Niveau in der zweiten Liga – und sind derzeit wieder auf Platz 1.

Knapp jeder zweite Bietigheimer ist in einem Sportverein

Die Steelers und die Handballerinnen sind die herausragenden Beispiele von erfolgreichem Sport in Bietigheim-Bissingen. Aber auch die Tischtennis-Spieler, die Schwimmer, die Leichtathleten oder die Fußballer spielen und wettkämpfen für einen Verein einer Stadt mit dieser Größe weit oben mit. Zudem sind die Bietigheimer vergleichsweise sportlich unterwegs: Von den knapp 42 000 Einwohnern sind nach Angaben der Stadt knapp 24 000 Personen Mitglied in einem Sportverein. „Der Sport ist ein Teil der Wohlfühlqualität, die unsere Stadt zu bieten hat“, sagt OB Jürgen Kessing (SPD), der als ein großer Freund des Sports gilt und auch eine Vergangenheit als Leichtathlet hat. Der Sport ist gleichzeitig ein Aushängeschild für eine Stadt, die sonst bekannt ist für den Pferdemarkt und die Schmusesänger von Pur.

Die Gründe dafür reichen zurück bis ins Jahr 1978. Damals verabschiedete der Gemeinderat unter Oberbürgermeister Manfred Listdie „Sportförderrichtlinie“. Sie legte den Grundstein für das, was die Vereine heute von der reichen Stadt geschenkt bekommen: Kostenlose Nutzung der Sportstätten, ein Zuschuss auf den Mitgliedsbeitrag für Kinder und Jugendliche sowie eine teilweise Kostenerstattung für Trainer. 420 000 Euro im Jahr lässt die Stadt sich die Förderung kosten. Hinzu kommen 700 000 Euro, die der Stadt entgehen, weil sie auf Hallenmieten verzichtet. „Das sind freiwillige Leistungen“, betont Stefan Benning, der Leiter des Kultur- und Sportamts. Die kämen schnell auf den Prüfstand, sollte es finanziell einmal schlechter laufen. So drehte die Stadt den Förderhahn in den Krisenjahren 2010 bis 2012 zu.

Eine Spielstätte für 18 Millionen Euro

„Die Entscheidung, in den Sport zu investieren, zahlt sich aus. Das sieht man jetzt“, sagt Gregor Rustige, der Vereinsmanager des Steelers-Stammvereins. Der verfügt aktuell über zwölf aktive Mannschaften, die Heimspielstätte, die EgeTrans Arena, ein 18 Millionen Euro teures Bauwerk der Stadtwerke, wird seit Dezember 2012 bespielt.

Und die weckt Begehrlichkeiten: Auch die Handballer hätten vor drei Jahren gerne eine neue Ballsporthallegehabt, die den Anforderungen für Erstligaspiele gerecht wird. Doch der Gemeinderat war sich uneins, ob er ein weiteres Millionenprojekt stemmen kann. Zudem gab es Streit wegen der Befangenheit einiger Stadträte. Das Projekt wurde auf Eis gelegt – und könnte in diesem Jahr frühestens wieder aufs Tableau kommen. In Anbetracht der Millionen, die die Stadt in den kommenden Jahren für Schulsanierungen ausgibt, ist das aber eher unwahrscheinlich. Derweil spielen die Herren in der Ludwigsburger MHP-Arena und die Frauen nach wie vor in der Sporthalle am Viadukt.

Die Tischtennis-Spieler können von solchen Zuständen nur träumen

Doch selbst dies sind Zustände, von denen der Tischtennis in Bietigheim nur träumen kann. Auch deswegen sieht sich Matthias Grünenwald, der Vorsitzende des TTC, als Gegenentwurf zu den Eishockey-Spielern: Man setzt auf Eigengewächse.

„Wichtig ist, dass man der Jugend die Chance gibt, sich in den Herren- beziehungsweise Frauenmannschaften zu beweisen.“ Da spiele man lieber eine Liga tiefer als Turniere nur mit Zukäufen zu bestreiten. Wofür ohnehin kein Geld da wäre: Die großen Sponsoren wie Dürr oder Olymp sind schon beim Handball oder Eishockey engagiert. Für die Jugendarbeit gab’s 2013 eine Auszeichnung des Deutschen Olympischen Sportbunds, laut Matthias Grünenwald „das größte Lob für uns“. Und mit Annett Kaufmann habe man bereits jetzt eine zehnjährige Vize-Europameisterin im Verein. Auch der geistig schwerbehinderte Hartmut Freund, der in seiner Klasse auf Weltniveau spielt, trainiert beim TTC Bietigheim-Bissingen.

Die Handball-Weltmeisterinnen kommen nach Bietigheim

Bei der Leichtathletik setzt man ebenfalls auf eigene Talente. Das bekannteste ist wohl derzeit Felix Franz, ein Hürdenläufer, der unter anderem zwei Mal Deutscher Meister war. Thomas Riegraf, der kommissarische Leiter der Leichtathletik beim TSV Bietigheim, erklärt: „Je breiter die Basis ist, desto eher kann jemand zum Spitzensportler reifen.“ Bei der Stadt stoße man bei Problemen immer auf „ein offenes Ohr“, sagt Riegraf.

So sind die Aussichten für die Sportstadt Bietigheim in diesem Jahr blendend: In Eishockey und im Handball wird es wohl zwei Meisterschaften zu feiern geben, die Bissinger Fußballer stehen vor dem Aufstieg in die Regionalliga. Außerdem eröffnet der TSV Bietigheim sein neues Vereinszentrum im Ellental. Und Ende des Jahres spielen die amtierenden Handball Weltmeisterinnen aus Norwegen die WM-Vorrunde in Bietigheim-Bissingen. Oberbürgermeister Jürgen Kessing, der sich im November zur Wahl als Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands stellt, hat auch ein paar Erwartungen an das Sport-Jahr in Bietigheim-Bissingen: „Wir wünschen uns ein paar Aufstiege und auch Meistertitel.“ Der Europapokal für die Handballerinnen wäre dann schon, sagt der Rathauschef, das „Sahnehäubchen“.