Spitzensport aus Baden-Württemberg: Hürdensprinter Gregor Traber, VfB Stuttgart Foto: Baumann

Neun Jahre stand Dieter Schmidt-Volkmar (76) der wichtigsten Sport-Organisation im Land vor. Nun räumt der Präsident des Landessportverbands Baden-Württemberg seinen Platz – und er gibt zu: „Ich konnte nicht alle meine Ziele verwirklichen.“

Stuttgart - Interview mit Dieter Schmidt-Volkmar

Herr Schmidt-Volkmar, Sie hören nach neun Jahren als Präsident des Landessportverbandes (LSV) auf. Jetzt bleibt wieder mehr Zeit für die Oper.
Das auch. Ich bin seit meiner Studienzeit ein begeisterter Oper-Gänger.
Da gibt es durchaus Parallelen zu den Bühnen der Sport-Politik.
Das stimmt. In beiden Bereichen muss Leistung gezeigt werden. Ich denke da zum Beispiel an Tristan und Isolde. Wer einmal erlebt hat, was die beiden Sänger da in viereinhalb Stunden vollbringen, ist beeindruckt.
Hier wie dort kommt es auf die Zwischentöne an.
(lacht) Es kann jedenfalls Beifall und Pfiffe geben – wie im Sport.

Und jetzt geben Sie die erste Geige ab.

Dieses Instrument spiele ich gar nicht. . .
. . . sondern?
Ein bisschen Klavier.
Ist Ihr Abschied von der LSV-Spitze mit Wehmut verbunden?
Wehmut nicht, aber man denkt schon nach.
Über seine persönliche Bilanz?

Man stellt sich die Frage, was man erreicht hat. Und da fällt die Bilanz eigentlich ganz gut aus.

Der Sport in Baden-Württemberg ist noch immer Stückwerk – mit einem Dachverband LSV und drei Sportbünden in den Landesteilen.
So hart will ich das nicht formulieren. Aber ich gebe zu: Zu meinen großen Zielen zählte bei meinem Amtsantritt, an der Struktur des Sports in Baden-Württemberg zu arbeiten.
Daran sind Sie gescheitert?
Mir war von Anfang an klar, dass es sehr schwierig werden würde, den Sport in seiner gewachsenen Struktur weiter zusammenzuführen. Ich habe immer die Sportfachverbände aus Baden und Württemberg, die sich zusammengetan haben, nach Kräften unterstützt.
Inzwischen gibt es schon 23 gesamt baden-württembergische Fachverbände. Wirkt irgendwann die normative Kraft des Faktischen?
Es sind eben meist kleinere Verbände, die von den großen Verbänden leicht überstimmt werden können.
Gerade die kleineren Verbände haben aber Probleme, den Anforderungen in allen Landesteilen gerecht zu werden.
Vor allem auf der Ebene des Ehrenamts müssen sie vier Herren dienen. Ich habe das bereits früher durch einen kritischen Antrag moniert.
Sehen Sie dennoch Möglichkeiten, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen?
Über verkrustete Strukturen möchte ich nicht sprechen. Möglichkeiten bestehen über die Sportbünde beziehungsweise über die Sportfachverbände, die wir beim Thema Leistungssport noch stärker mit in unsere Arbeit einbeziehen werden. Ich hoffe, dass diese Fachverbände dadurch noch mehr Selbstbewusstsein entwickeln.
Sie könnten die Sportbünde in Württemberg, Nord- und Südbaden überstimmen?

Eine Satzungsänderung erfordert 80 Prozent der Delegiertenstimmen. Das erreicht man schon dann nicht mehr, wenn ein größerer Verband oder ein Sportbund nicht mitzieht.

Dieses Projekt Ihrer Amtszeit endete mit einer Enttäuschung, was macht Sie dagegen zufrieden?
Der Bildungsbereich ist in der Sport-Organisation wieder stärker verankert. Es gibt zum Beispiel jetzt eine Rahmenvereinbarung mit dem Kultusministerium über die sportliche Unterrichtsbetreuung an den Ganztagsschulen.
Was bedeutet das konkret?
Dass ein Schulleiter bei der Unterrichtsbetreuung im Sport erst die örtlichen Sportvereine ansprechen muss. Nur wenn die Vereine sagen, sie haben das Personal nicht, darf er sich anderweitig orientieren. Darin steckt auch für die Vereine eine Chance: Sie können Trainer engagieren, die zu einem gewissen Teil über die Schule finanziert werden. Das hätte man sich vorher vielleicht nicht leisten können.
Sie wollten überdies den Leistungssport stärken.
Das ist uns recht gut gelungen. Durch den Solidarpakt mit dem Land ist der Sport finanziell gestärkt. Wir können bei den Trainern eine tarifliche Angleichung vornehmen. Und wir können wieder in Projekte investieren, die wir zurückstellen mussten. Hinzu kommt, dass wir die Partner- und Eliteschulen des Sports weiter entwickelt haben, wir haben Vereinbarungen mit den Hochschulen getroffen, Partnerbetriebe des Sports stellen Arbeitsplätze oder Lehrstellen für unsere Spitzensportler zur Verfügung. Außerdem wurde die Stiftung Soziale Hilfe für Spitzensportler zur Stiftung Olympia-Nachwuchs zugelegt. Aus den Zinsen fördern wir Projekte und Athleten.
Im Solidarpakt III garantiert das Land für die nächsten fünf Jahre deutlich höhere Millionenzuschüsse für den Sport als bisher. Ihr größter Erfolg?
Es ist ein recht gutes Ergebnis. Das Land erhöht die Sportförderung über fünf Jahre um 112,5 Millionen Euro. Wobei dieser Betrag auch eine Erhöhung des kommunalen Sportstättenbaus über fünf Millionen Euro pro Jahr enthält.
Man kann nach vielen Jahren mal wieder die Pauschalen für Übungsleiter erhöhen.
Um 70 Cent pro Stunde. Das klingt nicht nach sonderlich viel für den Einzelnen, macht aber in den nächsten fünf Jahren 25 Millionen Euro aus. Was mich ebenso freut ist die Tatsache, dass die Turnweltmeisterschaft 2019 in Stuttgart mit zwei Millionen Euro bezuschusst wird. Das sind gute Signale für den Sport.
Ein gutes Signal wäre auch eine intensivere Unterstützung durch die Wirtschaft
(runzelt die Stirn). Unsere Zusammenarbeit beispielsweise mit der Porsche AG ist sehr gut – zum Beispiel bei der Verleihung des LSV-Trainerpreises oder der Förderung des Spitzensports. Aber ich gebe zu: Ich hatte mir ursprünglich eine größere Beteiligung durch die Wirtschaft erhofft.
Wo liegen die Gründe?
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Unternehmen nicht genau wissen, wie valide es ist, einen Spitzensportler oder einen Fachverband zu unterstützen. Ich denke da an das Doping-Problem.
In dieser Hinsicht hat sich der LSV unter Ihrer Regie nicht gerade mit Ruhm bekleckert. In Doping-Fragen reagiert der Landessportverband meist sehr leise.
Leise waren wir gar nicht. Wir tun sehr viel in der Prävention. Baden-Württemberg war im Übrigen schon vor langer Zeit das erste Bundesland, das Gelder für Dopingkontrollen auch in den Landeskadern zur Verfügung gestellt hat. Als sich dann bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada eine Finanzlücke auftat, hat das Land wieder als Erster geholfen – immer in Absprache mit dem LSV.
Die Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg für ein Anti-Doping-Gesetz wurde vom LSV nicht unterstützt.
Und den Impuls durch den damaligen Justizminister Rainer Stickelberger habe ich zwar für richtig gehalten, aber er war nicht ausgereift genug. Es war nicht klar, wie sich Sport- und Strafrecht vereinbaren lassen. Zudem habe ich dazu klare Bekenntnisse des LSV anlässlich der Mitgliederversammlungen abgelegt.
Wenn Sie eine Schlagzeile über ihr Wirken als LSV-Präsident formulieren dürften, wie würde sie lauten?
Es war eine Herausforderung, die ein Leben bereichert.