Sunia Maiwald umgeben von ihren Schützlingen aus dem Asylheim und ihrem Sohn (rechts). Er hat sich mit den syrischen Kindern angefreundet. Foto: Cedric Rehman

Sunia Maiwald aus Schönberg gibt Kindern aus der Plieninger Flüchtlingsunterkunft Fußballunterricht. Sie ist selbst in Südkorea geboren. Die schwierige Lage der Flüchtlinge erinnert sie daran, wie sie damals nach Deutschland kam.

Plieningen - Der Hunger trieb Sunia Maiwald und andere Waisenkinder immer wieder auf die Felder der Bauern. „Wir haben Auberginen und Mais geklaut, weil wir so hungrig waren“, erzählt sie. Noch heute würde sie Auberginen gern roh essen. Der bittere Geschmack erinnert sie an ihre Kindheit in einem Waisenhaus in Südkorea. Im Fernsehen sieht sie nun die Bilder vom Krieg in Syrien und vom Hunger in den belagerten Städten in dem zerstörten Land. Das Elend im Mittleren Osten löste etwas aus in Sunia Maiwald.

Es erinnerte sie wieder an ihre eigene Kindheit. Die Schönbergerin ist in Südkorea geboren. In den 70er-Jahren war das ostasiatische Land noch fern von demokratischen Verhältnissen und dem heutigen wirtschaftlichen Wohlstand. Das Militär führte Südkorea mit eiserner Hand. Das kommunistische Kim-Regime im Norden schürte Gewalt. „Ich kann mich an Schießereien erinnern. Wir Kinder haben uns dann immer versteckt“, sagt Sunia Maiwald.

Erinnerungen an die Kindheit

Mit sechs Jahren wurde sie von einem Stuttgarter Paar adoptiert. Ihr Leben änderte sich komplett. Doch die Nachrichten aus Syrien reichten aus, um wieder an die eigene karge Kindheit zu denken. Sunia Maiwald wollte mehr tun, als die heutigen Abgründe des Krieges im Mittleren Osten mit ihren eigenen traumatischen Erlebnissen zu vergleichen. Als die frühere Profifußballerin erfuhr, dass in Plieningen ein Flüchtlingsheim gebaut wird, schlug sie ihrem Verein, dem KV Plieningen, vor, Flüchtlingskinder gemeinsam mit anderen Kindern aus dem Stadtbezirk zu trainieren.

Seit vergangenem Herbst steht sie dort regelmäßig auf dem Fußballrasen. Zum ersten Training seien die Kinder mit kurzen Hosen gekommen, erzählt Sunia Maiwald. „Ich habe mir dann überlegt, wo ich Trikots für sie herbekomme“, sagt sie. Die ehemalige Fußballerin ist noch gut vernetzt. Eine befreundete Politikerin, die ungenannt bleiben möchte, hat den Flüchtlingskindern dann die winterfeste Sportbekleidung besorgt.

Die Trainerin ist auch ein Freund der Kinder

Sunia Maiwald trägt selbst eines der gespendeten Trikots, als sie das Asylheim Im Wolfer besucht. Ein Flüchtlingskind sieht die Trainerin und klatscht zur Begrüßung mit ihr ab. Es scheint eher, als wäre sie sein Freund und nicht seine Trainerin, die vielleicht auch mal tadelt. Doch das ist ohnehin etwas, was Sunia Maiwald nicht liegt. Die Trainer, die am Rande des Spielfelds stehen und ihren Spieler mit einem Donnerwetter in der Umkleidekabine drohen, findet Sunia Maiwald schrecklich. „Mein Rezept lautet loben, loben und nochmals loben“, sagt die frühere Profifußballerin.

Gerade mit den Flüchtlingskindern müsse sensibel umgegangen werden. „Wenn die Kinder am Spielen sind, dann wirken sie wie alle anderen, total konzentriert. Aber wenn das Spiel zu Ende ist, ist da diese Traurigkeit“, sagt Sunia Maiwald. Die Trainerin ist beeindruckt, wie die deutschen Kinder mit den Syrern umgehen. Der Umgang sei eigentlich ziemlich natürlich, sagt sie. „Aber in manchen Situation wissen die Kinder instinktiv, dass sie die Flüchtlinge an die Hand nehmen müssen“, sagt Sunia Maiwald.

Gewinn für die Fußballmannschaft

Die Sporttrainerin sieht einen großen Gewinn darin, dass die Plieninger Kinder mit den Flüchtlingskindern spielen. „Fußball ist ein Mannschaftssport. Da ist soziales Verhalten in der Gruppe wichtig, und das lernen die Kinder im Umgang mit den Flüchtlingen einfach so nebenbei“, sagt sie. Die syrischen Kinder wiederum lernen beim Fußballtraining auch etwas nebenbei: die deutsche Sprache. Sunia Maiwald unterhält sich mit dem syrischen Jungen, der sie so freudig begrüßt hat, auf Deutsch. Obwohl er erst vier Monate in Deutschland ist, versteht er schon, wenn sie ihn bittet, seinen Bruder zu holen. Er flitzt sofort los, und es wird deutlich, dass die Trainerin nicht die Stimme heben muss, um zu bekommen, was sie will. Für Sunia Maiwald gibt es kein besseres Mittel der Verständigung als Fußball. Sie selbst entdeckte die Sportart, weil sie immer mit ihren beiden Brüdern gekickt hat. Sie trat in einen Verein ein und erregte mit ihren flinken Beinen Aufmerksamkeit. Der Fußball half ihr aber auch aus der Einsamkeit. „Ich war damals das einzige asiatische Mädchen weit und breit, und ich hatte am Anfang Probleme mit der deutschen Sprache. Irgendwann habe ich gar nichts mehr gesagt, weil ich Angst vor Fehlern hatte“, erzählt sie.

Im Fußball fand sie Anerkennung. Wenn Sunia Maiwald bei einem Fußballspiel wieder das entscheidende Tor geschossen hatte, kümmerte es niemanden, wenn sie einen falschen Artikel benutzte. Als Erwachsene spielte Maiwald in der Bundesliga und hat heute weltweit Kontakte in der Fußballszene. Sie hat auch schon angeboten bekommen, eine Fußballschule in der Türkei zu leiten. Doch im Moment konzentriert sich ihr Ehrgeiz auf die Plieninger Nachwuchstalente.

Einen Traum hat Sunia Maiwald: „Ihre“ Jungs sollen einmal an der VfB-Fußballschule für Nachwuchstalente teilnehmen. Dafür müsste sie allerdings erst Sponsoren gewinnen. Aber Sunia Maiwald muss sich nur an sich selbst erinnern, um zu wissen, was alles möglich ist.