Bewegung ist das A und O: Foto: Wazulin

Seit 20 Jahren können Senioren einmal in der Woche beim DRK in Möhringen etwas für ihre körperliche Fitness tun. Ihr neuer Trainer kommt aus Plieningen, ist der Jüngste in der Runde – und wohl der Retter der Sportstunde.

Filder - Überraschend schnell fliegt der kleine weiche Ball durch den Saal. Um die gelbe Kugel zu erwischen, stürzt sich der eine oder andere waghalsig nach vorne – und vergisst dabei schon mal sein hohes Alter. Einmal pro Woche trifft sich hier im Saal des Möhringer Bürgerhauses eine etwas ungewöhnliche Sportgruppe: die Seniorengymnastik des Deutschen Roten Kreuzes 60 plus.

„Eigentlich ist unser Motto: Turne, turne bis zur Urne“, sagt eine der Teilnehmerinnen mit einem verschmitzten Lächeln. Waltraud Repenning ist selbst 81 Jahre alt und seit der ersten Sportstunde dabei. „Ein bisschen fordern muss man sich, das ist eine Herausforderung im Alter“, findet sie. Obwohl sie mittlerweile in Degerloch wohnt, kommt sie seit nun 20 Jahren regelmäßig zur Gymnastikgruppe und trägt wie alle anderen Teilnehmerinnen auch Turnschläppchen und Sportkleidung. Manche der Damen haben sich für die morgendliche Sportstunde extra in Schale geworfen: zum Beispiel mit neonblauem Turnanzug und sportlichen Turnschuhen.

Pünktlich um 9 Uhr jedem Dienstagmorgen beginnt die einstündige Gymnastikrunde: Zu sanfter Jazzmusik startet der Übungsleiter Gerhard Wulf sein Aufwärmprogramm mit dem kleinen gelben Ball. Mal müssen alle durcheinanderlaufen und die Kugel dabei nach oben werfen und wieder auffangen, mal wird der Ball mit ausgestreckten Armen zusammengepresst: „Isometrik“, klärt Übungsleiter Gerhard Wulf auf, ein wohldosiertes Krafttraining für die Rentner. Die schlagen sich erstaunlich gut, manch eine nutzt die Pausen zur Lockerung für einen kurzen Tratsch mit der Nachbarin, andere sind sichtlich dankbar für die Erholung und wappnen sich für die nächste Übung. Immer wieder wandert Wulfs Blick prüfend über die Gesichter seiner Teilnehmer, schließlich will er zwar fordern – aber eben nicht überfordern. „Für die Stelle habe ich mich vor einem Jahr beworben, das war gar nicht so einfach“, berichtet er. Wulf ist mit seinen 56 Jahren der Jüngste in der Sportgruppe.

Gymnastik oder pure Unterhaltung?

„Wir sind alle um die 80 bis 90. Wir haben lange nach einem Übungsleiter gesucht – Herr Wulf hat uns gerettet“, erklärt Waltraud Repenning und schenkt dem Leiter ein herzliches Lächeln. Vor ein paar Jahren habe es ein richtiges Loch gegeben, die Gruppe mit ihren 16 Stammsportlern sei nahe am Aus gewesen, erinnert sie sich. Am 9. Juli 1996 kam die ehemalige Erzieherin zum ersten Mal zur Gymnastikstunde in den Räumen des Deutsche Roten Kreuzes an der Sigmaringer Straße. Damals, so erzählt sie, habe ein Ehepaar zwei Gruppen gegründet: eine für die Gymnastik und eine zur puren Unterhaltung.

Nach dem Aufwärmen geht Wulf mittels feurigen mexikanischen Klängen über zur nächsten Runde: Diesmal mit einem grünen elastischen Gymnastik-Band. Mit einer Mischung aus Gleichgewichtsübungen und Krafttraining animiert der Übungsleiter seine Teilnehmer zu weiteren Leistungen. Der „Bogenschütze“ bringt einige ins Schwitzen: „Das ist für die Rückenmuskulatur und die Oberarme“, erklärt Wulf die Übung, die von manchen mit einem leidenden Blick quittiert wird. Zum Trost macht Wulf jede Übung selbst vor und bietet sogar alternative Ausführungen an. „Mit ihm und seiner Musik macht das Trainieren gleich viel mehr Spaß als zu Hause“, findet auch Brigitte Zschiesche. Die 63-Jährige ist nach Wulf die jüngste Teilnehmerin der Gruppe. Sie sieht das einstündige Sportprogramm als günstige Alternative zu teuren Yoga-Kursen in der Stadt. „Hier bekommt man ein bisschen Fitness und ein bisschen was für die Seele“, sagt Zschiesche. Dafür fährt sie wöchentlich sogar aus Plieningen hierher, schließlich gefalle ihr auch der Kontakt zu den anderen Teilnehmern.

Zum Schluss kommt etwas Lustiges

Den Zugang zu den Sportlern hat Wulf trotz seiner anfänglichen Sorgen schnell gefunden. „So eine eingespielte Truppe zu trainieren, war auch für mich eine Herausforderung“, gibt er zu. Hauptberuflich ist er Journalist und Autor, beim Deutschen Roten Kreuz habe er sich nebenbei zum Übungsleiter ausbilden lassen. Manch eine der Teilnehmerinnen behauptet sogar, er sei der einzige männliche Übungsleiter in ganz Stuttgart.

Für das Ende jeder Sportstunde hat sich der Übungsleiter für seine Gruppe etwas Lustiges ausgedacht: Das Spiel mit dem kleinen gelben Ball macht allen sichtlich große Freude. Und obwohl die meisten für ihr hohes Alter nach einer Stunde viel geleistet haben, gibt jeder zum Finale noch einmal alles, schließlich muss Sport einfach nur Spaß machen.