Auf dem Sprung: Bei Jana Berezko-Marggrander und den deutschen Sportgymnastinnen war zuletzt ein Aufwärtstrend zu erkennen. Bei der EM wollen sie an die guten Leistungen anknüpfen Foto: Getty

Die am Freitag beginnende EM in Minsk ist für die deutschen Sportgymnastinnen Jana Berezko-Marggrander und Laura Jung die erste Standortbestimmung auf dem Weg zur WM. Die Vorbereitung lief aber alles andere als ideal, meint DTB-Cheftrainerin Katja Kleinveldt.

Stuttgart - Frau Kleinveldt, Sie mögen es turbulent, oder?
(Lacht) Nein, eigentlich nicht. Locker und flockig ist mir lieber. Aber wieso fragen Sie?
Seit Februar sind Sie Cheftrainerin Rhythmische Sportgymnastik im Deutschen Turnerbund. Eine turbulentere Phase hätten Sie für Ihre neue Aufgabe kaum wählen können.
Die letzte Zeit war tatsächlich turbulent und nicht immer so toll. Auch die Vorbereitung für die Europameisterschaft lief nicht reibungslos.
Weil die Stelle der Stützpunkttrainerin in Schmiden mehr als ein halbes Jahr nicht besetzt gewesen ist?
Unter anderem. Die Phase ohne Trainerin war für die Mädchen schwer. Jana Berezko-Marggrander und Laura Jung hatten vor der EM nicht viel Zeit, mit der neuen Trainerin Natallia Raskina zusammenzuarbeiten.
Wer hat die beiden deutschen Gymnastinnen denn dann auf die EM vorbereitet?
Das ganze Team hat geholfen, unter anderem hat Yuliya, die Tochter von Natallia Raskina und Juniorinnen-Trainerin, einige Einheiten geleitet. Unsere anderen Trainer haben ebenfalls geholfen, und ich selbst stand auch ab und zu in der Halle. Ideal war das dennoch sicher nicht. Aber das war nicht das Einzige, was die Vorbereitung gestört hat.
Was war noch?
Die Grippewelle hat auch vor uns nicht haltgemacht. Sowohl Jana als auch Laura waren krank und sind einige Tage ausgefallen. Dennoch muss ich sagen: Obwohl es keine reibungslose Vorbereitung gewesen ist, haben die beiden konzentriert gearbeitet und sich stabilisiert.
Was ist denn bei der EM zu erwarten?
Mit hohen Ansprüchen müssen wir zurückhaltend sein. Wir hoffen, dass wir den Anschluss schaffen und dass beide Mädchen unter den Top 24 landen. Zuletzt war in den Weltcups ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen. Unser Ziel ist es, diesen fortzusetzen und dass die beiden mutig turnen.
Ist die EM in diesem Jahr überhaupt wichtig? Im September findet in Stuttgart die WM statt, und dann geht’s um die Olympia-Qualifikation.
Die EM ist für uns eine Standortbestimmung auf dem Weg zur WM. Es ist nicht so extrem wichtig, dass wir in Minsk fantastisch aussehen. Wichtig ist, dass wir analysieren können, wo wir stehen und woran wir noch besonders arbeiten müssen.
Für die Heim-Weltmeisterschaft gab es zuletzt alles andere als positive Werbung. Aktive und ehemalige Athletinnen haben schwerwiegende Vorwürfe wegen übertriebener Härte, Beleidigungen und Körperverletzung gegenüber Trainerinnen erhoben.
Das waren schreckliche Vorwürfe. Aber das ist die Vergangenheit. Vieles wurde und wird aufgearbeitet. Und das ist gut so. Ich bin grundsätzlich der Typ, der nach vorne arbeitet. Es wurde sehr viel umgestellt, damit sich so etwas nicht wiederholen kann. Neu im Team sind neben mir noch Kathrin Igel als Stützpunktleiterin in Schmiden und die beiden Trainerinnen. Es gab viele Umbrüche. Aber natürlich ist so etwas immer ein Prozess, auch für die Athletinnen. Deshalb werden wir schrittweise noch weitere Dinge ändern, denn wir wollen ein Klima des Vertrauens schaffen.
Hat Sie die Vorgeschichte nicht abgeschreckt, die Aufgaben als Cheftrainerin anzunehmen?
Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis ich mich dafür entschieden habe. Ich habe zuerst gesagt, die Verantwortlichen sollen sich nach jemand anderem umschauen. Aber wenn sich alle raushalten, dann schadet dies der Sportart, und sie droht unterzugehen. Und das will ich auf keinen Fall. Deshalb habe ich am Ende schließlich zugesagt.
Wieso meinen Sie, dass die ganze Sportart in Gefahr ist?
Wie Sie vorhin gesagt haben, geht es bei der WM um die Olympia-Qualifikation. Die müssen wir schaffen, sonst ist unser Sport abgeschrieben. Wir bekämen dann noch weniger Unterstützung und Aufmerksamkeit. Zumindest müssen wir versuchen, die Quali für Rio zu knacken. Denn wer es nicht versucht, der hat schon verloren. Ich helfe nun, wo ich kann. Zum Glück bin ich ein Teil eines tollen Teams. Ich arbeite hauptsächlich im organisatorischen Bereich, um den harten Trainingsalltag kümmern sich andere.
Was ist denn das Fazit Ihrer ersten Wochen?
Es ist viel in Bewegung. Aber es läuft gut. Und jetzt legen wir erst richtig los. Lassen Sie mich aber bitte noch einmal auf die EM zurückkommen.
Gerne.
Auch unsere Juniorengruppe wird in Minsk an den Start gehen. Und die Mädels sind richtig gut drauf.
Weil die Juniorinnen in Moskau den Grand Prix gewonnen haben, noch vor Russland?
Genau. Und es war nicht die einzige Medaille in dieser Saison. Zwar war nie die gesamte Konkurrenz bei den Wettkämpfen, aber unsere Gruppe hat sehr stabil geturnt und sich die Erfolge wirklich verdient.
Was ist denn dann bei der EM drin?
Ich hoffe, dass es für einen Finalplatz reicht. Es wäre der größte Erfolg für die Juniorinnen seit mindestens zwölf Jahren, und möglich ist es auf jeden Fall.