Gutes Team: Niko Kappel (li.) und Peter Salzer, Landestrainer Kugelstoßen. Foto: Baumann

Niko Kappel ist fester Bestandteil einer ungewöhnlichen Traningsgruppe: Der nur 1,40 m große Kugelstoßer entwickelt sich unter Landestrainer Peter Salzer prächtig.

Stuttgart - Wer wie Niko Kappel für einen Erwachsenen ungewöhnlich klein ist und damit von der Norm abweicht, der zieht automatisch neugierige Blicke auf sich. Das kann manchmal ganz schön nerven, ebenso wie die Tatsache, dass er sich die Welt oft von unten ansehen muss, wenn er beispielsweise vor einem Fahrkartenschalter oder einer Türklingel steht. Aber da gibt es auch diesen ganz besonderen Bereich, in dem der kleinwüchsige junge Mann einfach ganz er selbst und vor allem außergewöhnlich gut sein kann. Es ist dieser Moment, wenn Niko Kappel den Kugelstoßkreis betritt und dann versucht mit sich und der Kugel im Einklang zu stehen.

Bei der WM der Behinderten in Doha soll eine Medaille her

Das Schwierige an dieser Sportart ist die Kombination aus Kraft und Schnelligkeit. Man kann einerseits über sehr viel Kraft weit stoßen, andererseits über sehr viel Schnelligkeit. Ein Stoß dauert insgesamt nicht mal eine Sekunde. Bei dem nur 1,40 m kleinen Werfer kommen noch die kurzen Hebel hinzu. Es ist deshalb nicht leicht, die optimale Technik und Geschwindigkeit für ihn zu finden. Niko Kappel ist dabei, diese Balance immer besser zu finden, und hat sich einen Startplatz bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft der Behinderten (21. bis 28. Oktober) in Doha erkämpft. „Und da will ich möglichst eine Medaille gewinnen“, sagt Niko Kappel.

Der 20-jährige ist Teil einer außergewöhnlichen Trainingsgruppe, denn Kappel trainiert im Olympiastützpunkt in Stuttgart bei Peter Salzer, dem Landestrainer Kugelstoßen, zu dessen Team auch der deutsche Vizemeister Tobias Dahm gehört. „Niko ist ein vollwertiges Mitglied, und ich will da auch gar nichts von Integration und Inklusion hören“, sagt Salzer. Zweimal die Woche ist Niko Kappel in Stuttgart, die dritte Einheit absolviert er bei den TSF Welzheim, seinem Heimatverein. Unter der Regie von Salzer hat sich Niko prächtig entwickelt, sich von 10,45 m auf 12,66 m gesteigert, weil er sich von der Angleittechnik auf die Drehstoßvariante umgestellt hat. „Damit verlängert er den Beschleunigungsweg und erhält gleichzeitig eine höhere Körperspannung “, sagt Peter Salzer. Einen Wurf über die 13 Meter traut er ihm noch zu in diesem Jahr.

„Niko ist eine Bereicherung für unsere Trainingsgruppe“

Den wird er im Quatar SC Stadium auch brauchen, wenn er bei der WM in der Klasse F41 den Titel holen will. Favorit ist der Pole Bartosz Tyszkowsiki, der die Weltrangliste mit 13,25 m anführt und quasi unter Profibedingungen zehnmal die Woche trainieren kann. Niko Kappel arbeitet dagegen fast täglich acht Stunden bei einer Bank und kommt nur auf drei Trainingseinheiten die Woche. „Niko ist eine Bereicherung für unsere Trainingsgruppe und hat die anderen Athleten mit seiner guten Laune mitgerissen“, sagt Peter Salzer. Am besten wäre für Kappel deshalb schon im ersten Versuch ein Wurf über die 13 Meter, um den Konkurrenten zu schocken und unter Druck zu setzen.

Im Moment bereitet er sich im Trainingslager im portugiesischen Albufeira vor. Peter Salzer hat ihm einen Plan mitgegeben. Ob der aufgeht, wird sich schon an diesem Samstag zeigen, wenn Kappel bei einem Werfermeeting in Königsbach-Stein startet. „Ich habe mich schon früh fürs Werfen entschieden, lange Speer und Kugel parallel gemacht“, sagt Niko Kappel, der im Juniorenbereich in den beiden Disziplinen mehrere WM-Titel gewonnen hat. Jetzt will er auch bei den Aktiven überzeugen. Das ist nicht leicht, weil er in Deutschland eigentlich keinen erstzunehmenden Konkurrenten hat und auf nationaler Ebene kaum gefordert wird.

Startplatz bei Paralympics 2016 in Rio fast sicher

Deshalb hat der Welzheimer bei den Paralympics 2016 in Rio einen Startplatz fast schon sicher. Und auch dafür hat sein Trainer eine neue Strategie entwickelt, will nach der WM die Drehung von vier auf fünf Viertel umstellen. „Niko hat noch unheimliche Reserven“, sagt Salzer. Sein Schicksal hat sich Niko Kappel nicht ausgesucht, aber er hat gelernt, damit zu leben. „Ich habe viel mehr Respekt vor Sportlern, die gesund waren und plötzlich mit einer Behinderung klarkommen müssen. Da wieder aufzustehen ist unheimlich schwer“, sagt Kappel.