Mentale Stärke macht den entscheidenden Unterschied Foto: vencav - Fotolia

Was bei den Profis hilft, kann bei den Hobby-Sportlern nicht schaden. Mental-Training hilft Blockaden überwinden und kann aus Losern Sieger machen. Beispiele gibt’s genug.

Stuttgart - Michael F. (Name geändert) ist Tennisspieler. Wirklich Spaß hatte er an seinem Sport jahrelang nicht. Zu sehr war er während eines jeden Matchs damit beschäftigt, sich selbst fertig zu machen. Er beschimpfte sich aufs Übelste, verlor völlig die Kontrolle. Nach jedem misslungenen Return, nach jedem verpatzen Aufschlag brüllte er sich an. Selbstwertgefühl? Fehlanzeige. Es dauerte eine Weile, ehe sich Michael F. eingestand, dass er ein Problem hat – und handeln muss, wenn er auch weiterhin Tennis spielen will. Er wandte sich an Gunda Haberbusch. Die Besigheimerin ist Sportmentaltrainerin und coacht Nachwuchs- und Hobbysportler.

Die eigenen Probleme erkennen, sie akzeptieren und lösen – das Grundschema ist immer dasselbe. Die Ursachen für leistungsmindernde Blockaden dagegen sind so unterschiedlich wie die Sportler, die zu Gunda Haberbusch kommen. „Das Leistungsniveau und die Sportart spielen dabei keine Rolle“, sagt sie. Neben Tennisspielern, Schwimmern, Judoka, Ringern und Trial-Motorrad-Fahrern, gehören Leichtathleten zu ihren Stammkunden.

Bei der Talentschmiede LAZ Salamander Kornwestheim arbeitet sie seit 2010 eng mit Nachwuchstrainer Marko Lindner und dessen Schützlingen im Alter zwischen elf und 20 Jahren zusammen. Und der erfahrene Coach ist zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen dieser Kooperation. „Mentale Stärke hilft in Wettkampf und Training“, sagt er.

Von Selbstzweifeln gequält

Wobei freilich nicht alle Athleten auf das Training für den Kopf angewiesen sind. „Es gibt Typen, die keine Selbstzweifel kennen“, sagt er. Die, die den eisernen Willen, die Motivation, die Frustrationstoleranz von Haus aus mitbringen. Es gibt aber auch jene, die im Training Höchstleistungen bringen und im Wettkampf plötzlich völlig einbrechen. Solche, die sich nichts zutrauen, die von Selbstzweifeln gequält werden, die ihre Nervosität nicht in den Griff bekommen. Oder Athleten, deren Leistungsvermögen durch Erinnerungen an vergangene Erlebnisse unterbewusst blockiert wird.

Diese Sportler sind bei Gunda Haberbusch richtig. Sie kann Ursachen für Blockaden finden, sie lösen und dem Athleten mentale Stärke geben. Wenn er denn will. „Mentaltraining setzt voraus, dass die Jugendlichen offen dafür sind und die nötige Reife mitbringen“, sagt Marko Lindner. „Und es braucht einen Trainer, der ebenso offen ist, für die Übungen, die ich mit seinen Schützlingen mache“, ergänzt Gunda Haberbusch. Manchmal hat die Mentaltrainerin nämlich mit Vorurteilen zu kämpfen. „Das ist doch Hokuspokus“, heißt es dann. Oder: „Kuck mal, der muss auf die Couch!“ Alles Quatsch, sagt Gunda Haberbusch: „Das ist halt Training. Nur eben für den Kopf.“ Ihr Traum ist es, dass Mentaltraining eines Tages zum Alltag von Sportlern gehört wie Ausdauer, Technik- und Krafttraining. „Bis dahin“, ahnt sie, „ist es aber noch ein langer Weg.“

Positive Bilder im Kopf

Die Sportwissenschaftlerin arbeitet viel mit positiven Bildern, welche die Sportler in Situationen abrufen können, in denen sie an sich selbst zweifeln, in denen sie Motivation brauchen. Es sind Bilder, die sie mit den Sportlern gemeinsam erarbeitet. Der eine möchte sich beim Sprinten wie ein Porsche Carrera fühlen, die andere „wie auf Schienen“. Fast allen hilft es, sich in den so genannten „State of Excellence“ zu versetzen, in die Situation des größten Erfolges.

Marko Lindner hat die Erfahrung gemacht, dass seine Athleten vor allem im so genannten Call-Room vom Mentaltraining profitieren. Das ist der Raum, in den Wettkämpfer vor ihrem Start gerufen werden. Dort sitzen sie dann, alleine mit ihren Gegnern – und ihren Gedanken. „Anstatt sich dann innerlich fertig zu machen, hilft es, in diesen Momenten die positiven Bilder abzurufen“, erklärt Gunda Haberbusch. Diese nimmt man mit an den Start – und im besten Fall läuft es dann „wie von selbst.“

Auch Michael F., der Tennisspieler, hat mittlerweile wieder Spaß an seinem Sport. Drei Sitzungen bei Gunda Haberbusch und konsequentes Training zu Hause – ein paar Minuten am Tag, einige Wochen lang – haben ausgereicht. „Viele denken, man müsse jahrelang zu Sitzungen gehen und Unmengen an Geld ausgeben“, weiß Gunda Haberbusch. Oft aber reiche es, die Ursache für das Problem festzustellen und ein Handlungsmuster zu entwickeln, das der Sportler in kritischen Situationen abrufen kann. Wichtig sei in erster Linie, der Wille, etwas am eigenen Verhaltensmuster zu verändern.

Inneres Schrumpfen

„Wie fühlst du dich, wenn du dich selbst beschimpfst?“, hatte ihn Gunda Haberbusch in der ersten Sitzung gefragt. „Wie ein zehnjähriger Junge“, hatte der Sportler ohne lange zu überlegen geantwortet. Und für die erfahrene Trainerin war klar, irgendetwas muss Michael F. in der Kindheit widerfahren sein, was ihn ganz klein gemacht, ihm jegliches Selbstwertgefühl genommen hat. Normalerweise verdrängt man solche Erlebnisse ganz gut. Aber in bestimmten Situationen können sie wieder hervortreten und man gleitet in diese Kindheitserinnerung hinein, ohne zu wissen, was mit einem geschieht. „Inneres Schrumpfen“, erklärt Gunda Haberbusch, „nennt man dieses Phänomen.“ Die Kindheitserinnerung kann die Sportmentaltrainerin nicht auslöschen, das will sie auch gar nicht. Stattdessen muss der Sportler versuchen, zu verhindern, dass sie in bestimmten Situationen zum Vorschein kommt und sein Handeln beeinflusst. „Er muss dann innerlich in einen Lebensbereich gleiten, in dem er die absolute Kontrolle über sich und sein Tun hat“, erklärt die Besigheimerin.

Ein zweites Hobby von Michael F. kam dabei wie gerufen. Er ist Skipper. Auf dem Boot ist er ein anderer Mensch, ruhig, konzentriert, mental stark. „Wir mussten also den Skipper auf den Tennisplatz bekommen“, sagt Gunda Haberbusch. Dafür gibt es Übungen. „In aller Ruhe muss sich der Sportler die Bilder des Skippers verinnerlichen. Immer wieder, sehr konzentriert. Dadurch entstehen im Gehirn neuronale Muster“, sagt die Mentaltrainerin. Mit einem bestimmten Code, zum Beispiel einem Klopfen auf die Brust, kann Michael F. diese Bilder nun auf dem Tennisplatz wieder hervorrufen – und ruhig bleiben. Mit Hokuspokus hat das wahrlich nichts zu tun.