Gerätetraining wie hier im Fitnessstudio Palestro wird immer beliebter. Foto: Peter Petsch

In Stuttgart scheint sich eine Fitnessanlage an die nächste zu reihen, doch immer noch eröffnen neue Anbieter. Auch Vereine drängen auf den Fitnessmarkt. Und dennoch ist der Bedarf noch nicht gestillt.

Stuttgart - Missmutig mustert die ältere Kundin die Neuankömmlinge, die sich im Fitnessstudio anmelden. „Zum Jahresanfang wird es wieder voll“, sagt sie. Was die Stammkunden ärgert, freut die Fitnessstudiobetreiber: Traditionell füllen sich im Januar die Sportstätten mit Kunden, die ihre Vorsätze umsetzen und den Winterspeck abtrainieren wollen. Fitness wird immer populärer und läuft sogar der ehemals beliebtesten Sportart Fußball den Rang ab. So zeigt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, dass 9,1 Millionen Menschen in Deutschland in Fitnessanlagen trainieren, während es in Fußballvereinen nur 6,9 Millionen Mitglieder gibt.

Kein Wunder also, dass in Stuttgart ein Fitnessstudio nach dem anderen eröffnet. Bei der Industrie- und Handelskammer sind aktuell 80 kommerzielle Fitnessstudios gemeldet. Im Vergleich dazu fand man im Jahr 2000 im Branchenverzeichnis gerade mal 27 gewerbliche Studios. Ein Trend, der sich deutschlandweit abzeichnet: 2006 gab es 5571 Anlagen, aktuell sind es 8026. Doch es gibt immer noch Luft nach oben: „Eine Sättigung des Fitnessmarktes sehen wir mittelfristig nicht, wenn man das passende Produkt für das passende Umfeld anbietet“, sagt Fabian Menzel, Experte für die Fitnessstudiobranche bei Deloitte. Speziell in Stuttgart sei das Verhältnis von Fitnessmitgliedern zu Einwohnern niedriger als in anderen vergleichbaren Großstädten. „Das liegt unter anderem daran, dass es in Stuttgart schwierig ist, passende Immobilien für Fitnessstudios zu finden“, erklärt Menzel. Ein Fitnessstudio sollte innerhalb von zehn bis 15 Minuten erreichbar sein, um angenommen zu werden.

Auch Premium-Fitnessstudios wie das Elements finden in Stuttgart Kundschaft

Voraussetzungen, die am Standort Paulinenbrücke gegeben waren, als 2013 mit dem Elements ein neuer Luxusanbieter seine Pforten öffnete. Das Studio gehört zur Kette des Schweizer Konzerns Migros. Auch dort fürchtet man die Konkurrenz durch andere Fitnessstudios nicht: „Wenn sich Möglichkeiten ergeben, in guter Lage ein Studio zu eröffnen, prüfen wir das intensiv“, sagt Nicole Eismann, Sprecherin von Elements. In Stuttgart seien die Bedingung für eine Eröffnung passend gewesen. Mitglieder und Tagesgäste können dort auch ein orientalisches Hamam nutzen. Das Studio setzt außerdem auf kompetente Beratung und ganzheitliche Trainingskonzepte. Das hat allerdings auch seinen Preis: 95 Euro kostet das Studio pro Monat bei einem Jahr Laufzeit. Ein Angebot, das seine Kundschaft findet, wie die Studie von Deloitte belegt. Demnach erfreuen sich die Premiumanbieter, zu denen in Stuttgart auch das Puls mit vier Studios oder das Palestro zählen, großer Beliebtheit.

Das höchste Wachstum verzeichnen allerdings die Discount-Anbieter mit günstigen Mitgliedsbeiträgen. Erfolgreichster Anbieter ist Mc Fit, der mit einer Mitgliedschaft für 19,90 Euro pro Monat schon zu den teureren im Discount-Segment gehört. „Die Discount-Anbieter verzichten bewusst auf Extras wie beispielsweise Wellness-Angebote, und auch die Betreuung durch Trainer ist dort weniger intensiv“, erklärt Menzel. Besonders jüngeren Kunden mit wenig Zeit kommt dieses Konzept entgegen. Aus medizinischer Sicht ist dies nicht ohne Risiko: „Vor allem unerfahrene Sportler wissen oft gar nicht, wie sie in Selbstanleitung das Sportgerät anwenden sollen. Davon rate ich ab“, sagt Prof. Tobias Schilling, ärztlicher Direktor der Interdisziplinären Notaufnahme im Katharinenhospital. Generell seien alle Sportarten gesund, bei denen das Herz-Kreislauf-System angeregt werde. „Wenn es dagegen nur darum geht, in kurzer Zeit gezielt bestimmte Muskelgruppen aufzubauen, ist das unphysiologisch. Diese Muskeln verschwinden genauso schnell wieder“, sagt Schilling. Statt des Gerätetrainings empfiehlt der Mediziner Radfahren, Joggen oder auch längere Spaziergänge.

Auch Vereine bieten Gerätetraining auf professionellem Niveau an

Konkurrenz droht den kommerziellen Fitnessstudios im Großraum Stuttgart jedoch noch von anderer Seite: „Der Fitnessmarkt wird auch für Vereine attraktiver. Bisher gibt es von dieser Seite nur regional Konkurrenz“, sagt Menzel. Doch gerade im Südwesten gibt es bereits einige sogenannte Sportvereinszentren. Die Vereine bieten ebenfalls Gerätetraining auf professionellem Niveau an, oft ergänzt durch Kletterwände, Badminton- oder Tennisplätze. Ein Thema, das für Zündstoff sorgt, werden die Vereine doch mit öffentlichem Geld gefördert.

Der Deutsche Sportstudioverband sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung und prüfte rechtliche Schritte – bisher jedoch ohne Erfolg. „Seit einigen Monaten ist es um dieses Thema ruhig geworden“, sagt Thomas Müller, Sprecher des Württembergischen Landessportverbunds (WLSB). In der Region Stuttgart gibt es bereits einige Sportvereinszentren, und es kommen noch neue hinzu. „In Schorndorf, Kirchheim und Winnenden entstehen gerade neue Zentren“, sagt Müller. Mit diesen zählt der Verband 42 Sportvereinszentren im Südwesten. „Mit Gaststätten oder Betreuungsangeboten für Kinder bleiben Vereine soziale Begegnungsstätten und erfüllen damit nach wie vor eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagt Müller.

Geht es nach Wirtschaftsexperten, ist in Stuttgart ohnehin genügend Nachfrage für alle Anbieter vorhanden.