Sabine Wahl leitet die KSG, den größten Sportverein in Gerlingen. Foto: factum/Granville

Vertreter der Kultur- und Sportgemeinschaft KSG, des größten Sportvereins am Ort, monieren, dass zu oft Trainingszeiten ausfallen. Der Grund: Hallen seien anders belegt. Ein Gespräch.

Gerlingen - - Ob Badminton oder Basketball, Turnen oder Judo, Tischtennis oder Handball: Gerlingen hat viele Sportangebote. Die Stadt hat auch etliche Hallen – und die sind gut belegt. Nun ist im Gespräch, im Rahmen der Realschulsanierung die Schulturnhalle abzureißen. Als Ersatz wird über eine neue große Sporthalle in den Breitwiesen nachgedacht. Konkrete Pläne gibt es noch nicht. Die jetzige Situation aber bringt die Verantwortlichen zur Verzweiflung. Die Vorsitzende Sabine Wahl und die Abteilungsleiter Melanie Nickl und Marcus Gall vom größten Gerlinger Verein, der Kultur- und Sportgemeinschaft (KSG), schildern im Interview die Situation.
Frau Wahl, es gibt in Gerlingen viele Sportstätten: die Stadthalle, die Brückentorhalle, die Breitwiesenhalle, die Realschulturnhalle. Die Sportvereine müssten doch zufrieden sein. Wo drückt der Schuh?
An vielen Stellen. Es gibt mehrere Grundprobleme. So ist das Angebot der Gerlinger Vereine, auch unserer KSG, sehr groß. Wir konnten vor allem im Jugendbereich in den vergangenen Jahren viel aufbauen. Viele Jugendliche haben ein ordentliches Niveau erreicht. Und nun müssen sie, um weiterzukommen, trainieren, trainieren, trainieren. Wir wollen das auch, können aber nur unzureichende Bedingungen anbieten. Auch im Erwachsenenbereich wird die immer älter werdende Gesellschaft für den Verein zu einer Herausforderung.
Warum, es gibt doch genug Hallen.
Nickl: Eben nicht. Es gibt zu wenige Hallen für den Bedarf aller Sportvereine. Und das nicht erst seit gestern.
Wahl: Sondern seit vielen Jahren. Genauer gesagt, seit dem Beginn der Sportentwicklungsplanung der Stadt im Jahr 2006. Wir waren bei jeder Sitzung dabei – aber verbessert hat sich seitdem nichts.
Gall: Ein weiteres Problem ist, dass die Jugendlichen wegen der schulischen Belastung erst später am Tag Zeit für den Vereinssport haben.
Nickl: Unsere Trainingszeiten für Jugendgruppen können erst um 17.15 Uhr beginnen. Das ist mindestens eine Trainingseinheit weniger als früher, bis um 20 Uhr die Erwachsenen kommen. Wir haben noch ein anderes Problem: Es wird immer schwieriger, Übungsleiter zu finden, die um diese Zeit schon in der Halle sein können.
Das ist ein allgemein gesellschaftliches Problem der Veränderung von Arbeitszeiten und immer längeren Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Aber nochmals zu den Hallen: was macht ihnen den Trainingsbetrieb so schwierig?
Wahl: Das ist vor allem das Thema des Ausfalls von Trainingszeiten, vor allem in der Stadthalle. Das ist eben keine reine Sporthalle, sondern eine Multifunktionshalle. Gut, wir mussten schon immer weichen, wenn Theatervorstellungen angesagt sind oder wenn Bosch seine Rentnerfeiern eine ganze Woche lang im Jahr abhält. Aber nun kommen noch extrem viele Veranstaltungen hinzu, wegen derer unsere Trainingszeiten ausfallen.
Haben Sie ein paar Beispiele?
Gall: Seit ein paar Jahren werden das Abitur und die Realschulprüfung in der Stadthalle geschrieben – zwei Wochen lang ist die Halle für uns gesperrt. Ich kann nachvollziehen, dass wegen des Sports nicht jeden Tag Tische raus- und wieder reingeräumt werden können. Warum muss die Zeugnisausgabe, die jüngst einen weiteren Abend blockierte, aber überhaupt in der Stadthalle stattfinden? Ein geeigneter Raum hätte mit der Sanierung des Robert-Bosch-Gymnasiums geschaffen werden können, müsste aber nun spätestens mit der Sanierung der Realschule geplant werden.
Und jetzt während der EM sind ja noch die Passiv-Sportler in der Halle.
Gall: Das Public Viewing ist zwar schön, aber uns wäre Trainingszeit lieber. Auch die Sportlerehrung ist immer dienstagabends – wir müssen raus. Dazu kommen Anfang nächsten Jahres sechs Wochen Schließzeit für Sanierungsarbeiten. Die liegen mitten in der Punktspielrunde – das war mit uns nicht abgesprochen, wir wurden überrascht. In den letzten zehn Jahren hat die außersportliche Nutzung der Stadthalle noch zugenommen, trotz der bereits damals bekannten hohen Trainingsausfallquote. Dadurch ist die Zahl der Trainingsausfälle seit 2006 noch gestiegen, obwohl die Sportstätten-Entwicklungsplanung eigentlich das Ziel verfolgt hat, die Situation für den Sport zu verbessern.
Also eine Menge Ärger. Wie wirkt sich der denn bei Ihnen im Verein aus?
Gall: Die Intensität der Ausfälle macht ein effektives und regelmäßiges Training fast unmöglich. Im ersten Halbjahr 2017 haben mehrere Jugendtrainingsgruppen und Mannschaften mit einer Trainingsausfallquote von 70 Prozent zu rechnen. Vermitteln Sie das mal den Leuten, die Sport im Verein treiben wollen. Das ist einfach nicht zu akzeptieren.
Wahl: Wir sind dann als Verein nicht mehr zuverlässig. Die Gefahr ist sehr groß, dass uns die jungen Nachwuchssportler davonlaufen. Wenn die bei uns nicht weiterkommen, weil sie nicht kontinuierlich trainieren können, gehen sie zu Vereinen in Weilimdorf, Feuerbach, Ditzingen, Leonberg oder Korntal. Anderen Vereinen in Gerlingen geht das übrigens genauso.
Gall: Und unsere Trainer verlieren die Motivation – ein Kreislauf.
Apropos Kommunalpolitik. haben Sie das gesamte Thema schon mit den Fraktionen im Gerlinger Gemeinderat und dem Bürgermeister Georg Brenner besprochen?
Wahl: Mit den Fraktionen haben wir schon 2013 gesprochen, mit Bürgermeister Georg Brenner reden wir immer wieder. Ich glaube nicht, dass die Gemeinderäte so richtig wissen, was hier abgeht. Ich habe die Probleme dem Bürgermeister in einem langen Brief geschildert, die Stadträte wollen wir zu einer Diskussionsrunde einladen. Es gibt ja auch von Herrn Brenner noch die Aussage, dass alle Sportanlagen langfristig in der Stadt unten sein sollen.
Das ist die langfristige Perspektive. Wie werden Sie sich einbringen?
Wahl: Wir wollen am Sportkonzept der Stadt mitwirken, an der Planung der neuen Sporthalle beteiligt sein. Um es vorneweg zu nehmen: eine eigene Halle können wir nicht bauen. Eines ist uns bei allem sehr wichtig: Wir sind nicht auf Konfrontation aus, sondern auf ein Miteinander mit der Stadt. Wir wollen aber nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.