Im Heslacher Hallenbad lernen Grundschüler spielerisch das Schwimmen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Zu viele Schulkinder können noch nicht schwimmen, wenn sie auf weiterführende Schulen wechseln. Die Stadt will das ändern und feilt mit dem Schwimm­verband an einem Konzept. Es ist daran gedacht, Übungsleiter auf die Nichtschwimmer in Ganztagsschulen anzusetzen.

Stuttgart - Schwimmen ist eine Grundfertigkeit, die Kinder nach Ansicht von Sportwissenschaftlern und Sportlern spätestens bis zum Ende der Grundschule beherrschen sollen. Die Realität sieht anders aus.

Der Anteil der Nichtschwimmer und schlechten Schwimmer in der Bevölkerung beläuft sich einer Befragung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) nach auf 23,3 Prozent, und bei Kindern unter zehn Jahren geht im Schnitt ein Drittel unter wie ein Stein. Ursache dafür ist unter anderem ein schulischer Systemfehler: „In den Schulen steht Schwimmunterricht in der Regel erst ab der 3. Klasse auf dem Lehrplan“, heißt es in der Studie.

Deshalb soll an Ganztagsgrundschulen künftig Schwimmunterricht für Nichtschwimmer stattfinden, und zwar „wöchentlich, regelmäßig, verlässlich und von fachlich wie pädagogisch ausgebildeten Fachkräften des Sportvereins“. Das ist einer Stellungnahme von OB Fritz Kuhn zu entnehmen, die auf Anfrage der SPD-Fraktion im Schulbeirat vorgelegt worden ist.

Alle Zweitklässler sollen schwimmen können

Das Konzept ist am Runden Tisch für Bewegungsförderung entstanden, an dem Vertreter des Schwimmverbands Württemberg, des Sportamts und der Sportkreisjugend saßen. Sie haben sich zum Ziel gemacht, alle Zweitklässler bis zum Beginn der dritten Klasse zu Schwimmern zu machen.

Der Schwimmunterricht wird zu den freizeitpädagogischen Angeboten für Ganztagsschüler zählen. Verantwortlich dafür sind die Träger der Jugendhilfe; sie beauftragen einen Sportverein, der das Angebot in der gewünschten Häufigkeit und Qualität machen kann. Die Jugendhilfeträger bekommen von der Stadt pro Schwimmstunde – analog zu den üblichen Sportangeboten an Schulen – 39,31 Euro, der Sportverein wird vom Jugendhilfeträger bezahlt. Das Bestellprinzip gewährleistet, dass es nur dort Zusatzkurse gibt, wo sie notwendig sind. Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann hat stets betont, dass die Schwimmfähigkeit in Stuttgart auf einem guten Niveau liege.

„Die Antwort der Verwaltung stimmt uns positiv“, sagte Marita Gröger im Beirat, begleitet von großem Gelächter. Die SPD-Stadträtin hat sich dort einen gewissen Ruf als Mahnerin gemacht und weist in der Regel auf Haken und Kanten einer Lösung hin. Doch nun, fast sieben Jahre nach ihrer ersten Intervention in Sachen Schwimmfähigkeit, war sie äußerst zufrieden.

Punktuelle Bäderengpässe

Stuttgart hat, im Gegensatz zu anderen Städten und Landkreisen, ein relativ üppiges Bäderangebot. Es gibt zwölf städtische Hallenbäder, vier Vereinsbäder und acht Lehrschwimmbecken an Schulen, und Grundschulen haben nach Aussage der Verwaltung Vorrang. Engpässe gebe es punktuell, wenn Bäder geschlossen bleiben müssen.

Bisher ist nicht bekannt, ob die von der DLRG geschätzte Zahl an Nichtschwimmern auch auf Stuttgart zutrifft. Laut Polizeipressestelle gab es innerhalb der vergangenen fünf Jahre keinen einzigen Badetoten. Der Schwimmverband Württemberg stellte vergangenes Jahr trotzdem fest, dass die Nichtschwimmerquote bei Kindern unter zehn Jahren zunimmt. Um Gewissheit zu bekommen, hat das Staatliche Schulamt ein Schreiben des Schwimmverbands an alle 72 Grundschulen verschickt. Darin stellt der Verband seine Unterstützungsmöglichkeiten vor, wie zum Beispiel ein Sichtungsschwimmen mit allen Zweitklässlern, Schwimmkurse im Tandem mit einem Lehrer, Konzepte für Wasserspaß-Arbeitsgemeinschaften für Dritt- und Viertklässler und anderes mehr. „Wir haben zehn Rückmeldungen bekommen und besprechen momentan mit der Verwaltung, ob, wie und wo wir im Schuljahr 2016/17 damit beginnen“, erklärt Franziska Aberle vom Verband. Die Stadt selbst wertet die Rückmelde-Fragebögen der Schulen aus. „Wenn jetzt noch der Transport zum Bad gelöst ist, haben wir eine gute Lösung gefunden“, so Gröger.

Das Schwimmfix-Programm des Landes, das Marita Gröger ursprünglich eingefordert hatte, kann parallel zum Stuttgarter Schwimm-Modell abgerufen werden. Dabei übernimmt das Kultusministerium die Kosten für die Fortbildung von Sportlehrern am Landesinstitut für Schulsport.

Bald sind 80 Lehrer fortgebildet

Seit der Einführung des Lehrerfortbildungsprogramms im Jahr 2015 haben zwei zweitägige Kurse stattgefunden, im April beginnt der dritte, „danach sind 80 Lehrer zu Schwimmfix-Experten ausgebildet worden“, erklärt das Kultusministerium auf Anfrage.

Gleichzeitig bilde das Institut in Kooperation mit der DLRG und Schwimmfachverbänden weitere Schwimmfix-Experten aus, darunter Studenten der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg. Sie können nach ihrer Ausbildung Schwimmunterricht an Schulen geben.