In der Spionage-Affaire um den BND und die NSA gerät das Kanzleramt zunehmend unter Druck. (Foto: BND-Zentrale) Foto: dpa

Hat der BND - gewollt oder ungewollt - brisante Informationen an den US-Geheimdienst NSA weitergereicht? Wann bekam das Kanzleramt Wind davon? Die Linken fürchten, dass das Parlament belogen wurde.

Berlin - Die Spionage-Affäre um den Bundesnachrichtendienst und den US-Geheimdienst NSA setzt zunehmend auch das Bundeskanzleramt unter Druck. Der deutsche Auslandsgeheimdienst informierte schon 2008 das Kanzleramt über mögliche Versuche von Wirtschaftsspionage durch den eigentlich befreundeten Dienst NSA. Ein Regierungssprecher bestätigte am Sonntag einen entsprechenden Bericht der „Bild am Sonntag“, stellte dies aber als eine bekannte Information dar.

Die aufgeführten Unterlagen habe das Bundeskanzleramt schon 2014 dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Verfügung gestellt, sagte der Sprecher. „Sie liegen dem in Rede stehenden Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses zugrunde und werden darin erwähnt.“

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), reagierte dennoch stark irritiert und stellte der Vorwurf der Lüge in den Raum. Wenn es schon 2008 einen oder gar mehrere Berichte des BND über versuchte oder erfolgte Wirtschaftsspionage seitens der NSA an die Dienst- und Fachaufsichtsbehörde gegeben hat, „dann hätte das Bundeskanzleramt das Parlamentarische Kontrollgremium erneut belogen“. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) habe zuletzt erklärt, sein Amt habe erst vor wenigen Tagen von den Vorgängen erfahren.

Auch die Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Martina Renner, forderte umfassende Aufklärung vom Kanzleramt und dem damaligen Kanzleramtschef und heutigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker müsse dem Untersuchungsausschuss möglichst bald Rede und Antwort stehen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Der BND und sein Präsident Schindler sind unter Druck geraten

Der BND und vor allem sein Präsident Gerhard Schindler sind unter Druck geraten, weil am Donnerstag bekanntgeworden war, dass der BND für die NSA die Kommunikation europäischer Unternehmen und Politiker über Jahre ausgehorcht haben soll. Konkret geht es um das Filtern von Informationen. BND und NSA hatten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vereinbart, dass die Amerikaner nach bestimmten Suchmerkmalen (Selektoren) Zugriff auf diese Daten bekommen - zur Terrorbekämpfung und unter Einhaltung deutscher Interessen.

Die „Bild am Sonntag“ berichtet, dass der BND von sich aus schon vor etlichen Jahren Täuschungsversuche festgestellt habe. Er habe das Kanzleramt, das für die Kontrolle des BND zuständig ist, in einem streng vertraulichen Bericht schon 2008 darüber informiert. In dem Vermerk heiße es, die NSA habe versucht, Wissen über die multinationalen Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter abzuschöpfen.

Dem BND soll angeblich schrittweise klar geworden sein, dass die von den Amerikanern gelieferten Suchkriterien für den von ihm abgehörten Datenverkehr - etwa Namen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern - deutschen und europäischen Interessen widersprechen.

Dem NSA-Untersuchungsausschuss liegt laut „Bild am Sonntag“ zudem ein Dokument aus dem Jahr 2010 vor, das zur Vorbereitung eines Treffens zwischen de Maizières Nachfolger als Kanzleramtschef, Ronald Pofalla, und US-Vertretern diente. Auch darin habe der BND auf die rechtswidrige Praxis der Amerikaner hingewiesen, heißt es im Bericht.