Michael Kraus droht eine Sperre von bis zu zwei Jahren. Foto: Pressefoto Baumann

Wegen Versäumnissen bei der Meldepflicht droht dem Göppinger Handballer „Mimi“ Kraus eine Sperre von bis zu zwei Jahren. Frisch Auf müsste den Ausfall mit einer Nachverpflichtung kompensieren.

Göppingen - Michael Kraus (30) macht eine schwere Zeit durch, da tut ein bisschen Unterstützung gut. Deshalb hat den Nationalspieler sicher gefreut, dass ihn die Handball-Familie nicht fallenlässt. „Mimi ist ein liebenswerter Chaot, der weiß, dass er an sich arbeiten muss“, sagt Bob Hanning, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB), „wenn er nach der Sperre seine Leistung bringt, wird er wieder in die Nationalmannschaft aufgenommen. Wir nehmen ihn, wie er ist, seine Schusseligkeit gehört eben zu ihm.“

Das hört sich nicht schlecht an für Kraus. Aber eben auch so, als sei Hanning und dem DHB gar nicht richtig bewusst, was da auf ihren Weltmeister von 2007 alles zukommen kann. Kraus hat sich innerhalb von 18 Monaten drei Verstöße gegen die Meldepflicht geleistet, die ihm auferlegt, seinen Aufenthaltsort mitzuteilen, damit ihn Dopingkontrolleure auch antreffen können. Das ist eine Schlamperei, die ernste Folgen haben kann. Denn das Regelwerk der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) ist eindeutig: Drei derartige Verstöße werden gewertet wie ein Dopingfall und können mit einer Sperre von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Die meisten Sportler, die der Meldepflicht unterliegen, wissen um die Wichtigkeit dieser Aufgabe und erledigen sie entsprechend sorgfältig. Im Jahr 2013 gab es keinen einzigen deutschen Athleten, der sich drei Verstöße leistete. Im Jahr 2012 waren es drei – ein Schwimmer, ein Rugbyspieler und ein Kanute. Zwei von ihnen wurden für ein Jahr gesperrt, einer gar für zwei Jahre.

Kraus muss, sofern er nicht außergewöhnliche mildernde Umstände geltend machen kann (zum Beispiel einen Unfall), mit einer ähnlichen Strafe rechnen. Und diese gilt nicht nur für Spiele, sondern kommt einem Berufsverbot gleich: Kraus dürfte auch nicht an den Trainingseinheiten des Bundesligisten Frisch Auf Göppingen teilnehmen, er müsste sich in Eigenregie fit halten. „Die Situation wäre anders, wenn es einen positiven Dopingbefund gegeben hätte“, sagt Bob Hanning, „so kann ich nur appellieren, mit Augenmaß zu entscheiden.“

Wie lange Kraus, das schlampige Genie, gesperrt wird, darüber befindet die Anti-Doping-Kommission des DHB, der das Fall-Management nicht wie andere Sportarten an die Nada übertragen hat. In diesem Gremium sitzen sechs Personen, unter anderem Ex-Startorwart Andreas Thiel sowie die Nationalmannschaftsärzte Kurt Steuer (Männer) und Marcus Laufenberg (Frauen). Ob die DHB-Kommission berücksichtigt, dass Rückraumspieler Kraus bei der WM 2015 in Katar eine wichtige Rolle im Nationalteam zukommt, ist offen. Sicher ist, dass die Nada das Urteil genau prüfen wird – und, sollte es nicht regelkonform sein, vor dem Deutschen Sportschiedsgericht und notfalls auch vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne dagegen vorgehen wird.

Den Verantwortlichen bei Frisch Auf Göppingen ist der Ernst der Lage bewusst. „Es ist in der Tat so, dass an dieser Entscheidung eine ganze Existenz dranhängt“, sagt Geschäftsführer Gerd Hofele, der für Ersatz sorgen müsste, wenn sein Spielmacher länger gesperrt werden sollte. Kraus selbst will sich, solange das Verfahren läuft, nicht mehr äußern. „Er ist natürlich extrem niedergeschlagen“, sagt DHB-Sportchef Hanning, dem die ständigen Negativschlagzeilen, die der Handball produziert, gehörig auf die Nerven gehen: „Wir sind die einzige Sportart, die es immer wieder schafft, sich von innen heraus anzugreifen. Dabei haben wir so ein geiles Produkt.“ Aber eben auch einen schusseligen Chaoten in den eigenen Reihen.