Stadtrat Gökay Sofuoglu. Foto: Brigitte Hess

SPD-Stadtrat und Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland aus Fellbach, Gökay Sofuoglu, erklärt den Erfolg des Präsidenten mit wirtschaftlichem Aufschwung.

Fellbach - Der Fellbacher SPD-Gemeinderat und Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, ist momentan ein gefragter Mann. Am Montagabend kam er direkt von Aufnahmen beim SWR-Fernsehen in den Henri-Dunant-Saal der Stadtwerke, wo er im Rahmen einer öffentlichen Fraktionssitzung der SPD Einblicke in die Entwicklung in der Türkei gab.

Als er selbst vor 37 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, fand in seinem Vaterland einen Monat später ein Putsch statt. „Viele Bilder, die ich heute sehe, sind mir bekannt und kommen wieder in mir hoch“, sagte er vor etwa 50 Zuhörern. Alle zehn Jahre habe das Militär in der Türkei geputscht und im Hintergrund die Fäden gezogen. „Ich dachte, das sei jetzt vorbei“, sagt Sofuoglu. Er blickte in seinem Vortrag auf den Aufstieg Erdogans zurück, der als Oberbürgermeister Istanbuls in der internationalen Presse als „Wunder vom Bosporus“ gefeiert wurde, weil er aus einem maroden Moloch eine moderne Großstadt machte. „Die ganze Konjunktur hat für ihn gearbeitet“, sagte Sofuoglu. Erdogan trennte sich damals von seiner Partei, die als islamistisch galt, er wollte die Entmilitarisierung vorantreiben und hatte die Intellektuellen und die Liberalen auf seiner Seite.

Dieser bezeichnende Satz Erdogans hat sich ihm eingeprägt

Den Menschen prägte sich laut Gökay Sofuoglu ein: Wenn Erdogan an der Macht ist, geht es voran. Schon damals habe dieser aber andere Pläne gehabt: „Demokratie ist ein Zug, man muss wissen, wann man aussteigt“ – dieser bezeichnende Satz Erdogans habe sich ihm eingeprägt, so Sofuoglu.

In seiner zweiten Legislaturperiode schlug Erdogan dann einen anderen Weg ein. Er habe die Liberalen immer mehr abgesägt und gemäßigte islamische Freunde auf deren Posten gehievt. Erdogan musste aber auch Niederlagen einstecken: Die AKP verlor die absolute Mehrheit, 2013 wurden er und seine Familie mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Nach dem jüngsten Putschversuch sei der Ruf nach einem starken Mann in der Bevölkerung immer lauter geworden. „Die Türkei befindet sich in einem Ausnahmezustand, eine Zeit lang hatte ich Angst, es gibt einen Bürgerkrieg“, sagte Sofuoglu.

Die AKP will nun das Präsidialsystem für Erdogan einführen. Er hoffe, dass bei der bevorstehenden Abstimmung dieses Ziel nicht erreicht werde, sagte Sofuoglu. „54 Prozent der Bevölkerung sind dagegen, aber die Ja-Sager werden medial inszeniert, die Nein-Sager haben öffentlich keine Stimme.“ Die Meinung der 1,5 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland könnte entscheidend sein, sagte Sofuoglu und mahnte dringend, die Opposition in der Türkei zu unterstützen und die Demokratie zu verteidigen: „Es gibt zwar eine große schweigende Mehrheit in der Türkei, aber ebenfalls eine starke Frauen- und Jugendbewegung – die Türkei besteht nicht nur aus Erdogan.“

Letztlich gehöre Erdogan zu den „Trump-eltieren“

In der Diskussion zeigten sich die Zuhörer bestürzt darüber, dass Türken der dritten Generation hier in Deutschland Erdogan unterstützten. Dass bei der Integration viele Fehler gemacht wurden und die EU-Beitrittsverhandlungen zum Stillstand gekommen seien, sei nicht das richtige Signal an die Türkei, wurde eingeworfen. Letztlich gehöre Erdogan zu den „Trump-eltieren“, wie Sofuoglu sagte, „zu den modernen Faschisten des 21. Jahrhunderts, die weltweit die Demokratie bedrohen“.