Nils Schmid wurde beim SPD-Landesparteitag frenetisch gefeiert. Foto: dpa

Die SPD macht sich Mut: Mit frenetischem Beifall bedenkt die SPD-Basis ihren Vormann Nils Schmid. Ob die Partei tatsächlich noch die Trendwende schafft und aus dem Umfragetief herauskommt?

Stuttgart - Rekordapplaus im Rekordumfragetief - die SPD-Basis feierte am Samstag ihren Frontmann Nils Schmid und seine motivierende Rede mit minutenlangem Beifall. Zuvor hatte der SPD-Landeschef den Kampfesmut der Genossen in schwierigen Zeiten beschworen und ihnen mit auf den Weg in den Wahlkampf gegeben: nicht verzagen, sondern Gesicht zeigen, Haltung bewahren. Überdies holte er zu einem Rundumschlag gegen die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD), die CDU und den grünen Koalitionspartner aus.

Der Wirtschafts- und Finanzminister machte allerdings keinen Hehl aus der desaströsen Lage seiner Partei rund 50 Tage vor der Landtagswahl am 13. März. Die Umfragewerte von 15 Prozent seien ein „Schlag ins Gesicht“, sagte er. Aber sie seien noch kein Wahlergebnis. Deshalb müsse um jede Stimme gekämpft werden. „Die Sozialdemokratie in Baden-Württemberg wird sich nicht einfach vom Hof jagen lassen“, unterstrich er. Wahlkampf sei derzeit nicht immer leicht. Da begegne einem Hohn, Spott und Hass. „Ich spür das auch.“ Er versicherte den rund 300 Delegierten: „Ich werde mich mit euch und für euch für den Erfolg dieser Partei bis zum letzten Tag zerreißen.“

Die SPD mit ihren derzeit 35 000 Mitgliedern hatte bei der Landtagswahl 2011 noch gut 23 Prozent der Stimmen erhalten und als Juniorpartner in der Koalition mit den Grünen die 58-jährige CDU-Vorherrschaft im Südwesten beendet.

Wenig Raum nahm beim Parteitag die Analyse ein, warum die SPD in der Wählergunst so abgesackt ist, obwohl die grün-rote Regierungsarbeit mit 60 Prozent Zustimmung belohnt wird. Nach Ansicht von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) müssen neben den Ministern auch die Landtagsabgeordneten und die Funktionäre an der Basis die Erfolge der Partei in die Fläche tragen. „Da braucht es Geschlossenheit und Kommunikation darüber, was erreicht worden ist“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

„Grün muss man sich leisten können“

Der frühere Innenminister Frieder Birzele (SPD) konstatiert eine öffentliche Wahrnehmung zugunsten der Grünen. Es sei ein generelles Phänomen, dass in Koalitionen Erfolge dem großen Partner, Fehler dem Juniorpartner zugeschrieben werden. Ex-Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) sieht die Grünen mit ihrem populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Vorteil. Landespolitik werde eben an nur wenigen Personen festgemacht. Es müsse aber klar gemacht werden: „Wer Kretschmann will, der muss uns wählen.“

Schmid betonte, nur mit einer starken SPD gebe es sozialen Zusammenhalt, bezahlbaren Wohnraum für alle, gebührenfreien Zugang zur Bildung und gute Gesundheitsfinanzierung. Kernanliegen sei zudem der Einsatz für Arbeitnehmerrechte gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen. Es mache einen Unterschied, ob der Wähler das Kreuz bei den Grünen oder bei der SPD setze. So bestehe die SPD darauf, dass die Arbeitgeber bei der Kostensteigerung in der Krankenversicherung in gleichem Maße zur Kasse gebeten werden wie die Arbeitnehmer. Die Grünen fürchteten hingegen Ärger mit der Wirtschaft. Schmid resümierte: „Grün muss man sich leisten können.“

Zudem rief er die Ökopartei auf, sich zur Fortsetzung der Koalition mit der SPD zu bekennen. „Wir wollen mit den Grünen weiter regieren.“ Da gebe es kein Hintertürchen. „Ich würde mir übrigens manchmal wünschen, dass unser Koalitionspartner diese Aussage genau so deutlich trifft.“ Die Grünen reagierten überrascht: Spitzenkandidat Kretschmann lasse keine Gelegenheit aus, die SPD als Wunschkoalitionspartner zu benennen. Die CDU kommentierte Schmids Aussagen mit Häme. Er bettele förmlich um eine Koalitionsaussage der Grünen: „Das ist ein neuer Tiefpunkt für die SPD, eine einst stolze Volkspartei“, meinte Wahlkampfleiter Thorsten Frei.

Schmid rückte den CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf in die Nähe der aus seiner Sicht hetzerischen AfD. Er klinge auf manchen Feldern nach AfD - bei Familie, Flüchtlingen und Vielfalt. Wolf stehe für einen rückständigen gesellschaftspolitischen Kurs und spekuliere darauf, durch eine starke AfD Ministerpräsident werden zu können. Die CDU reagierte mit Empörung: Wolf in die Nähe der AfD zu rücken, sei eine unglaubliche Entgleisung Schmids. Frei: „Offenbar verliert er die Nerven und versucht es mit einem Schmutzwahlkampf.“

Schwerpunkte des einstimmig verabschiedeten „Regierungsprogramms“ sind verlässliche Ganztagsangebote vom ersten Geburtstag bis zum letzten Schultag, schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren, Bau von 25 000 Sozialwohnungen in den nächsten fünf Jahren sowie eine Ausbildungsgarantie für jeden Jugendlichen. Die Jusos setzten einen Beschluss durch, mit dem das nächtliche Alkoholverkaufsverbot und die Meistergebühren abgeschafft werden sollen. Auf das Konto der SPD-Jugend geht auch ein Votum für mehr Ferien-Kinderbetreuung.