Der neue Hoffnungsträger der SPD versetzt auch Sozialdemokraten auf den Fildern in gute Stimmung. Sie sehen ihre Partei allerdings schon länger auf einem guten Weg. Foto: dpa

Martin Schulz ist seit Ende Januar Kanzlerkandidat, und der Dauer-Blues der Sozialdemokraten erscheint wie weggepustet. Auch in den Ortsvereinen auf den Fildern macht sich Optimismus breit. Doch den vermehrten Zuspruch führen die lokalen Sozialdemokraten eher auf einen anderen Politiker als Schulz zurück.

Filder - Wäre die Stimmung der Sozialdemokraten in Degerloch im Mai vergangenen Jahres der Ausgangswert, bräuchte es wohl wenig, um von einer besseren Lage der SPD zu sprechen.

Damals zerbrachen sich die Sozialdemokraten im Naturfreundehaus den Kopf darüber, wie ihre Partei wieder Anklang finden könnte – und zwar nicht nur bei den Degerlochern, sondern letztlich beim Wahlvolk im ganzen Land. Viel schien den Genossen damals nicht einzufallen – außer der Erkenntnis, dass das Tal der Tränen tief und lang ist.

Parteibücher ausgegangen

Rund ein dreiviertel Jahr später gibt sich der Degerlocher SPD-Chef Wilfried Seuberth beim Gespräch aufgeräumt. Fast wirkt es, als müsse er sich manchmal kneifen, um die jüngsten Nachrichten über seine Partei fassen zu können. Zum Beispiel diese: Die Medien vermelden, dass in Ortsverbänden in anderen Teilen der Republik die roten Parteibücher ausgegangen seien, seitdem der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Ende Januar seine Kandidatur für das Kanzleramt bekannt gegeben hatte.

Kreative Ersatzlösungen für das Parteibuch für Neu-Genossen muss der Degerlocher Ortsverband allerdings noch nicht finden. Gerade einmal zwei Neueintritte hat die Bezirks-SPD in den vergangenen Monaten zu verzeichnen. Sie hat nun 74 Mitglieder.

Beide Beitritte waren übrigens, bevor bekannt geworden ist, dass Martin Schulz an der Stelle des Parteichefs Sigmar Gabriel seinen Hut in den Ring werfen wird. Seuberth will bereits im Herbst eine Veränderung wahrgenommen haben. Die von vielen bereits abgeschriebene SPD sei plötzlich wieder gefragt gewesen, meint er. „Ich habe das gerade bei Mitgliedern festgestellt, die wegen Stuttgart 21 auf Distanz zur Partei gegangen sind. Da gab es plötzlich einige, die meinten, es sei Zeit, sich wieder einzubringen“, sagt Seuberth.

Neue Mitglieder

Auch in Plieningen und Birkach verlief die Kurve der Entwicklung wie in Degerloch. Nach einer langen Flaute meldeten sich im letzten Quartal 2016 drei neue Sozialdemokraten. „Wir haben insgesamt 72 Mitglieder. Da ist das schon was“, meint Joachim Schlette, Vorsitzender des Ortsverbands. In den vergangenen drei Wochen habe sich dagegen kein neues Mitglied gemeldet. Ein expliziter Schulz-Effekt scheint also in den Bezirken Birkach und Plieningen nicht zu funktionieren.

Gleiches verlautet auch die Sozialdemokratin Julia Möhrmann aus Sillenbuch. Sie leitet den SPD-Ortsverein im Stadtbezirk. Die örtlichen Soziademokraten habe in den vergangenen Monaten zwei bis drei neue Mitglieder – bei insgesamt 90 – gewonnen, sagt sie. Keiner sei aber nach der Kandidaturerklärung von Martin Schulz eingetreten, sagt Möhrmann. „Nach den Landtagswahlen gab es mehr Zuspruch von Leuten, die das Abschneiden der AfD geschockt hat“, sagt Möhrmann. Eine weitere Phase gesteigerter Resonanz sei dann der Spätherbst 2016 gewesen, berichtet sie.

Am 8. November 2016 wurde in den USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Die Sillenbucherin Julia Möhrmann ist sich mit ihren Kollegen aus den Ortsverbänden in Degerloch und Plieningen/Birkach einig, dass dieses Datum auch mit dem gewachsenen Zuspruch für die SPD zu tun hat. „Das könnte mit Trump zusammenhängen“, meint Joachim Schlette noch mit gewisser Zurückhaltung. Julia Möhrmann und Wilfried Seuberth nennen den neuen Mann an der Spitze des fernen Amerikas dagegen ausdrücklich als Grund, der Menschen auf den Fildern dazu bringt, sich in der SPD zu engagieren. „Ich denke, die Gefahr durch den Populismus führt bei allen demokratischen Parteien zu mehr Zuspruch. Aber uns Sozialdemokraten nützt es vielleicht besonders“, sagt der Degerlocher Sozialdemokrat Seuberth.

Julia Möhrmann, die Vorsitzende des Sillenbucher SPD-Ortsvereins, mahnt bei all dem aktuellen Jubel in ihrer Partei zu Gelassenheit. „Euphorisch bin ich nicht. Es ist aber gut, dass alle in der Partei mit dem Kandidaten zufrieden sind“, sagt sie. Das Wort „Zufriedenheit“ schien beim Scherbengericht der Degerlocher Genossen im Mai 2016 noch etwas zu sein, das nicht zum Wortschatz von Sozialdemokraten gehört.