Freiburger Polizeibeamte im Einsatz. Auch sie klagen über Kürzungen. Foto: dpa

Der Ärger der Staatsdiener über Sparpläne des Landes reißt nicht ab. Musterbrief sorgt für Unmut.

Stuttgart - Weihnachten ist bekanntlich vorbei, aber von Frieden zwischen dem Beamtenbund und der grün-roten Landesregierung kann deshalb keine Rede sein. Der neueste Beleg: Der Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft hatte rund um Weihnachten seine Mitglieder zu einer Unterschriftenaktion aufgefordert. Unter dem Motto „Knusper, knusper, Knäuschen – Hände weg von unseren Häuschen“ hatte die Spitze der Beamtengewerkschaft ein Flugblatt entworfen, auf dem das Konterfei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) in ein Hexenhäuschen montiert war, dazu eine Kaskade an Vorwürfen. Der Tenor: Noch vor der Landtagswahl hätten SPD und Grüne versprochen, die Beamtenschaft nach einem Wahlsieg in Ruhe zu lassen, so die Gewerkschaft, die als Beleg die damaligen Wahlprüfsteine noch einmal hervorkramte.

In der Tat hatten sich die damaligen Oppositions- und heutigen Regierungsparteien vor dem 27. März auf die Seite der Beamten geschlagen. Die SPD antwortete seinerzeit auf die Frage, ob die Beamten in der neuen Legislaturperiode mit finanziellen Einschnitten rechnen müssten, wörtlich: „Nein, wir beabsichtigen in diesem Bereich keine weiteren Einschnitte vorzunehmen.“ Und die Grünen teilten zur selben Frage mit: „Die Polizei darf nicht immer nur Melkkuh für Einsparziele der Landesregierung sein. Daher schließen wir weitere finanzielle Einschnitte für aktive Beamte aus. Auch die Heilfürsorge soll nicht angetastet werden.“

Kein Wunder, dass Polizeigewerkschafts-Landeschef Joachim Lautensack angesichts der aktuellen Entwicklung mit Einsparungen von 130 Millionen Euro im Landeshaushalt 2012 nun „bitter enttäuscht“ ist. „Wenn so der versprochene Politikwechsel aussieht, können wir darauf gerne verzichten“, sagt er. Man fühle sich „belogen und betrogen“, wenn die grün-rote Regierung in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen für alles Geld habe, nur nicht für die Beamten. Seine Mitglieder sehen es offenbar genauso. „Wir haben Tausende von Unterschriften gesammelt und sie inzwischen den Landtagsabgeordneten von Grün-Rot übergeben“, so Lautensacks Bilanz der Aktion in dieser Woche.

Der Unmut der Polizeibeamten ist nicht zu überhören

In der Regierungskoalition wird bestätigt, dass zahlreiche Abgeordnete von Grünen und SPD in ihren Wahlkreisen inzwischen reihenweise die Unterschriftenlisten erhalten haben und der Unmut der Polizeibeamten nicht zu überhören sei. Wie aber damit umgehen? Die Regierungsparteien haben sich eine ungewöhnliche Maßnahme ausgedacht. In beiden Fraktionen erstellten Parlamentarische Berater eine Art Musterbrief, der seit Tagen an die verärgerten Beamten im Land verschickt wird. Bei den Grünen beginnt das Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, nach der Anrede mit den Worten „vielen Dank für Ihre Zuschrift“. Auch bei der SPD, die nach wie vor den Schulterschluss mit den Beamten sucht, folgen auf die Anrede die zwei deeskalierenden Sätze: „Sie sprechen die aktuelle Situation offen an. Für Ihre Offenheit wollen wir uns bedanken.“

In beiden Schreiben bitten die Regierungsfraktionen um Verständnis für ihren Sparkurs, der für 2012 eine Verschiebung der Besoldungserhöhung und Einschnitte bei der Beihilfe umfasst. „Um einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können, müssen alle einen Beitrag leisten – auch die Beamten“, heißt es bei der SPD. Die Grünen erklären die Sparzwänge mit „den milliardenschweren Deckungslücken“, die die alte CDU-FDP-Regierung hinterlassen habe. Und da sich „die öffentliche Hand nicht ins Blaue hinein verschulden“ dürfe, halte man es „für gerechtfertigt, auch die Beamtenschaft mit einem Beitrag zum Ausgleich des Landeshaushalts“ am Sparkurs zu beteiligen. Im Übrigen hätten die Beamten keinen Grund zur Beschwerde: „Es ist noch nicht lange her, dass die Arbeiter bei Daimler-Benz auf acht Prozent des Lohnes verzichten mussten, während gleichzeitig die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger im Jahr 2009 um drei Prozent angehoben wurden.“

Bei den Beamten haben die Musterschreiben Verärgerung und Verwunderung ausgelöst. Allein durch die Sparbeschlüsse seien „die Leute schon auf der Palme“, sagt Lautensack, der fürchtet, dass weitere Einschnitte im Doppelhaushalt 2013/2014 zu erwarten sind. Wenn die Regierung nun aber mit Standardschreiben auf die Sorgen der Staatsdiener reagiere, sei dies „nicht gerade ein Vertrauensbeweis“. Bei den Grünen wie bei SPD wird aus der Aktion Musterbrief kein Hehl gemacht. Man habe „die Argumente zusammengefasst“, jeder Abgeordnete könne das Schreiben an die Beamten nach dem Baukastenprinzip zusammensetzen, sagen die Sprecher von Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann und SPD-Vormann Claus Schmiedel. Im Übrigen, so heißt es mit Blick auf die Flut von Protestbriefen ganz offen im Musterbrief der Grünen, müssten die Beamten „Verständnis dafür haben, dass wir keine individuellen Antworten schreiben können“.