Demonstranten haben am Dienstag in Barcelona für 15 Minuten die Arbeit niedergelegt, um gegen die Verhaftung katalanischer Aktivisten zu protestieren. Foto: AP

Die Katalonien-Krise spitzt sich zu: Erstmals sitzen wichtige Unabhängigkeits-Aktivisten hinter Gittern. Die katalanische Regierung spricht von einer „demokratischen Schande“ - und zieht Vergleiche mit der Franco-Diktatur. Am Donnerstag läuft das Ultimatum Madrids ab.

Barcelona/Madrid - Die Inhaftierung zweier Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung hat die Spannungen zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und den Separatisten in Barcelona weiter verschärft. Der Sprecher der Regionalregierung Kataloniens, Jordi Turull, bezeichnete die Inhaftierung am Dienstag als „demokratische Schande“. Zwei Tage vor Ablauf des Ultimatums der Zentralregierung zur Aufgabe der Abspaltungsbestrebungen versicherte der Sprecher, der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont werde dem Druck nicht nachgeben und Madrid erneut Dialog anbieten. „Er wird von seiner Position nicht abrücken“, so Turull.

Die Madrider Richterin Carmen Lamela hatte am späten Montagabend die Inhaftierung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart angeordnet. Den Vorsitzenden der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und der Organisation Omnium Cultural wird „aufrührerisches Verhalten“ vorgeworfen. Ermittlungen laufen auch gegen den katalanischen Polizeichef Josep Lluís Trapero, der aber auf freiem Fuß blieb.

Nachdem er im Sender „Catalunya Ràdio“ von einem „Angriff auf die Grundrechte“ gesprochen und die Europäische Union um Intervention gebeten hatte, zog Turull später vor Journalisten auch Vergleiche mit der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975). Selbst während des Unrechtsregimes sei kein Präsident des 1961 zur Förderung der von Franco unterdrückten katalanischen Kultur gegründeten Omnium Cultural festgenommen worden, sagte der Sprecher.

Bei einer Demonstration am 20. September sollen Sànchez und Cuixart Teilnehmer dazu ermutigt haben, Angehörige der staatlichen Polizeieinheit Guardia Civil einzukesseln. Dabei seien Fahrzeuge der Polizei beschädigt worden, erklärte der nationale Staatsgerichtshof. Sànchez und Cuixart seien die „Hauptunterstützer und Anführer“ der Proteste vom 20. und 21. September“ gewesen. Bei den Protesten gingen mehr als 40 000 Menschen auf die Straße, um gegen die Festnahme von elf katalanischen Beamten zu protestieren, die an der Organisation des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober mitwirkten.

Erste Protestkundgebungen gegen die Festnahmen

Die regierende konservative Volkspartei PP wies Vorwürfe der Separatisten und linker Parteien zurück, Sànchez und Cuixart seien „politische Häftlinge“. Die beiden Männer hätten gegen das Gesetz verstoßen, sagte die Nummer drei der PP, Fernando Martínez-Maillo. Er betonte, in Spanien gebe es Gewaltenteilung. Die ANC rief für Dienstagabend und Mittwoch zu Protesten gegen die Verhaftungen auf. Schon Dienstagmittag kam es unter anderem vor dem Regionalparlament und in Universitätsgebäuden zu ersten Protest-Kundgebungen.

Das spanische Verfassungsgericht hat unterdessen das Gesetz zum katalanischen Unabhängigkeitsreferendum endgültig außer Kraft gesetzt. Bei der Verabschiedung des Gesetzes habe sich das Regionalparlament in Barcelona in illegaler Form Kompetenzen und Zuständigkeiten des spanischen Staates angeeignet, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil. Zudem verletze das Gesetz Verfassungsprinzipien, die nationale Souveränität und die „unauflösliche Einheit des spanischen Nation“. Bereits Anfang September war das Gesetz vom Gericht vorläufig aufgehoben worden.

Ungeachtet des vorläufigen Verbots hatte die Regionalregierung am 1. Oktober „ein verbindliches Referendum“ über die Unabhängigkeit der Region abgehalten. Rund 90 Prozent stimmten dabei für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei etwas mehr als 40 Prozent.

Die Fronten hatten sich im Konflikt schon am Montag verhärtet. Puigdemont antwortete nur ausweichend auf die ultimativ gestellte Frage Madrids, ob er vorige Woche nun die Unabhängigkeit erklärt hat oder nicht. Daraufhin gab der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy dem 54 Jahre alten liberalen Politiker bis Donnerstag um 10.00 Uhr Zeit, die Bestrebungen für einen eigenen Staat zu stoppen und zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren.