Stuttgarter Jurist und Social-Media-Experte hat Verständnis für Daimler bei "Facebook-Motzgruppe".

Stuttgart - Wenn Mitarbeiter in der Teeküche über Ihren Chef lästern, der gerade in seinem Büro sitzt, sollte das für die Kollegen eine sichere Sache sein. Läuft's über E-Mails, wird's schon ungemütlich. Und wird schließlich in einer Facebook-Gruppe über den Konzernchef gelästert, dann könnte es richtig unangenehm für die Mitarbeiter werden.

Bei Daimler wurde es ungemütlich - und das sogar, obwohl es sich um eine interne Facebook-Gruppe handelte. Eine virtuelle Gruppe also, die nur für ausgewählte Mitglieder sicht- und lesbar war. Fünf Mitarbeiter des Automobilkonzerns, die unter anderem über Daimler-Chef Dieter Zetsche motzten, wurden zu einem Gespräch mit der Personalabteilung zitiert. Der Konzern war nicht begeistert über die Motzgruppe seiner Mitarbeiter und "wies sie auf die Verhaltensrichtlinien in unserem Unternehmen hin", sagt ein Daimler-Sprecher, "Folgen für unsere Mitarbeiter gibt es nicht". Die betreffende Facebook-Gruppe "Daimler-Kollegen gegen Stuttgart 21" ließ Daimler offenbar löschen.

Wie ist die Rechtslage?

Doch wie ist die Rechtslage in so einem Fall? Können die Mitarbeiter, die in einer abgeschlossenen Runde in einem Sozialen Netzwerk über ihren Chef meckern, belangt werden?

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht hat sich auf die Fragen des "Recht 2.0" spezialisiert und war just zu diesem Thema erst kürzlich bei der 4. Social Media Night im Mercedes-Benz Museum als Referent zu Gast: "Es wird deutlich, dass zahlreichen Unternehmen für entsprechende Probleme das Bewusstsein fehlt. Sie sind auf solche Fälle nicht vorbereitet", urteilt Ulbricht zu der Daimler-Facebook-Problematik.

"Im Grundsatz hat nach Artikel 5, Absatz 1, Seite 1 des Grundgesetzes jeder das Recht, seine Meinung - egal in welcher Form - frei zu äußern und zu verbreiten. Die Meinungsfreiheit kann jedoch durch allgemeine Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art 5 Abs.2 GG) begrenzt werden", so der Stuttgarter Rechtsanwalt. "Die Meinungsfreiheit endet deshalb dort, wo zu stark in berechtigte Interessen Dritter eingegriffen wird. Rechtswidrig sind deshalb Formalbeleidigungen und die sogenannte Schmähkritik."

"Beleidigungen muss sich auch im Social Web niemand gefallen lassen"

Da die Daimler-Angestellten aber offenbar den Ruf des Unternehmes beschädigten, vielleicht gar falsche Tatsachen behaupteten und Beleidigungen tätigten, die im schlimmsten Fall sogar eine strafrechtliche Relevanz besitzen, ist für den Carsten Ulbricht der Fall klar: "Ich halte ein Tätigwerden des Unternehmens für nachvollziehbar, je nach Schwere der Rechtsverletzung vielleicht sogar für geboten, um die Interessen der eigenen Mitarbeiter zu schützen. Falsche Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, unzulässige Schmähkritik und einige weitere schwerwiegende Eingriffe in legitime Rechte und Interessen muss sich nach meiner Auffassung auch im Social Web niemand gefallen lassen."

Vom sofortigen Löschen der Facebook-Gruppe der Mitarbeiter ist Ulbricht allerdings nicht begeistert: "Es wäre sicher verhältnimäßiger und wohl auch ausreichend gewesen, die beleidigende Äußerung löschen zu lassen und nicht gleich die ganze Gruppe - wobei derzeit aber auch nicht klar ist, welche dieser beiden Alternativen seitens Daimler veranlasst worden ist." Nach Ulbrichts Informationen nämlich, die er offiziell von Facebook bekommen hat, kann das Soziale Netzwerk derzeit nicht bestätigen, dass es diese Gruppe gelöscht hat. Es ist sehr gut möglich, dass der Gruppen-Administrator - ein Mitarbeiter von Daimler also - das getan hat.

"Es ist wichtig, die eigenen Mitarbeiter mit Richtlinien zu sensibilisieren"

Unternehmen wie etwa Daimler, Porsche oder Bosch benötigen klar definierte Social-Media-Richtlinien, sagt Experte Ulbricht: "Der Fall Daimler zeigt überdeutlich, warum es so wichtig ist, die eigenen Mitarbeiter mit Social-Media-Richtlinien, für die bestehenden rechtlichen Grenzen, aber auch einige medienbedingten Besonderheiten zu sensibilisieren."

"Die meisten Probleme mit der Nutzung der Sozialen Medien durch die Mitarbeiter", so Ulbricht, "resultieren aus Unwissenheit und fehlender Medienkompetenz. Wer sein Unternehmen und seine Mitarbeiter vor solchen Risiken bewahren, aber auch die Chancen der Sozialen Medien nutzen möchte, der sollte seinen Mitarbeiter mit Richtlinien und/oder Schulungen diese Medienkompetenz vermitteln."

Seiner Meinung nach wird dieses Problem - Mitarbeiter in Sozialen Netzwerken versus Unternehmen - in Zukunft nicht kleiner werden: "Der Fall der Daimler AG wird nicht der Letzte gewesen sein. Und jeder Einzelfall sollte unter rechtlichen und kommunikativen Aspekten bewertet werden." Da die User der Sozialen Netzwerke (Facebook, Twitter und Co.) rasant unterwegs sind, erfordert das oft auch eine schnelle Bewertung und Reaktion - "also", sagt Dr. Carsten Ulbricht abschließend, "sollten Unternehmen, vor allem wenn sie eine entsprechende 'Angriffsfläche' bieten, vorbereitet sein."