Die Anonymität des Internets verleitet viele Nutzer zu unflätigen Kommentaren Foto: dpa

Massenweise Anfeindungen lassen manche Politiker auf Distanz zu sozialen Netzwerken wie Facebook gehen. Nicht so Grün-Rot im Land. Auch Bedenken von Datenschützern erschüttern nicht den Glauben, dass die Politik dort mitmischen muss.

Stuttgart - Die Landesregierung verteidigt soziale Netzwerke wie Facebook als unverzichtbares Medium moderner Politik. „Es gibt zunehmend Menschen, die beschäftigen sich nur noch in diesen Netzwerken mit Politik“, sagte die Ministerin im Staatsministerium, Silke Krebs (Grüne), unserer Zeitung. Über andere Medien seien sie kaum erreichbar. „Es wäre doch erschreckend, wenn dort eine breite Debatte stattfindet, wir aber halten uns da raus.“

Echte Shitstorms habe es auf der Facebook-Seite von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber noch nicht gegeben. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) war kürzlich wegen massiver Beleidigungen zeitweilig aus Facebook ausgestiegen.

Krebs sagte, es würden aber sehr wohl Kommentare gelöscht, die gegen die Regeln im Netz, die sogenannte Netiquette verstoßen – Beleidigungen etwa. „Wir machen die Löschung aber transparent.“ So würden in jeder Woche im Schnitt eine Handvoll Beiträge gelöscht. Es gebe auch so etwas wie ein natürliches Regulativ im Netz. Krebs: „Wenn nur noch geschimpft wird, gehen manche Nutzer raus.“ Sie hofft, dass dieser Mechanismus funktioniert.

Neben Bundespolitikern hatten auch Vertreter aus Baden-Württemberg in den vergangenen Tagen über Anfeindungen im Netz berichtet. So sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), sie erreichten ständig Hassbotschaften. „Allerdings lese ich die Sachen nicht, um mich nicht einschüchtern zu lassen.“ Bei strafrechtlich relevanten Aussagen sei auch schon Anzeige erstattet worden.

Generelle Empfehlungen oder gar Vorgaben für die Ministerien gebe es nicht. Jede Behörde müsse in eigener Verantwortung entscheiden, in welchem Umfang sie sich beteilige und wie sie den Datenschutz gewährleiste. Dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Jörg Klingbeil, dies kritisch sieht, kann Krebs bis zu einem gewissen Maß verstehen: „Facebook hat ein riesiges Datenschutzproblem, dagegen helfen auch die klügsten Einstellungen nicht.“ Sie gibt aber zu bedenken: „Ich hab nicht viel davon, wenn ich die Infos auf eine Homepage stelle, auf der niemand vorbei kommt.“

Klingbeil moniert unter anderem, dass das Kindermedienland der Landesregierung auf Facebook erreichbar ist. Dies ist eine Beratungsseite zur Unterstützung der Medienerziehung.

Der Landesbeauftragte hat kürzlich aber auch dem Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde (Grüne), geraten, das Verbraucherportal seines Ministeriums bei Facebook abzuschalten. „Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion“, sagte Klingbeil unserer Zeitung.

Nach Auffassung der Datenschützer von Bund und Ländern verstößt Facebook eklatant gegen deutsche Bestimmungen, weil die Firma zum Beispiel auch Daten von nicht registrierten Nutzern sammelt. Der Bund der Verbraucherzentralen führt gerade einen Prozess gegen Facebook.

Krebs lehnt einen Ausstieg jedoch ebenso ab wie ihr Kollege Bonde: „Zurück zur Schreibmaschine löst das Datenschutzproblem nicht!“, postete der Grünen-Politiker kürzlich in Facebook zu den Warnungen. Ein Verbraucherministerium müsse in sozialen Netzwerken auftreten.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz überlegt nun, ob er deshalb eine förmliche Beanstandung ausspricht. Als gewissen Fortschritt würde es Klingbeil werten, wenn die Ministerien und Behörden zwar einen Facebook-Auftritt haben, man dort aber nichts posten kann. Rheinland-Pfalz etwa gehe diesen Weg.

Auf Fragen und mögliche Kritik sollen die Administratoren dort nicht reagieren, allenfalls auf Kontaktmöglichkeiten verweisen. Klingbeil: „Dadurch soll die Zahl der anfallenden Nutzerdaten gering gehalten werden.“

Doch eine solch kommunikative Einbahnstraße lehnt Krebs ausdrücklich ab. „Der Reiz ist ja gerade, dass die Nutzer kommentieren und sich einbringen können. Und wir antworten so gut wie möglich darauf“, sagt die Ministerin im Staatsministerium. Es dürfe allerdings nicht sein, dass eine öffentliche Einrichtung im Internet nur über Facebook erreichbar sei, nicht aber mit einer Homepage.

Im Konflikt zwischen Datenschutzproblemen und den kommunikativen Chancen, die sich mit sozialen Netzwerken verbinden, müsse man Kompromisse eingehen, sagt die Ministerin.

So weise etwa die Facebook-Seite des Ministerpräsidenten auf Datenschutzfragen hin. Krebs: „Wir versuchen, einen Weg zu gehen, der die Probleme benennt und minimiert.“

Laut Krebs verfügt das Online-Referat im Staatsministerium über dreieinhalb Stellen, die allerdings nicht nur für soziale Netzwerke zuständig seien.