Inzwischen gibt es die intelligenten Badeanzüge, die vor Sonnebrand schützen sollen, für 149 Euro im Online-Shop zu bestellen, das Badetuch mit integriertem Sensor kostet 99 Euro. Foto: Spinali

Wie sinnvoll sind UV-Sensoren, die in Bademode eingenäht werden? Ein Stuttgarter Dermatologe bewertet den Nutzen solcher Wearables.

Mulhouse/Stuttgart - Den beiden jungen Sonnenanbeterinnen am Baggersee bleiben 20 Minuten – dann stört ein Piepton die Ruhe. Eine SMS vermeldet: „Sie müssen sich neu eincremen.“ Und das tun die beiden Mädchen dann auch. Sonnenbrille auf – und weiter geht’s mit dem Bräunen.

So einfach kann also Sonnenschutz auch sein: Nicht man selbst achtet darauf, wie lange man sich in der Sonne aufhalten darf, das erledigt künftig ein Sensor am Bikini. Dieser misst die UV-Strahlung und Außentemperatur und sendet per Bluetooth die Daten an eine App auf dem Smartphone weiter. Auf ihr können der Hauttyp und die Sonnenbadegewohnheiten gespeichert werden. Wird ein eingestellter Grenzwert erreicht, schlägt der Sensor Alarm. Und nach dem Motto „Doppelt hält besser“, bietet die App in einer Zusatzfunktion an, auch dem Partner eine Meldung zu schicken – damit dieser der Liebsten den Rücken einschmiert.

Erfunden hat dies ein junges Start-up-Unternehmen namens Spinali Design aus dem elsässischen Mulhouse. Der Firmenchefin Marie Spinali kam die Idee für den intelligenten Badeanzug vor drei Jahren im Badeurlaub am Strand beim Anblick von Menschen, „die schon wie Hummer aussahen und trotzdem in der Sonne blieben“. Marie Spinali begann zu tüfteln – bis der Sensor 2015 Marktreife erlangte. Inzwischen gibt es die Badeanzüge für 149 Euro im Online-Shop zu bestellen, das Badetuch mit integriertem Sensor kostet 99 Euro.

Jährlich werden 875 000 Patienten wegen Hautkrebs behandelt

Doch wie sinnvoll ist es aus medizinischer Sicht, den Sonnenschutz einem Sensor zu überlassen? Tatsächlich lehnen Dermatologen solche Erfindungen nicht ab. „Solche UV-Sensoren an Bikinis oder in Fitnessarmbänder rücken zumindest das Thema Sonnenschutz noch stärker in das Bewusstsein der Leute“, sagt Malte-Christian Thode, leitender Oberarzt in der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum Stuttgart.

Das tut not: Befinden sich jährlich derzeit über 875 000 Patienten in Deutschland aufgrund einer Hautkrebserkrankung in Behandlung. Diese alarmierenden Zahlen gelten als Folge des Wunschs nach tiefer Bräune. Da könnte es nicht schaden, wenn Sonnenhungrige daran erinnert werden, auch mal aus der Sonne zu gehen, so Thode. Notfalls auch per SMS.

Die Eigenschutzzeit kann nur einmal pro Tag mit Sonnencreme verlängert werden

Das setzt allerdings voraus, dass der Sensor auch richtig angewendet wird. Hundertprozentig würde der Dermatologe sich daher nie auf einen Sensor verlassen. Zumal nicht jeder Mensch gleich viel UV-Licht verträgt. Auch die Funktion der App, die einen erinnern soll, sich nachzucremen, hält Thode für Quatsch: „Man kann mit Nachcremen die Eigenschutzzeit nicht verlängern.“ Lediglich diejenigen, die schwitzen oder schwimmen, sollten sich mehrmals nachcremen, um die Verlängerung ihrer Eigenschutzzeit durch die Sonnencreme aufrechtzuerhalten.

Ob die Sensoren wirklich zur Vorbeugung von noch mehr Hautkrebserkrankungen taugen, wird sich zeigen. Marie Spinali glaubt aber an den Erfolg der elektronischen Helferlein: Als Nächstes plant die Jungunternehmerin, Bademode für Männer und Kinder mit der intelligenten Sensortechnik auszustatten. Bei den Badehosen und Bikinis für die Jüngsten will sie sogar GPS-Chips einbauen lassen. Entfernen sich die Kinder weiter als 50 Meter von ihren Eltern, werden diese von der Smartphone-App gewarnt.