14 Bands treten beim Sommerfestival der Kulturen auf dem Marktplatz in Stuttgart auf. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie mit dem Programm. Foto: Forum der Kulturen

Sechs Tage, 14 Musikbands, mehr als 50 Stände von Migrantenvereinen, 80.000 erwartete Gäste: Das Sommerfestival der Kulturen auf dem Stuttgarter Marktplatz rückt die Migranten der Stadt in den Mittelpunkt, sagt Rolf Graser, Geschäftsführer des veranstaltenden Forums der Kulturen, im Interview.

Stuttgart - Sechs Tage, 14 Musikbands, mehr als 50 Stände von Migrantenvereinen, 80.000 erwartete Gäste: Das Sommerfestival der Kulturen auf dem Stuttgarter Marktplatz rückt die Migranten der Stadt in den Mittelpunkt, sagt Rolf Graser, Geschäftsführer des veranstaltenden Forums der Kulturen, im Interview.


Hallo Herr Graser, in Stuttgart gibt es bereits das Sommerfest, das Lichterfest und die Feste der einzelnen Stadtteile. Wozu braucht es noch das Sommerfestival der Kulturen? Warum noch ein Fest?
Das Sommerfestival ist das einzige Fest, bei dem die migrantische Bevölkerung Stuttgarts im Mittelpunkt steht. Es findet im Herzen der Stadt statt, auf dem Marktplatz, und macht deutlich, dass die Migranten und ihre Kulturen zu Stuttgart gehören. Es ist eine Wertschätzung der hier lebenden Kulturen. Gleichzeitig ist es ein Festival, das ein sehr hochwertiges Bühnenprogramm hat. Bei vielen anderen Festen steht das musikalische Programm eher an zweiter Stelle, es geht mehr ums gemütliche Beisammensein. Bei uns geht es nicht um Hinterhof-Folklore, hier findet etwas sehr Hochwertiges statt. Unser Bühnenprogramm kann, musikalisch gesehen, mit anderen Festivals wie dem Jazz Open gleichziehen.

Vom 16. bis 21. Juli erwarten Sie bis zu 80 000 Gäste. Woher kommt dieses großes Interesse an fremden Kulturen?
Die Stuttgarter Bevölkerung ist ja an sich kulturell stark durchmischt, 40 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Von daher sind die Stuttgarter an sich sehr offen für andere Kulturen. Wir erleben aber auch eine zunehmende Begeisterung für die sogenannte Weltmusik, weil sie musikalisch gesehen etwas Neues bietet.

Das Festival lebt auch vom großen ehrenamtlichen Engagement der Helfer. Wie bringen Sie diese Menschen dazu, sich jedes Jahr wieder zu beteiligen?
Alles hat seinen Ursprung in der Begeisterung des Publikums. Viele unserer Helfer waren jahrelang nur Zuschauer, dann haben sie sich gesagt: Das ist so ein tolles Festival, da will ich mithelfen. Die Helfer sehen auch, dass es sich beim Sommerfestival der Kulturen um etwas nicht kommerzielles handelt, niemand verdient etwas daran. Dieses Festival wird überhaupt erst möglich durch das große ehrenamtliche Engagement vieler Menschen.

Zweimal in dieser Woche muss das Sommerfestival ab- und wieder aufgebaut werden, weil dann jeweils der Wochenmarkt auf den Marktplatz kommt. Ist das nicht ein großes logistisches Hindernis?
Der Wochenmarkt spielt eine wichtige Rolle in der Stadt, und alle Parteien im Gemeinderat sehen das auch so. Auf der anderen Seite muss man die Frage nach einer Verlegung des Wochenmarkts in dieser Zeit stellen, denn das ist für alle Helfer des Sommerfestivals ein wahnsinniger Aufwand, bei dem man sich danach fragt: Wie habe ich das nur wieder hinbekommen?

Der ehemalige OB Wolfgang Schuster ist für seine Integrationspolitik immer wieder gelobt worden. Wie bewerten Sie seinen Nachfolger, Fritz Kuhn, bei diesem Thema?
Vor kurzem hat Kuhn eine Art Anhörung veranstaltet, indem er Migrations-Experten eingeladen hatte, um zuzuhören und herauszufinden: Wo drückt der Schuh? Wo muss sich etwas weiterentwickeln? Ich denke, das ist eine gute Politik, die Kuhn in Sachen Integration macht. Er ruht sich nicht auf den Lorbeeren aus . Es geht jetzt darum zu fragen: Wo liegen die Defizite? Wo liegen die Probleme? Wo fehlt die Chancengleichheit? Wo gibt es eine Ungleichbehandlung von Migranten und Nicht-Migranten? Dass man einfach danach schaut: Wo fehlt’s? Da hat der neue Oberbürgermeister Kuhn eigentlich ein recht offenes Ohr. Daraus müssen sich dann entsprechende Strategien ableiten, also, es darf dann nicht nur um Integrationspolitik an sich gehen, sondern man muss konkret dort ansetzen, wo es Probleme und Defizite gibt.

Wo gibt es denn Probleme und Defizite Ihrer Meinung nach?
Zum Beispiel im Bildungsbereich. Da sieht es immer noch so aus, dass im Bereich der Schulen, zum Beispiel bei den Übergangsquoten, eine echte Chancengleichheit zwischen Migranten- und Nichtmigranten nicht besteht. Und dann – das ist übrigens auch Thema beim Sommerfestival – gibt es immer noch die Schere im Kopf vieler Menschen. Vorurteile und latenter Rassismus sind Themen, die leider immer noch aktuell sind. Diese Themen zu beseitigen, daran müssen wir noch alle arbeiten.