Ein Kammerjäger Marc Paczoch macht die Wespen in ihrem Nest unschädlich Foto: factum/Granville

Sommerzeit bedeutet nicht nur Sonne, Badevergnügen oder Grillpartys. Es ist auch die Hochsaison der Wespen, die den Spaß schnell verderben. Bauen sie ihr Nest in der Nähe von Menschen oder verkleben sie damit den Rollladenkasten, hilft oft nur noch ein Kammerjäger.

Ludwigsburg - Es ist ein schwüler Sommertag. Unter dem Dach eines Mehrfamilienhauses in Ludwigsburg ist es vor Hitze kaum auszuhalten. Das Thermometer zeigt 52 Grad Celsius. Marc Paczoch trägt ein dunkles T-Shirt und eine kurze schwarze Hose. Wenige Sekunden nachdem er den Dachboden betreten hat, stehen ihm bereits die Schweißperlen auf der Stirn. Trotzdem zieht er sich noch etwas drüber: Der 32-Jährige schlüpft in einen Imkeranzug. Paczoch ist Kammerjäger – und von einer Hausverwaltung damit beauftragt worden, ein Wespennest zu entfernen.

Behutsam macht sich der Schädlingsbekämpfer erst ein Bild von der Lage, dann befüllt er seine Pistole mit einem speziellen weißen Pulver, einem sogenannten insektiziden Stäubemittel. Er schleicht sich vorsichtig in die Nähe des Nests, das an einem Ziegel hängt und ein bisschen größer ist als eine handelsübliche Honigmelone. Dann geht er in die Knie. Mit einem etwa 30 Zentimeter langen Aufsatz sticht Paczoch ins Nest und schießt das Pulver hinein. Es staubt. Mehrere Wespen, darunter die prächtige Königin, purzeln leblos auf die Spanholzplatten am Boden, andere versuchen sich zu retten und fliegen blitzschnell aus dem Nest. Paczoch sprüht ihnen mit einem Insektizidspray entgegen.

Die Wespen, die mit einem der Insektengifte in Kontakt gekommen sind, sterben. Nach etwa sechs Minuten sind sie alle tot. Paczoch nimmt das Nest ab, packt es in eine Plastiktüte und trägt an jener Stelle großflächig Schaum auf. „Für die Wespen, die nach ihrem morgendlichen Rundflug zurückkehren. Berühren sie den Schaum, sterben auch sie“, sagt der Experte. Die Nester sammelt der Kammerjäger über den Tag hinweg in seinem Auto, am Abend landen sie dann in einer Tonne.

„Es ist stressig in diesen Wochen, aber es macht auch Spaß“

Als alles erledigt ist, streift Paczoch den Imkeranzug ab, seine Haare sind klitschnass, das durchgeschwitzte T-Shirt klebt an seinem Rücken. Zurück am Auto bleibt nur Zeit, um kurz einen Schluck Wasser zu trinken und eine Zigarette zu rauchen. Dann sitzt er schon wieder am Steuer. Das Auftragsbuch ist voll, der nächste Auftraggeber wartet bereits. Und ständig klingelt das Telefon. „Es ist stressig in diesen Wochen, aber es macht auch Spaß“, sagt Paczoch.

Der Kornwestheimer hat sich vor acht Jahren mit einem Schädlingsbekämpfungsdienst selbstständig gemacht. Sein Lager steht in Stuttgart-Stammheim. Von dort aus fährt er zu Kunden in Stuttgart und der Region – manchmal sogar bis nach Heilbronn. Paczoch ist aber nicht nur Chef. Er ist auch sein eigener Sekretär, also derjenige, der die Anrufe entgegennimmt, die Termine koordiniert und seine zwei Mitarbeiter instruiert. In der Sommerzeit macht er das meist von unterwegs aus. Denn in der Regel ist er rund zwölf Stunden pro Tag im Einsatz. „Wir bieten auch einen Notdienst an, manchmal bekomme ich daher spätabends um 22 oder 23 Uhr noch einen Anruf“, sagt er.

Auch zwei andere Stuttgarter Kammerjäger, die beide namentlich nicht in der Zeitung erwähnt werden wollen, freuen sich über das florierende Geschäft mit den Wespen. „Ich habe großen Termindruck. 80 Prozent meiner Aufträge sind derzeit Wespennester“, sagt einer. Und der andere meint: „Es ist extrem. So schlimm wie dieses Jahr war es die vergangenen Jahre mit den Wespen nicht – wobei, für uns als Unternehmen ist das gut.“

Entfernung: Betrag liegt im unteren dreistelligen Bereich

Für die Entfernung eines Wespennests berechnen die meisten Dienste in der Region eine Pauschale. Der Betrag liegt im unteren dreistelligen Bereich. Die Wespensaison läuft etwa von April bis Oktober – bis die erste Frostnacht kommt.

Doch wie kommt es, dass viele Menschen den Eindruck gewinnen, es seien dieses Jahr mehr Westen als je zuvor? Im Sommer habe es oft den Anschein, als gebe es Unmengen von Wespen, erklärt der Vorsitzende des Naturschutzbunds (Nabu) Baden-Württemberg, André Baumann. Das liege daran, dass die Nester ihre volle Größe erreichen und die Tiere ausschwärmen, um ihre Brut zu versorgen. Und genau das ist durch die lang anhaltende Trockenheit in den vergangenen Wochen zum Problem geworden. „Das Futter wird knapp“, erklärt der Leiter des Landesamts für Bienenkunde, Peter Rosenkranz. Die Folge: Die Tiere bedienen sich, wenn Menschen auf dem Balkon frühstücken oder im Garten grillen, oder wildern in Bienenstöcken, statt sich in der freien Natur zu versorgen.

Der baden-württembergische Nabu-Chef Baumann weist zudem darauf hin, dass die Hitze auch den Insekten zusetzt. Viele Arbeiterinnen, die Luft ins Nest fächern, würden vor Erschöpfung sterben. Andere wirken, als flögen sie orientierungslos umher. Im allerschlimmsten Fall aus Sicht der Wespen verendet sogar ihre Brut.

Ein offen hängendes, frei zugängliches Nest wie jenes in Ludwigsburg ist den Kammerjägern am liebsten. Das kommt aber nicht so häufig vor. Besonders beliebt bei den schwarz-gelben Insekten seien Rollladenkästen und Fensterrahmen, sagt Schädlingsbekämpfer Paczoch. An diesen engen Stellen, an denen der Wespenjäger nicht so schnell flüchten kann, passiere es auch ab und zu, dass er gestochen wird. Es ist aber ein geringes Risiko. „Wenn man den Imkeranzug trägt, vorsichtig ist und ruhig bleibt, passiert eigentlich nichts“, sagt Paczoch, „einen hundertprozentigen Schutz haben wir aber auch trotz des Anzugs nicht.“ Stich hin oder her – am Ende hat der Kunde auf alle Fälle eine wespenfreie Zone.