Opernsänger Teru Yoshihara hat traditionelle japanische Gedichte musikalisch umgesetzt und vorgetragen. Kirchenmusiker Johannes Mayr improvisierte auf der Orgel. Foto: Müller-Baji

Der Opernsänger Teru Yoshihara und der Organist Johannes Mayr haben sich am Sonntag anlässlich der Solitude-Soiréen in der Kapelle von Schloss Solitude dem Haiku gewidmet.

Solitude - Bariton, Organist und zwei traditionelle japanische Künste – mit einer ungewöhnlichen Konstellation überraschte das Konzert der Veranstaltungsreihe Solitude Soiréen am vergangenen Sonntag. Das Ergebnis war voller Urgewalt und mitnichten so idyllisch, wie die ruhige, klare Bildsprache der Haiku hätte vermuten lassen. Als Haiku (scherzhafter Vers) wird eine extrem kurze, traditionelle Gedichtform Japans bezeichnet. Ihr Aufbau folgt strengen Regeln, umfasst fünf, sieben und dann wieder fünf Silben. Fast immer steht die Natur im Mittelpunkt, die auf ihre eigene Art die menschliche Stimmung widerspiegelt. Entsprechend folgte das Programm den Jahreszeiten, von den wild wirbelnden Kirschblüten im Frühjahr bis zu den „matt-weißen Schreien der Wildenten“ im Winter.

Den Auftakt bildete das bekannteste der japanischen Kurzgedichte: „Der alte Teich – ein Frosch springt hinein: Klang des Wassers“ von Matsuo Bashō (1644-1694). Wellen machte man mit einem Mal inmitten einer sperrigen Klangwelt aus, das Quaken eines Frosches. Bariton Teru Yoshihara rezitierte und sang, und Johannes Mayr entlockte der Kirchenorgel, was man kaum von ihr erwartete hätte: Etwa klanglich den Satz des Frosches in die kühlen Fluten nachzuvollziehen. Und später an diesem Nachmittag sollte gar eine aufmunternde Drehorgel in das Weinen eines Kindes hinein erklingen. Als Vermittler zwischen den Kulturen hat der Opernsänger Teru Yoshihara die traditionellen Gedichte musikalisch umgesetzt: „Das gibt es eigentlich nicht.“ In den 15 Jahren, die er in Deutschland lebe, sei in ihm der Wunsch gewachsen, die Traditionen seiner japanischen Heimat zu vermitteln – und das nicht nur hierzulande: „Ich habe bemerkt, dass viele junge Japaner gar nicht wissen, was ein Haiku ist.“ Für die Besucher der Solitude Soiréen ergaben sich so spannende Einblicke, nicht nur lyrischer und musikalischer Art. Ausgestellt waren in der Schlosskapelle auch Arbeiten der Kalligrafin Ichizu Hashimoto. Und auch die traditionelle japanische Kunst der Schönschrift sucht das Perfekte im Imperfekten darzustellen – und umgekehrt.

Wie kam es aber, dass die urgewaltigen Orgelimprovisationen von Kirchenmusiker Johannes Mayr wenig von den so zurückhaltend wirkenden japanischen Holzschnitten hatten? „Im Sommer regnet es in Japan praktisch ununterbrochen, die Wolken lasten schwer auf der Landschaft, hinzu kommt die extreme Hitze“ erklärt er. „Des Mairegens/Himmel lass herabstürzen, Ōi-Fluss“ hat Bashō dies in einem anderen Haiku beschrieben und die Orgel ließ dazu Wassermassen ins Bodenlose fallen. Und die Gäste hatten nach dem einstündigen Programm tatsächlich das Gefühl, einen kurzen, aber intensiven Einblick in eine fremde Welt getan zu haben.