Solarmodule vor blauem Himmel: Derzeit sieht es in der Branche nicht mehr so rosig aus Foto: dpa

Viele Solarfirmen in Deutschland schreiben rote Zahlen und müssen Mitarbeiter entlassen.

Stuttgart/Berlin - Man habe es versucht und gekämpft, „Geld damit zu verdienen“, sagte der Sprecher. Einzig: Es habe nichts genützt. Kurz vor Weihnachten kündigte BP, einer der größten Energiekonzerne der Welt, an, aus dem Solargeschäft auszusteigen. 30 Jahre lang hatte das britische Unternehmen auf Sonnenkraft gesetzt und zwischenzeitlich sogar seinen Namen von British Petroleum in Beyond Petroleum – also jenseits des Öls – geändert. Zuletzt habe man sich allerdings damit schwer getan, ausreichende Renditen im Solarbereich zu erzielen, ließ der Konzern mitteilen.

Was der britische Multi, dessen Gewinne trotz Solarengagement fast ausschließlich aus dem klassischen Ölgeschäft stammen, locker als unternehmerischen Ausrutscher abschreiben kann, ist für andere lebensbedrohlich. Enormer Kostendruck und massive Überkapazitäten haben der Solarbranche in den vergangenen Monaten stark zugesetzt. Reihenweise sind weltweit renommierte Unternehmen in die roten Zahlen gerutscht und sogar pleitegegangen.

Mit der Berliner Solon traf es Mitte Dezember einen der deutschen Branchenpioniere. Nachdem über neun Monate Verluste eingefahren wurden, ging der Firma, der 1998 als erste der Schritt aufs deutsche Börsenparkett gelang, die Puste aus.

Selbst Branchengrößen wie die Thalheimer Q-Cells, vor vier Jahren immerhin noch Solar-Weltmarktführer, oder Solarworld aus Bonn – heute die Nummer eins in Deutschland – sind angeschlagen. Beide Unternehmen kämpfen derzeit mit herben Einbrüchen beim Umsatz und roten Zahlen. Q-Cells will nun weite Teile der Produktion in Ostdeutschland abbauen und nach Asien verlagern. In Baden-Württemberg wird die Freiburger Solarfabrik das Jahr mit einem Verlust abschließen, die Konstanzer Sunways voraussichtlich ebenfalls. Der Traum von Deutschland als neuem Sonnenstaat scheint ausgeträumt.

Überproduktion und Billigkonkurrenz

Das Problem ist überall das gleiche. Während die Solarhersteller vor wenigen Jahren noch an der Kapazitätsgrenze arbeiteten, Silizium und Zellen oft knapp waren und die Kunden den Firmen die fertigen Produkte aus den Händen rissen, hat die Branche heute riesige Überkapazitäten aufgebaut. Mit etwa 50 Gigawatt Leistung – so viel wie 50 AKW ausstoßen – sind die weltweiten Kapazitäten der Zellfabriken derzeit mehr als doppelt so hoch wie die Nachfrage. Allein die deutsche Solarindustrie kann in ihren inländischen Fabriken jedes Jahr Solarzellen mit einer Leistung von etwa vier Gigawatt fertigen – ein Vielfaches dessen, was der Markt hergibt.

Als Folge stapelt sich die Ware in den Lagern. Um sie abzuverkaufen, nehmen die Firmen auch Niedrigstpreise in Kauf, was die Ertragskraft der Unternehmen zusätzlich schmälert. Allein 2011 sind die Modulpreise um rund ein Drittel gefallen. „Der Kostendruck ist enorm“, sagt denn auch Wolfgang Hummel, Leiter des Berliner Zentrums für Solarmarktforschung.

Die Asiaten geben im Solargeschäft den Ton an

Das einst von findigen Mittelständlern und deren High-Tech-Produkten dominierte Fotovoltaikgeschäft ist heute zu einem Massenmarkt geworden, in dem mit wenigen Ausnahmen die Asiaten den Ton angeben. Seit zwei bis drei Jahren überschwemmen Konzerne wie Suntech, Yingli oder Trina die Märkte mit Zellen und Modulen, dass vielen etablierten Herstellern in Europa oder den USA schwindelig wird. Da sich Haltbarkeit und Leistungsfähigkeit der kleinen Sonnenkraftwerke immer mehr angleichen, zählt als Verkaufsargument bei den Kunden zunehmend nur noch eines: der Preis – und hier hat Asien die Nase vorn. Wer etwa im November am Spotmarkt ein Watt Zell-Leistung aus China kaufte, zahlte dafür 85 Cent. Für ein deutsches Produkt waren nach Daten der Handelsplattform PV-Xchange satte 39 Prozent mehr fällig. Bei Standardmodulen komme man an Asien und speziell an China als Produktionsstandort nicht mehr vorbei, sagt Hummel. Die Produktionskosten seien dort eben erheblich günstiger. Dazu kommt, dass die Zellen in Asien in hochmodernen Riesenfabriken vom Band laufen, deren Ausstoß schon mal so hoch sein kann wie die gesamte Jahresproduktion eines der eher mittelständisch geprägten deutschen Unternehmen. Das drückt die Kosten pro Stück zusätzlich.

Doch die Probleme sind auch hausgemacht: Die deutschen Unternehmen hätten sich zu lange auf den staatlich stark subventionierten deutschen Markt verlassen, zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert und das Auslandsgeschäft vernachlässigt, sagen Kritiker.

Weltmarktanteil der Deutschen sinkt

Als Folge geraten die heimischen Firmen immer mehr ins Abseits. Betrug ihr Anteil am Weltmarkt nach Daten des Fachblatts „Photon“ im Jahr 2006 noch satte 20 Prozent, stammte 2010 nur noch jede zehnte Solarzelle aus Deutschland. Innerhalb von vier Jahren hat sich die Schlagkraft der hiesigen Sonnenstromer weltweit also halbiert. Selbst im deutschen Markt haben sie massiv Federn lassen müssen. Der Grund: Beim Blick auf die Preise einer deutschen Solaranlage entschieden sich die Kunden meist für ein ausländisches Produkt, sagen Installateure.

Kein Wunder, denn die Konkurrenz aus Fernost hat auch in puncto Qualität deutlich aufgeholt. Rund 80 Prozent der China-Zellen seien mittlerweile vom deutschen Tüv geprüft, sagt Fotovoltaikexperte Hummel. Renommierte Maschinenbauer wie Meyer-Burger, Roth und Rau, Manz aus Reutlingen, Rena aus Gütenbach oder Centrotherm aus Blaubeuren liefern die Produktionstechnologie nach Fernost.

Malaysia und China als neues Ziel

Viele Fachleute glauben denn auch, das Heil der deutschen Sonnenstromer liege in Asien. Tatsächlich verfestigt sich derzeit der Trend, der Zell- und Modulfertigung zwischen Kiel und Konstanz Ade zu sagen und Fabriken in Fernost zu errichten. Die schwer gebeutelte Q-Cells hat jüngst angekündigt, die Produktion in Bitterfeld-Wolfen deutlich zu kappen und nach Malaysia zu verlagern. Die Solar-Sparte des weltgrößten Automobilzulieferers Bosch baut derzeit für über einen halbe Milliarde Euro ebenfalls in Malaysia eine 640-Megawatt-Zellfabrik, die fast alle bisherigen Einzelinvestments des Konzerns in den Schatten stellt. Parallel sollen allerdings auch die Konzernstandorte um Erfurt ausgebaut werden.

Davon ist bei Schott Solar schon gar nicht mehr die Rede. Das Mainzer Unternehmen kündigte kurz vor Weihnachten an, die Produktion am Traditionsstandort Alzenau einzustellen und setzt stattdessen voll auf ein Joint Venture mit der chinesischen Firma Hareon. In Taicang bei Schanghai – in direkter Nachbarschaft vieler schwäbischer Maschinenbauer – sollen in Zukunft in großem Stil Solarmodule vom Band laufen.

In diesem Szenario bleibt für die deutschen Standorte wenig mehr als eine weltweite Forschungsabteilung mit angegliederter Testproduktion für Solarmodule.