Jürgen Kramny soll es beim VfB Stuttgart richten. Aber wie lange? Wirklich nur für das Spiel bei Borussia Dortmund? Foto: Getty Images

Beim VfB Stuttgart ist die Ära Alexander Zorniger nach nur 146 Tagen in Amt und Würden Geschichte. Zumindest für das Spiel an diesem Sonntag in Dortmund ist VfB II Trainer Jürgen Kramny der starke Mann an der Linie. Doch wer ist er eigentlich. Eine Spurensuche.

Stuttgart -Vom Regen in die Traufe? Könnte man meinen. Am Freitag jedenfalls verlor Jürgen Kramny mit dem Drittligateam des VfB Stuttgart nicht nur gegen Holstein Kiel – es regnete dabei auch in Strömen. Und nun soll er den Scherbenhaufen zusammenkehren, den Alexander Zorniger bei der Bundesligatruppe der Roten hinterlassen hat. Doch klar ist auch: Kramny wird sich sicher nicht beschweren.

Kramnys Lehrjahre in Mainz – mit Klopp und Tuchel

Auf die Chance, sich als Cheftrainer in der Bundesliga zu versuchen, wartet der 44-Jährige schließlich schon eine ganze Weile. Einst genoss er beim VfB die Ausbildung zum Profifußballer, zwei Jahre lang gehörte er zum Bundesligakader, später fand er nach Stationen in Nürnberg und Darmstadt beim FSV Mainz 05 seine sportliche Heimat. Als Spieler neben und unter Jürgen Klopp, dann als Nachwuchstrainer und Co-Trainer der ersten Mannschaft. Sein Nachfolger bei der Mainzer U19 war ein gewisser Thomas Tuchel. Im Sommer 2010 kehrte der Ludwigsburger zurück nach Stuttgart – mit ganz vielen neuen Eindrücken: „Unter Kloppo habe ich sehr viel mitbekommen“, sagte der frühere Mittelfeldspieler über den heutigen Coach des FC Liverpool. Geduld musste er sich aber selbst aneignen.

Schnell rückte Kramny beim VfB zwar von den A-Junioren als Co-Trainer zu den Profis auf. Als der damalige Chefcoach Jens Keller für Bruno Labbadia Platz machen musste, war das Kapitel Bundesliga aber auch für Kramny wieder beendet. Er kehrte zur A-Jugend zurück, wenige Monate später übernahm er die zweite Mannschaft des VfB, mit der er seitdem Jahr für Jahr den Klassenverbleib in der dritten Liga schaffte, was angesichts der hohen Fluktuation und Unerfahrenheit im Kader nicht hoch genug bewertet werden kann. Unter Kramny hat sich der VfB II als beste zweite Mannschaft Deutschlands etabliert. Hört man sich unter seinen ehemaligen oder aktuellen Spielern um, so erfährt man nur Gutes. Sein offener und ehrlicher Umgang, seine Geduld, der Respekt für Leistung und die Fähigkeit, Spieler gemäß ihrer Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen, machen ihn als Trainer aus.

Ergebnisorientierter Ausbilder mit Händchen für Talente

Das ist aller Ehren wert, uneingeschränkte Wertschätzung genoss der Fußballlehrer vereinsintern dennoch selten. Er spiele zu ergebnisorientiert und vernachlässige den Ausbildungsgedanken, hieß er immer wieder. Auch wenn Gegenbeispiele dies widerlegen.

Marvin Wanitzek, Antonio Rüdiger oder auch Rani Khedira machte Kramny fit für die erste Mannschaft, Spieler wie Sinan Gümüs (Galatasaray Istanbul), Robin Yalcin (Caykur Rizespor), Benedikt Röcker (SpVgg Greuther Fürth), Patrick Bauer (Charlton Athletic) oder Tim Leibold (1. FC Nürnberg) formte er zu Profifußballern. Der Vorwurf steht dennoch im Raum, auch in der Wahrnehmung der Fans hat Kramny nicht überall den besten Stand. Vielleicht auch deshalb musste er zähneknirschend hinnehmen, dass der VfB 2013 den B-Junioren-Trainer Thomas Schneider zum Cheftrainer beförderte und im Sommer dieses Jahres den im Oberhaus unerfahrenen Alexander Zorniger verpflichtete. Kramnys Anspruch lautet schließlich, „höchstmöglich zu arbeiten“. Nun hat er die Chance.

Zumindest übergangsweise darf er beweisen, dass er das Zeug zum Bundesligatrainer hat. Wie man eine solche Möglichkeit nutzt, hat unlängst der Gladbacher André Schubert bewiesen, der mittlerweile vom Interims- zum Cheftrainer befördert worden ist. Um 11 Uhr an diesem Mittwoch leitet Jürgen Kramny (Vertrag bis 2017) sein erstes Training – und wird bis zum Auswärtsspiel am Sonntag in Dortmund auch seine Erfahrungen aus der Zorniger-Ära einbringen. Das System des am Dienstag entlassenen Cheftrainers hatte er nach schwachem Saisonstart der zweiten Mannschaft auf die Bedürfnisse seines Teams angepasst – und danach in sechs Spielen elf Punkte geholt.