Preisgekrönt: Die Jufico-Gründer Albrecht Jud (links) und Gordon Findlay. Die beiden kennen sich seit der Studienzeit Foto: StN

Gordon Findlay und Albrecht Jud hatten eine gute Idee – Um damit Geld zu verdienen, haben sie zehn Jahre lang hart gearbeitet. Heraus kam Obst, das sogar Kinder mögen.

Stuttgart/Horb - Wie so oft steht am Ende die Frage, ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat. Gordon Findlay (43) und Albrecht Jud (44), die in ihrem Büro im Gewerbegebiet von Krailling westlich von München sitzen, erzählen von einer Szene in der S-Bahn. Eine Oma saß dort mit ihrem zweijährigen Enkel. Aus ihrer Tasche holte sie einen kleinen, bunt bemalten Quetschbeutel mit pürierten Früchten – hergestellt von der Firma der beiden Freunde. Das Kind schraubte den Deckel ab, setzte an und verputzte die flüssige Mischung aus Mango, Pfirsich und Banane in wenigen Schlucken. „Das zu beobachten war einfach toll“, sagt Findlay und schmunzelt zufrieden. Ihre Idee hat sich auf dem Markt endgültig durchgesetzt. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Vor zehn Jahren beschlossen der Schotte Gordon Findlay und der in Nagold aufgewachsene Schwabe Albrecht Jud, sich selbstständig zu machen. Die beiden hatten sich zuvor im Jahr 1996 während des Studiums zum „Master of Business Administration“ an der Cranfield University nördlich von London kennengelernt. Sie waren in einer Lerngruppe, mussten ein Jahr mit viel Druck zusammen überstehen. „Da hat man schnell gelernt, auf wen man sich verlassen kann“, sagt Findlay. Nach dem Studium lebten beide ein paar Jahre in London. Findlay arbeitete im Vertrieb eines Pharmaunternehmens, Jud als Unternehmensberater. So hätten beide auch weitermachen können, zumal sie Familien gründeten und diese versorgen mussten. Doch das reichte ihnen nicht. „Wir wollten etwas schaffen, worauf wir später stolz zurückblicken können“, erinnert sich Jud.

Der Erfolg ließ auf sich warten

Es war die Zeit, in der die hippen Bars und Coffeeshops der englischen Metropole mit Smoothies überschwemmt wurden, also mit Getränken aus püriertem Obst. In Deutschland waren die Gesundheitsdrinks noch völlig unbekannt. Findlay und Jud erkannten die Marktlücke, brachten die Idee über den Ärmelkanal. Zusammen mit einem dritten Geschäftspartner aus Juds schwäbischer Heimat bringen sie 120 000 Euro aus ihrem Privatvermögen ein, 250 000 kommen von Investoren, noch mal so viel von der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg. Die Firma Jufico, die Jud Findlay Company mit Sitz in Horb, ist gegründet. Beide Familien ziehen, der schönen Landschaft wegen, in die Nähe von München. Ein Safthersteller in Mönchengladbach liefert die ersten Proben, die in einem Münchner Café getestet werden. „Die Resonanz der Gäste war super“, sagt Jud.

Die Ochsentour startet. Eineinhalb Jahre lang klappern Findlay und Jud Kaffeebars in Deutschlands Großstädten wie Hamburg, Berlin und München ab, um an Kunden zu kommen. Nur einer von zehn kann sich für das neue Produkt erwärmen. „Wenn wir eine kleine Kette mit fünf Läden überzeugen konnten, war das schon ein großer Erfolg“, sagt Jud. Schließlich beliefern sie Ende 2005 die ersten 20 Kunden mit Smoothies. Bei einem Gewinn von 1,39 Euro pro Getränk waren Verluste zunächst einkalkuliert, doch nach einem halben Jahr sollte laut Geschäftsplan eine starke Wachstumsphase beginnen.

Die Wende kam 2009 – mit einer neuen Idee

Diese jedoch ließ auf sich warten. Stattdessen sind im Jahr 2007 bereits 15 Mitbewerber auf dem Markt, die Smoothies teilweise deutlich günstiger anbieten – darunter auch der Marktführer aus England. Hinzu kommen Qualitätsprobleme mit den Beuteln, in denen das Fruchtpüree angeliefert wurde. Püreehersteller und -abfüller schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Mit der Finanzkrise 2008 bricht der Markt völlig ein. „Es war ein Luxusprodukt, und darauf verzichten die Leute als Erstes“, sagt Findlay. Die Situation wird bedrohlich. Das Unternehmen steht mittlerweile mit einem Millionenbetrag in der Kreide, die Insolvenz droht. Der dritte Geschäftspartner kann den Druck nicht mehr aushalten, verlässt das Unternehmen. Auch Findlay gibt zu, dass er in dieser Zeit wochenlang schlecht geschlafen hat. Jud legt seinen Posten als Geschäftsführer nieder, will noch beratend tätig sein. „Wir mussten an unsere Familien denken.“

Die Wende kam im Jahr 2009 zum richtigen Zeitpunkt – in Form einer neuen Idee. Als Familienväter ärgerten sich Findlay und Jud immer, wenn das geschnittene Obst von den Söhnen und Töchtern verschmäht wurde. Deshalb wollen sie kleinen Kindern mit einem Trick zum täglichen Vitaminkick verhelfen: Reines Bio-Früchtekompott mit exotischen Geschmacksrichtungen in praktischen Beuteln als Snack für daheim oder unterwegs. Nochmals macht ein Investor 300 000 Euro locker, Findlay und Jud nehmen ein Darlehen auf. Sie finden in Italien eine Verpackungsfirma, die als eine von wenigen in Europa solche Alubeutel mit dem patentierten, von Babys nicht verschluckbaren Deckel überhaupt produzieren kann. Das Kompott aus biologisch angebauten Früchten wird in Betrieben in Italien und Spanien abgefüllt. Auch dies kann in Deutschland keiner.

Im Herbst 2010 fährt Findlay mit dem Zug nach Hannover. Im Gepäck hat er die ersten fertigen Fruchtbeutel, die er dem Chefeinkäufer der Drogeriemarktkette Rossmann präsentieren will. Der Schotte weiß: Wenn das nichts wird, ist es aus. Der Einkäufer schaut sich besorgt die Zahlen des Unternehmens an. Eine Stunde lang erzählt Findlay von der Idee, dann nickt der Rossmann-Vertreter und grinst: „Ich glaube, für Sie ist Weihnachten in diesem Jahr schon etwas früher.“ Außerdem können die beiden im selben Jahr noch einen Smoothies-Konkurrenten günstig übernehmen und schaffen es endlich, mit Edeka in den Einzelhandel zu kommen. „Das war reines Glück und die Wende“, sagt Jud.

Findlay und Jud beschäftigen fast ausschließlich Mütter

Anfang 2011 gehen die ersten 40  000 Beutel zu 400 Rossmann-Filialen – bunt bemalt von Findlay, der für das Produktdesign, Marketing und alles Kreative verantwortlich ist, während sich Jud um Zahlen und Organisation kümmert. Die Kunden sind begeistert, pro Sorte und Woche gehen 4500 Beutel weg. Wer die leeren Beutel nach Krailling schickt, bekommt kostenlos Taschen und Mäppchen, die in einer Behindertenwerkstatt genäht werden.

Von da an geht es steil bergauf. Auch der Drogeriemarkt dm listet das Produkt, hinzu kommen Supermärkte und Biomärkte wie Alnatura oder Basic. 2011 erwirtschaftet das Unternehmen Jufico mit Smoothies und Fruchtbeuteln erstmals einen kleinen Gewinn. Inzwischen läuft das Geschäft wie geschmiert, Umsatz und Gewinn legen pro Jahr um 100 Prozent zu. Findlay und Jud beschäftigten heute acht Mitarbeiter, fast ausschließlich Mütter, weil diese „fleißig und flexibel“ sind. Da stört es auch nicht, dass die Konkurrenz längst auf den Trichter gekommen ist. Der Babyspezialist Hipp hat die Fruchtbeutel kurz nach Jufico auf den Markt geworfen, die Eigenmarken der Drogeriemärkte zogen nach. „Im Lebensmittelbereich lässt sich nichts patentieren“, sagt Jud, der inzwischen wieder voll dabei ist.

Deshalb hilft nur, innovativer zu sein als die anderen. Jedes Jahr kreiert Findlay neue Fruchtmischungen, bringt Joghurt oder Hafer in die Beutel. Neueste Erfindung sind zwei kleine Löffel zum Aufschrauben, mit denen sich das Kompott ganz einfach an Babys füttern lässt. Neben püriertem Obst hat Jufico jetzt auch andere Snacks wie Fruchtchrunchies oder Fruchtgummi aus reinem Obstsaft im Programm. Auslandsmärkte wie Österreich sind bereits in Angriff genommen, China soll folgen. Dort sind deutsche Bio-Produkte besonders gefragt.

In der Mittagspause eines Arbeitstages sitzen Gordon Findlay und Albrecht Jud jetzt öfter bei Garnelenspieß und argentinischem Steak in ihrem Lieblingsrestaurant in der Nähe des Büros. Früher hätten die beiden Freunde sich das nicht leisten können. Jetzt aber genießen sie den Erfolg. „Bei allem, was wir durchgemacht haben, ist es schon ein Wunder, dass wir uns nie gestritten haben“, sagt Gordon Findlay und schaut hinüber zu Albrecht Jud. Der nickt und hebt das Glas Rotwein.