Smart-Chefin Annette Winkler mit Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Premiere der neuen Modellgeneration des Smart in Berlin Foto: dpa

Der neue Smart ist erstmals mit Renault entwickelt worden. Außerdem wagt Daimler wieder eine Viersitzer-Variante. Das Auto ist zum Erfolg verdammt. Annette Winkler bleibt trotzdem ganz entspannt.

Frau Winkler, die Reaktionen auf den neuen Smart in den sozialen Netzwerken sind eher durchwachsen . . .
Smart polarisiert, das ist richtig. Deshalb gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, je nachdem, wo man hinschaut. Und das muss auch so sein: Wir wollten wieder ein charaktervolles Stadtauto machen. Das ist uns gelungen. Die Reaktionen in der Presse waren äußerst positiv. Richtig ist, dass die Hardcore-Fans unterschiedlich reagiert haben. Allerdings haben die allermeisten das Auto noch nicht live gesehen. Beim Kulttreffen von Smart in Portugal vergangene Woche waren die rund 2400 Fans vor Ort begeistert, weil sie das Auto hautnah erlebt haben. Auch die Händlermeinung ist einhellig ausgesprochen positiv, unsere Partner wollen den Smart so schnell wie möglich.
Wie lange müssen sie denn noch warten?
Im November soll der Smart bei den Händlern stehen, bestellt werden kann er von den Kunden schon ab dem 31. Juli.
Fahren Sie auch schon ein neues Modell?
Im Moment ist mein Smart noch der „forjeremy“, ein Sondermodell des amerikanischen Mode-Designers Jeremy Scott mit Flügeln am Heck und elektrischem Antrieb, den ich mit größter Begeisterung fahre. In ein paar Wochen bekomme ich dann aber natürlich das neue Modell.
Der Smart ist erstmals zusammen mit Renault entwickelt worden, hat die gleiche Plattform wie der Twingo. Gab es da kulturelle Schwierigkeiten?
Wir waren Pioniere in der Zusammenarbeit mit Renault und sind stolz darauf, dass es so gut funktioniert hat. Es ist wie bei einer Weltmeisterschaft. Wenn man als Team ein großes Ziel hat, strengen sich alle an, die kulturelle Herkunft spielt dann kaum eine Rolle. Wir wollten zusammen das beste Stadtauto der Welt machen. Allerdings hat die Komplexität des Projekts die Aufgabe nicht leicht gemacht.
Was heißt das konkret?
Um nur ein konkretes Beispiel zu nennen: Wir haben im französischen Hambach, wo der Zweisitzer produziert wird, und dem Renault-Werk Novo Mesto in Slowenien zwei unterschiedliche IT-Systeme. Die musste man erst mal auf einen Nenner bringen, weil wir ja teilweise die gleichen Teile bestellen müssen.
Wie viel sparen Sie denn durch die Zusammenarbeit mit Renault ein?
Das lässt sich beim besten Willen nicht auf den Euro genau berechnen. Klar ist aber, dass wir es so geschafft haben, sehr wettbewerbsfähige Preise anzubieten. Der Zweisitzer startet wie sein Vorgänger bei rund 10 400 Euro, der Viersitzer kostet etwa 650 Euro mehr.
In einem Blog war zu lesen: „Oh je, eine Dacia-Schaltung“. Haben Sie Sorge, dass Kunden durch die Kooperation abgeschreckt werden könnten?
Nein. 95 Prozent der sichtbaren Teile sind spezifisch Smart. Auch wenn unter der Haube 60 bis 75 Prozent der Teile baugleich mit dem Twingo sind, so ist es doch ein Smart-Konzept geblieben. Er schaut so aus, er fühlt sich so an, er hat das einzigartige Raumgefühl, er fährt sich so. Nicht umsonst haben wir ja auch den Smart-typischen Heckantrieb beibehalten.
Kann ich meinen Smart eigentlich in Zukunft beim Renault-Händler reparieren lassen?
Nein, ein Smart bleibt ein Smart, ein Renault bleibt ein Renault.
Der Twingo sieht auch pfiffig aus und startet unter 10 000 Euro, was macht Sie zuversichtlich, dass sich der Viersitzer besser verkauft als beim ersten Anlauf vor zehn Jahren?
Sie müssen sich den Smart genau anschauen. Neben dem typischen Design ist es ein sehr wertiges Auto, wir haben innen große, wunderschöne Textiloberflächen, das beste Verhältnis von Außenmaßen und Innenraum. Die hinteren Türen beim Viersitzer lassen sich fast bis 90 Grad öffnen, was das Beladen erleichtert. Die Rücksitze können leicht versenkt werden, so dass eine einmalig große Ladehöhe und -fläche entsteht.
Reicht das?
Es sind noch viele Dinge mehr, mit denen die Fahrzeuge unseren Kunden das Leben in der Stadt leichter machen. Dazu gehört auch unser Konzept mit speziellen Smart-Parkplätzen, der kostenlosen Anmeldung für das Carsharing Car2go oder die Kooperation mit vielen Apcoa-Parkhäusern, wo Smart-Besitzer keinen Parkschein brauchen, sondern ganz einfach mittels Chip ein- und ausfahren können. Die Gebühr wird dann bequem elektronisch bezahlt.
Zuletzt haben Sie etwa 100 000 Smart pro Jahr verkauft, was für einen Absatz erwarten Sie jetzt?
Ich werde keine konkrete Zahl nennen, aber wir erwarten ein starkes Wachstum für die Marke Smart, wobei wir schätzen, dass sich Zwei- und Viersitzer etwa im Verhältnis von 2:1 verkaufen dürften. Allerdings ist der Smart ja nicht sofort in allen Ländern verfügbar. Das erste volle Jahr ist für uns 2016.
Wo sehen Sie noch Potenzial?
Wir wollen uns beim Vertrieb nicht mehr nur auf große Märkte konzentrieren, sondern tatsächlich immer mehr auch auf einzelne Städte. Natürlich ist der Smart in Metropolen wie Berlin, Rom oder San Francisco zu Hause. Aber auch Nanjing mit achteinhalb Millionen Einwohnern ist inzwischen eine Hochburg geworden. Vor allem in China gibt es noch viele weiße Flecken auf der Landkarte. Nur ein Beispiel: Wenn wir die Dichte an Smart-Zweisitzern von Paris auf Schanghai übertragen könnten, dann wären das 160  000 Stück. Daran sieht man, wie viel Potenzial wir noch haben und wie viel Luft nach oben es für unsere Marke noch gibt.
Ein erklecklicher Teil des Smart-Absatzes geht inzwischen in das Carsharing-Projekt Car2go. Machen Sie den Leuten da nicht klar, dass Sie eigentlich kein Auto mehr brauchen?
Car2go nimmt uns keine Kunden weg. Diejenigen, die Car2go nutzen und grundsätzlich auch ein Auto besitzen wollen würden, kaufen irgendwann vielleicht tatsächlich einen Smart. Die anderen wollen bewusst kein eigenes Stadtauto haben, diese Gruppe könnten wir ohne Car2go gar nicht erreichen.
Zum Konzept des Stadtautos gehört auch der Elektroantrieb, warum ist der neue Smart noch nicht mit E-Antrieb verfügbar?
Der neue Smart wird 2016 mit Elektroantrieb auf den Markt kommen, vorerst produzieren wir die aktuelle Generation weiter, die ja gerade erst vor zwei Jahren gestartet ist. Der E-Smart war im vergangenen Jahr Marktführer in Deutschland. Die Kundenzufriedenheit ist so hoch wie bei kaum einem anderen Auto.
Trotzdem tut sich der Elektroantrieb in Deutschland schwer . . .
Ich bin sicher, dass sich diese Form des Antriebs in den Städten durchsetzen wird, insbesondere wenn das Netz an Ladestationen besser ausgebaut wird. Deshalb ist unser Car2go-Projekt mit E-Smarts in Stuttgart so wertvoll. Wir schaffen nicht nur Infrastruktur, sondern zeigen den Menschen auch, dass ein Elektroantrieb extrem viel Spaß macht. Ich fahre aus Überzeugung elektrisch, in der Stadt ist das einfach genial.
Welche Ableger dürfen die Kunden abgesehen vom Elektroantrieb noch erwarten?
Das Cabrio wird 2016 auf den Markt kommen. Ansonsten haben wir viele Ideen, aber noch keine konkreten Pläne.
Der Smart war viele Jahre ein Verlustbringer, die neue Generation ist zum Erfolg verdammt. Spüren Sie Druck?
Ich bin Überzeugungstäter, deshalb bin ich zuversichtlich und sehr entschlossen. Ich spüre einen enormen Willen bei mir selbst und der ganzen Mannschaft. Und ich spüre sehr viel Rückenwind. Die Urbanisierung ist Fakt geworden, die Zeit ist reif für den Smart.
Was wird aus Ihnen, wenn der Smart ein großer Erfolg wird?
Ich will Chefin von Smart bleiben. Ich habe hier meine Traumaufgabe gefunden.
Was wird aus Ihnen, wenn der Smart kein Erfolg wird?
Das habe ich nicht auf dem Plan.