Lady Vivtoria Valente arbeitet seit acht Jahren als Domina Foto: MH Skoele Photography

Seit der Verfilmung des Romanerfolgs „Fifty Shades of Grey“ wird das Thema Sadomasochismus heiß diskutiert. Doch ist das Phänomen wirklich so neu? Lady Victoria Valente arbeitet seit acht Jahren als Domina in Stuttgart und sagt, dass Lustgewinn durch Macht und Unterwerfung schon immer weit verbreitet ist.

Stuttgart - Lady Victoria Valente, rennen Ihnen seit dem Filmstart von „Fifty Shades of Grey“ Kunden die Tür ein, die plötzlich Sadomaso für sich entdeckt haben?
Nein, das nicht. Die Zahl der Menschen in Stuttgart, die ein Sadomasostudio besuchen, ist seit acht Jahren, als ich meine Leidenschaft zur Profession gemacht habe, ungefähr gleich geblieben. Dabei ist Stuttgart im Bundesgebiet schon viel länger eine Hochburg für Fetisch- und Sadomasofreunde. Die Community, die auch auf Fetischpartys geht, umfasst etwa 200 bis 300 Personen. Das zieht auch Leute von weit her an.
In der Öffentlichkeit bemerkt man davon allerdings wenig.
Das stimmt. SM ist leider immer noch ein Tabuthema. Die wenigsten outen sich. SM ist aber auch etwas ganz Intimes, das man sicher nicht jedem auf die Nase binden muss. Vielleicht tragen sowohl die Bücher als auch der Film mit dem Titel „Fifty Shades of Grey“ ein wenig zu mehr Akzeptanz für das Thema bei. Auch wenn dies eine wirre Liebesgeschichte ist, die mit der Realität herzlich wenig zu hat.
Wie sehen Sadomaso-Beziehungen denn in Wahrheit aus?
Jedenfalls nicht so: Christian Grey, die männliche Hauptfigur in „Fifty Shades of Grey“, ein Milliardär, der ursprünglich bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren als Sklave missbraucht wurde und jetzt versucht, eine unerfahrene Jungfrau zur Sklavin zu machen – da geht es doch um psychische Störungen und Wirrungen. Das hat mit SM nichts zu tun. Viel besser transportiert der leider viel weniger beachtete Film „My Mistress“ das Thema. Eine Liebesgeschichte zwischen einem 16-Jährigen, der den Verlust seines Vaters zu überwinden versucht, nachdem dieser sich erhängt hat, und einer Domina, die in seinen Vorort zieht. Die ist da schon viel realistischer.
Inwiefern?
Der junge Mann findet im Schmerz eine Art Ventil, mit dem Verlust des Vaters umzugehen. Außerdem zeigt der Film auch den Arbeitsalltag einer Domina auf realistische Weise – und die Komplikationen, die Liebesbeziehungen in einem solchen Kontext mit sich bringen, da sie gesellschaftlich nicht akzeptiert sind.
Klingt so, als hätten Sie selbst diese Erfahrung gemacht.
Zum Glück hat mein familiäres und berufliches Umfeld meinen Entschluss, als Domina zu arbeiten, sehr entspannt aufgefasst – auch diejenigen, die mit SM nichts am Hut haben. Problematisch wird es eher dann, wenn meine Gäste Geschäftliches und Privates bisweilen nicht auseinanderhalten können. Es kommt zwar nicht oft vor, aber manchmal verliebt sich ein Gast in einen.
Haben Sie sonst noch schlechte Erfahrungen in Ihrem Beruf gemacht?
Kaum. Ich tue ja auch nur, was mir selbst Spaß macht, und das spürt der Gast. Ich bin authentisch und kompetent, kann auf die Bedürfnisse des Gastes eingehen. Das ist wichtig und verhindert Frust im Beruf.
Die amerikanische Soziologin Eva Illouz sagt, dass „Treue in moderne Beziehungen nicht mehr eingeschrieben“ sei und deutet den Erfolg von „Fifty Shades of Grey“ so, dass sich viele nach klaren Rollen sehnen, so wie bei den Protagonisten in E. L. James’ Roman beschrieben.
Die klare Rollenverteilung kann in der Tat eine große Bereicherung für Beziehungen sein. Es gibt kaum etwas, bei dem man sich so gut fallen lassen kann. Außerdem gibt es beim Spiel mit Macht und Unterwerfung etwas Unbezahlbares: Das Vertrauen, das man dort finden kann, ist in SM-Beziehungen das Wichtigste.
„BDSM ist die Ausformung des seltensten aller Güter: Vertrauen“, hat Illouz das sehr ähnlich formuliert. Aber bei Ihnen geht es weniger um Beziehungen als mehr um eine Dienstleistung. Was erhoffen sich Ihre Gäste von Ihnen?
Männer, die mich besuchen, haben häufig ungewöhnliche Fantasien, die sie ausleben wollen. Oft ist das über Jahre lang gewachsen. Manche haben nur eine sehr vage Vorstellung von dem, was ich erfüllen könnte – andere schicken mir ganze Drehbücher, die ich teilweise für besser halte als das, was in „Fifty Shades of Grey“ zu lesen ist. Vielen ist gemein, dass sie im Berufsleben viel Verantwortung haben und Entscheidungsträger sind.
Das Klischee vom Manager, der sonst das Sagen hat und dann und wann mal die Rollen tauschen und die Verantwortung abgeben will, trifft also zu?
Ja. Aber nicht nur Manager geben bei mir die Verantwortung ab. Es kommen auch Männer in ganz normalen beruflichen Positionen zu mir. Meiner Erfahrung nach zieht sich das Verlangen nach SM quer durch die Gesellschaft. Ich bin auch der Meinung, dass das zu einem nicht unerheblichen Teil einfach Veranlagungssache ist.
Sie sagten, Sadomaso habe viel mit Veranlagungen zu tun. Wissenschaftliche Studien zu dem Thema driften aber ziemlich auseinander. Ältere Schätzungen über den Anteil sexueller Vorlieben aus dem Bereich SM in der Bevölkerung reichen von fünf bis 25 Prozent. Eine aktuelle Studie, die neulich im „Stern“ thematisiert wurde, geht von einem noch höheren Prozentsatz aus.
Mich erstaunt das Ergebnis der Studie im „Stern“ nicht. Einen großen Anteil, dass sich Menschen ihrer Neigungen bewusst werden, leistet sicher das Internet und der dort kostenlose Zugang zu Pornografie, in der jede Art von Fetisch thematisiert wird. Dennoch braucht man deswegen nicht glauben, dass man als Domina super einfach Geld verdienen kann, wie die weit verbreitete Meinung herrscht.
Bei den in der Branche üblichen 200 Euro aufwärts auf die Stunde?
Erst mal muss man sich ja auf jede Session vorbereiten, es gibt auch immer ein Vor- und ein Nachgespräch. Außerdem ist die Konkurrenz groß. Wie gesagt: Die Gäste sind heute anspruchsvoll, ein zufriedener Gast kommt wieder. Ich nehme mir viel Zeit für meine Gäste, sie werden von mir schon verwöhnt! Mit den pornografischen Darstellungen von SM im Internet ist auch der Anspruch der Kunden gewachsen.
Auch Sie produzieren Filme. Für jemanden, der keine solchen Fantasien hat, wirken manche Darstellungen recht drastisch.
Wer so etwas nicht mag, braucht es ja auch nicht anzuschauen. In meinen Filmen gehe ich auf einige Fetische und SM-Handlungen ein, jeder Käufer kann sich das aussuchen, was speziell ihn anspricht. Alle Beteiligten handeln freiwillig. Die echte Gewalt spielt sich draußen ab – nicht bei mir im Studio.