In einem der drei neuen Werbevideos der SSB hat sich der Protagonist einen Raketenrucksack gebaut, um in die Stadt zu fliegen – am Ende sitzt er in der Stadtbahn. Foto: Youtube_ssbStuttgart

In der Vergangenheit ist die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) mit ihren Werbekampagnen nicht sonderlich aufgefallen. Nun versucht es die Marketingabteilung mit einer neuen Methode: Slapstick.

Stuttgart - Bus und Bahn haben in der Regel kein gutes Image. Vielmehr gelten sie als Daueraufreger. Bei Verspätungen und Zugausfällen ist die Toleranz vieler Menschen begrenzt. In Stuttgart ist das nicht anders. Auch die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wird mit der üblichen Kritik konfrontiert: unpünktlich, zu teuer, zu unregelmäßig.

Dabei sprechen die Zahlen für sich: Die Stadtbahnen in Stuttgart sind ein rege genutztes Verkehrsmittel. Im vergangenen Jahr hatte die SSB knapp 178 Millionen Fahrten. Das sind immerhin fast eine halbe Million Fahrten am Tag. Die Bahnen sind – vor allem zu Stoßzeiten – gut gefüllt.

Es ist und bleibt eine Hassliebe, die von einer guten Marketingabteilung im Zaum gehalten werden muss. In ihrer jüngsten Kampagne versucht es die SSB nun mit Humor. Seit dieser Woche laufen Kurzfilme auf Facebook, Youtube und als Onlinewerbung. Die Hauptfigur in den Videos ist „Herbert“, ein schwäbischer Tüftler, der seine eigenen Erfindungen nutzt, um zur Arbeit zu kommen.

Marketingabteilung der SSB versucht etwas Neues

In einem der insgesamt drei Werbevideos bewegt sich ein schick gekleideter Mann – eben dieser Herbert – unbeholfen auf Rollschuhen. Auf dem Kopf trägt er einen Helm, auf dem Rücken einen Rucksack. Eine Kinderstimme flüstert „Wo will der hin?“. Schließlich entzündet der Mann Schnüre – offensichtlich versucht er mit seinem Raketenrucksack abzuheben – und scheitert. Es knallt, zischt, dann fliegen die Funken.

Am Ende brennt der Rucksack und der Mann versucht das Feuer mit seinem Aktenkoffer zu ersticken. Dann wird ein Schriftzug eingeblendet: „Der beste Weg in die Stadt ist die SSB“. Mit Ruß im Gesicht und einem noch qualmenden Rucksack auf dem Rücken steht der Mann schließlich in einer Stuttgarter Stadtbahn. Wieder eine Blende: „Bequem, schnell und ohne Stress“.

In der Vergangenheit ist die SSB mit ihren Werbekampagnen nicht sonderlich aufgefallen. Filme mit den Comicfiguren Oma Erna und Enkel Max, die fröhlich winkend mit einer Stadtbahn am Stau vorbeifahren, haben auf Facebook wenig bis Null Resonanz. Die jüngste Kampagne hingegen wird auf Facebook bisher überwiegend positiv angenommen und kommentiert – und ist schon 100 Mal mehr geteilt worden, als das alte Comic-Video.

„Wir haben uns überlegt, wie wir es schaffen, für die SSB und den guten Nahverkehr in Stuttgart Aufmerksamkeit zu bekommen“, berichtet Ramona Krauß von der Marketingabteilung der SSB. Dabei sollte es aber nicht um die klassischen Aussagen gehen. „Ohne Stau in die Stadt“ und „keine Parkplatzsuche“ – das wüssten die meisten, würden aber trotzdem das Auto wählen. „Wir wollten zeigen, dass es natürlich möglich ist, mit anderen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein“, erklärt Krauß. Dabei habe man bewusst ungewöhnliche „Verkehrsmittel“ gewählt.

User zeigen Interesse am Making-of

„Filme sind auf Facebook immer mehr gefragt und langweilig darf es nicht sein, sonst erreicht man seine Zielgruppe nicht“, erklärt Krauß die Überlegungen zu den aktuellen Werbevideos, die an zwei Tagen in der Nähe des Kräherwaldes gedreht wurden.

In einem weiteren Video versucht sich der Protagonist mit einem selbst gebauten Katapult in die Stadt zu befördern – und scheitert auch daran. Die Botschaft, die in Erinnerung bleiben soll ist: „Der beste Weg und vor allem bequemste Weg ist die SSB“, so Krauß.

„Die Rückmeldungen sind bisher sehr positiv und wir freuen uns, dass die Filme so gut ankommen“, erklärt Krauß. Im dritten Video steht Herbert mit Helm und Wingsuit auf einem Balkon – auch diese Erfindung scheitert und er landet kopfüber im Garten, statt wie geplant in die Stadt zu fliegen.

Da laut SSB ein großes Interesse an den Hintergründen zu den Filmen besteht, verrät Krauß: „Im Making-of, das bald gezeigt wird, wird dann auch aufgelöst wie die Stunts entstanden sind“.

Stuttgarter Videos erinnern an BVG-Kampagnen

Doch die Kurzfilme gefallen längst nicht jedem. Manche nutzen die Gelegenheit, um ihren Frust loszuwerden. Jakob R. schreibt auf Facebook: „Da sieht man wunderbar, was Menschen auf sich nehmen, nur um nicht mit den Öffentlichen fahren zu müssen. Kann ich verstehen. Kommt auf diese Weise bestimmt pünktlicher an, wenn er sich umzieht und vom Notarzt behandeln lässt, als mit der SSB direkt zu fahren.“

Einige User fühlen sich an die humorvollen Kampagnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erinnert, die für ihre Social-Media-Leistung schon Preise gewonnen haben. Darauf angesprochen erklärt Krauß, die Stuttgarter Kampagne sei nicht an die BVG-Filmstrategie angelehnt: „Wir Schwaben sind ganz alleine auf die Idee gekommen, einmal einen anderen Weg zu gehen und das Thema Nahverkehr mit Humor und einem Augenzwinkern anzugehen“, heißt es.