Nur ein Trend unter vielen ist Slacklining schon lange nicht mehr, der etwas andere Drahtseilakt hat sich als Sport etabliert. Foto: dapd

Slacklining hat seine Wurzeln auch in Stuttgart – jetzt wollen die Pioniere einen Park für ihren Sport.

Stuttgart - Nein, begeistert war Robert Käding ganz sicher nicht, als er zum ersten Mal von Slacklining hörte. Es muss 2006 gewesen sein, als der heute 34-Jährige, damals noch Produktdesigner für ein Stuttgarter Unternehmen, das erste Mal mit dem Sport in Berührung kam. „Meine erste Reaktion war: Nicht schon wieder ein Trend!“, erzählt er. Kein Wunder: In seinem Job hatte der Stuttgarter damals schließlich ständig mit Modeerscheinungen zu tun – und wurde dennoch vom Slackline-Fieber infiziert: „Ein Kumpel aus Australien hatte damals die Line mitgebracht, und mich hat’s gefuchst, dass er das konnte und ich nicht.“

Der Ehrgeiz war geweckt, eine gute Idee hatte Käding obendrauf: Mittlerweile verdient er sein Geld mit dem Balance-Akt auf der Line. Als Geschäftsführer einer Stuttgarter Firma, die Slacklining-Zubehör in 54 Länder verkauft, ist er mittlerweile ein richtiger Experte auf dem Gebiet. Und noch etwas hat sich seitdem verändert: Der Sport ist längst kein Trend mehr. „Ein Trend ist für mich etwas relativ Kurzlebiges“, erklärt Philipp Freudigmann. Er ist ein Freund von Robert Käding und ebenfalls Pionier in Sachen Slacklining. Seine These begründet er mit harten Fakten: „Wir verkaufen jetzt seit fünf Jahren, unsere Verkaufszahlen gehen ungebrochen und stetig nach oben.“

Begeisterung weckt der Sport, den die beiden betreiben, aber noch immer: Im Stuttgarter Stadtgarten, auf dem Universitäts-Campus Stadtmitte, haben sie ihre Line aufgebaut. Und wenn sich Freudigmann, Käding und dessen Partnerin Caroline Wood im Wechsel auf dem wahnsinnig straff gespannten Band versuchen, unterbrechen viele ihren Sonntagsspaziergang. Fahrradfahrer halten an und schauen mehrere Minuten lang staunend zu, ein älterer Herr guckt zuerst skeptisch und applaudiert dann spontan, als sich Philipp Freudigmann mit dem Bauch auf die Line fallen lässt und im nächsten Moment wieder sicher auf dem Band steht. „Danke“, ruft der 34-Jährige dem begeisterten Zuschauer zu, „aber bei der WM komme ich damit nicht weit. Da machen die Rückwärtssaltos und alles Mögliche.“

„Es ist ein Community-Sport“

Natürlich sind die beiden Stuttgarter, die vor gut einem Jahr auch einen Weltverband, die World Slackline Federation, gegründet haben, auch dann dabei, wenn sich die besten Slackliner der Welt messen. Für Slacklining als Freizeitvergnügen werben sie aber mit mindestens genauso viel Herzblut. „Es ist ein Community-Sport“, sagt Geschäftsführer Käding, „die Slackline ist der Treffpunkt. Und man steht dann auch nicht den ganzen Nachmittag auf der Line, sondern trifft sich, unterhält sich oder grillt nebenbei.“ Freudigmann ergänzt: „Der Sport hat viele Vorteile: Man muss sich nicht an einen Verein binden, und die Kosten für Einsteiger sind relativ günstig, eine passable Startausrüstung gibt es schon für 60 Euro. Und man kann das Sportgerät überall aufstellen – man braucht nur zwei Bäume.“

Genau das kann aber auch das Problem sein. In Stuttgart ist das Aufspannen von Slacklines verboten, lediglich im Stadtgarten gibt es Bäume, die im Rahmen einer Studie für den Sport genutzt werden dürfen. „Es gibt Bedenken, dass das Kambium, die Baumschicht unter der Rinde, geschädigt werden könnte“, erklärt Käding, „das ist ein sensibles Thema, und wir respektieren es.“

Traum von einem Slacklining-Park, am besten im Stadtgarten

In seinen Plänen könnte das Thema in der Stadt bald ohnehin obsolet werden: Er träumt von einem Slacklining-Park, am besten im Stadtgarten, dort, wo die Sportart schon heimisch ist. Der Aufwand dafür wäre überschaubar: Zehn einbetonierte Holzpfosten, rechnen die beiden Slacklining-Pioniere vor, wären schon ein sinnvoller Anfang, für die Gestaltung des Geländes könnten sie selbst verantwortlich zeichnen: „Wir haben solche Parks auf der ganzen Welt gebaut. Im Stadtgarten sind an schönen Nachmittagen acht oder zehn Slacklines aufgebaut. Der Bedarf ist also da und groß“, sagt Käding, dem wichtig ist, dass so ein Park von Slacklinern für Slackliner eingerichtet wird. „Wir möchten ihn so konstruieren, dass er für alle was bietet – für Anfänger, für Trickliner und für Longliner, die Distanzen von 30 oder 40 Meter überwinden.“

Die Ideen sind also da, „erste sporadische Gespräche mit der Stadt“, sagt Robert Käding, gab es auch schon. Und wer weiß? Vielleicht verlegen schon in naher Zukunft viele Familien den Sonntagsspaziergang in die Nähe des Slacklining-Parks im Stadtgarten – um dort über die vielen Kunststücke der etwas anderen Seilartisten zu staunen.