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Manipulationen an Geldautomaten: 36-jähriger Rumäne packt vor Gericht über Computersabotage aus.

Stuttgart - Polizei, Banken und Medien warnen unablässig - trotzdem geht der Schaden in die Millionen und steigt weiter. Das Ausspähen von Daten an Geldautomaten, Skimming genannt, hat nach wie vor atemberaubende Zuwachsraten. Ein 36-jähriger Rumäne erzählt vor Gericht, wie er rekrutiert wurde.

"Ich hatte alles verloren und wusste nicht mehr, wie ich meine Frau und mein Kind durchbringen sollte", sagt Nicolai C. (Name geändert). Der 36-jährige Rumäne aus einer Stadt in Siebenbürgen sitzt auf der Anklagebank vor der 17. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Er hat gestanden, Mitglied einer rumänischen Bande zu sein, die im Großraum Stuttgart Daten von Bankkunden ausgespäht hat.

PIN wird mit Mini-Kamera ausgespäht

Mit den Informationen stellten die Täter falsche Karten her und hoben insgesamt fast 140.000 Euro ab. Die Konten der Opfer wurden und werden dabei fast immer im Ausland geplündert, weil die falschen Karten von deutschen Geldautomaten erkannt werden. Wie gut die Banden vernetzt sind, zeigt schon die Tatsache, dass kurz nach dem Ausspähen der Daten in diesem Fall in Italien, England und Rumänien Geld abgehoben wurde - quasi im Minutentakt.

Der Angeklagte, der seine Komplizen bisher nur mit Vornamen benannt hat, war von April 2009 bis zu seiner Festnahme Ende Mai 2010 dafür zuständig, die Bankomaten zu präparieren. Er manipulierte das Tastenfeld und installierte Minivideokameras, mit denen die PIN ausgespäht wurde.

Allein von Januar bis Juni 2010 wurden bundesweit 1927 Attacken, verteilt auf 1073 Geldautomaten, registriert, teilt das Bundeskriminalamt (BKA) mit. "In den ersten sechs Monaten des Jahres 2010 wurden damit bereits nahezu die Fallzahlen des gesamten Vorjahres erreicht. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland insgesamt 2058 entsprechende Attacken registriert", so ein BKA-Sprecher. Der in den letzten Jahren festgestellte Trend, wonach einzelne Geldautomaten mehrfach attackiert werden, habe sich auch im ersten Halbjahr 2010 fortgesetzt.

Die Köpfe sollen Ex-Geheimdienstler sein

Insgesamt steigt die Zahl der Manipulationen von Geldautomaten in Deutschland seit 2001 kontinuierlich. Schwerpunkte der Geldautomaten-Manipulationen liegen laut BKA in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin. Die Polizei hat ein Täterprofil erstellt: Die Akteure seien sehr beweglich, reisten aus dem Ausland an und stünden in ständigem Austausch untereinander. Es heißt, die Köpfe seien fast alle Ex-Geheimdienstler etwa aus Rumänien, die sich mit Datenklau auskennen.

Ob dies auch auf den Chef der Bande zutrifft, zu der der Angeklagte gehört, ist unklar. Jedenfalls scheint der Hintermann zu wissen, wie er seine Handlanger rekrutieren kann.

Schulden in Deutschland abarbeiten

Nicolai C. hat in seiner Heimatstadt Lackierer gelernt, stieg dann aber ins Grundstücksgeschäft ein. Als in Rumänien 2006 ein Bauboom einsetzte, sattelte er aufs Betongeschäft um, wofür er einen Kredit aufnahm. Ende 2008 erwischte ihn die Finanzkrise, er konnte sein Darlehen nicht mehr bedienen und verlor alles. Um über die Runden zu kommen, lieh er sich von einem privaten Geldvermittler 10.000 Euro - mit absurd hohen Zinsen. Dieser Kredithai setzte ihn immer mehr unter Druck und bot Nicolai C. schließlich an, in Deutschland seine Schulden abarbeiten zu können. "Um was es ging, habe ich erst in Deutschland erfahren", sagt der Familienvater.

In Rastatt, Nürtingen, Schwäbisch Hall, Kirchheim/Teck und zweimal in Stuttgart - an der Filderbahnstraße und der Haußmannstraße - manipulierte er Bankomaten. Die Bande fälschte insgesamt 132 Karten, mit denen sie im Ausland bei 391 Abhebungen knapp 140.000 Euro erbeutete. Deshalb muss sich der 36-Jährige wegen Computersabotage, wegen der Fälschung von Zahlungskarten und wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Weil er umfassend geständig ist, wird er wohl einen Strafrabatt bekommen. Der nächste Prozesstag ist der 10. März.