Lagebesprechung vor der zentralen Apsis (von links): der Restaurator Lech Accordi, der Architekt Joachim Schlecht, Immanuel Rühle vom Stiftungsbeirat und Thomas Speer, der Vorsitzende des Bauausschusses der Gesamtkirchengemeinde Foto: factum/Bach

Die Sanierung der Martinskirche ist eine Daueraufgabe. Nun sind die drei Apsiden und das Kruzifix renoviert worden. Um die Arbeiten künftig noch besser finanzieren zu können, soll das Stiftungskapital auf 500 000 Euro erhöht werden.

Sindelfingen - Ein Grauschleier überdeckte die Apsiden in der Sindelfinger Martinskirche. Zahlreiche Haarrisse durchzogen den Putz in dem romanischen Gotteshaus, an den Ecken brach der Mörtel heraus. Höchste Zeit, das Wahrzeichen der Stadt vor dem weiteren Verfall zu retten. Nun sind die aufwendigen Renovierungsarbeiten abgeschlossen, die Apsiden erstrahlen in neuem Glanz. Aber schon sind weitere Sanierungsmaßnahmen notwendig – unter anderem muss das Ziegeldach mit einem ungleich höheren Kostenaufwand erneuert werden. Deshalb soll das Stiftungskapital auf eine halbe Million Euro erhöht werden, um noch mehr Rücklagen für die Zukunft zu bilden.

Bürger werden um eine Spende gebeten

Nach Pfingsten sollen 250 Sindelfinger Bürger angeschrieben werden. „Wir bitten um Spenden“, sagt Immanuel Rühle, der Vorsitzende de Stiftungsbeirats. „Die Gemeinde hat uns in den vergangenen Jahrzehnten vorbildlich unterstützt“, fügt er hinzu. Die Stiftung Martinskirche Sindelfingen ist 2008, im Jahr des 925-jährigen Weihejubiläums, ins Leben gerufen worden, um das nötige Geld zur Erhaltung des Gotteshauses langfristig zu sichern. Ursprünglich waren 250 000 Euro auf dem Konto. Inzwischen ist das Guthaben auf mehr als 390 000 Euro gewachsen. Durch in diesen Zeiten der Niedrigzinsphase immer noch ansehnliche Verzinsungsrate von 2,1 Prozent kommen jährlich knapp 8000 Euro hinzu, die für die Sanierung herangezogen werden können.

Geld kommt auch von anderen Seiten, etwa von der Stadt. Im Jubiläumsjahr 2013 floss eine sechsstellige Summe in die Kasse, mit der eine neue Außenbeleuchtung der Kirche finanziert werden konnte. Im Jahr darauf leistete sich die Gemeinde zudem eine neue Heizung. Und ein weiterer finanzieller Kraftakt war die Sanierung und Modernisierung der 55 Jahre alten Weigle-Orgel für 190 000 Euro.

Der ursprüngliche Putz wurde vor 150 Jahren zerstört

Natürlich sind die Kirchenväter bestrebt, preiswerte Lösungen bei der Renovierung des Juwels romanischer Baukunst zu finden. Also wollten sie die Apsiden abwaschen und lediglich neu streichen lassen. Ein Restaurator, der um Rat gebeten worden war, erkannte jedoch, „dass das nicht ausreicht“. Hinter manchen Rissen im Putz, der laut Rühle noch bei der letzten Sanierung im Jahr 1933 aufgetragen worden war, „befanden sich Hohlräume“, sagt der Restaurator Lech Accordi, der auch als sachkundiger Bürger im Kulturausschuss des Gemeinderats sitzt. Er kam darüber hinaus zu der Erkenntnis, dass der Architekt Christian Friedrich von Leins bei einer Sanierung vor rund 150 Jahren den ursprünglichen Putz offenbar zerstört hatte.

In Absprache mit dem Landesdenkmalamt wurde ein Viertel der Putzflächen freigelegt und mit neuem Kalkmörtel geschlossen. Um einer erneuten Rissbildung vorzubeugen, sind die Apsisflächen mit einer spannungsarmen Leimfarbe gestrichen worden. Die drei Apsiden erhielten einen hellbeigen Farbton. Und auch das fast zwei Meter hohe Kruzifix in der zentralen Apsis ist auf Vordermann gebracht worden. Die Jesusfigur am Kreuz wurde gereinigt und ihr linker Arm, der locker geworden war, stabilisiert.

44 000 Euro kosteten diese Sanierungsmaßnahmen insgesamt. Neben den Zinsen einnahmen der Stiftung sei ein Betrag der Gesamtkirchengemeinde verwendet worden, sagt Thomas Speer. „Nach Gottesdiensten sind zudem Opfer zur Erhaltung des Gebäudes gebracht worden“, erklärt der Vorsitzende des Bauausschusses der Kirche. Speer und seine Mitstreiter halten darüber hinaus eine neue Innenbeleuchtung für erforderlich. Bei Konzerten und Gottesdiensten am Abend seien die Decke und ein großer Teil des Raumes darunter völlig dunkel. „Das ist schade“, meint Speer, schließlich handle es sich um eine der ältesten Bohlendecken im Land aus den Jahren 1131/32. Lediglich in Maulbronn treffe man eine ähnliche Konstruktion an, ergänzt Immanuel Rühle.

Finanzieller Kraftakt: Die Sanierung des Dachs

Ein finanzieller Kraftakt steht der Kirchengemeinde im nächsten Jahr mit der Sanierung des Glockengestühls und der Dächer der Seitenschiffe und des Mittelschiffs bevor. Geschätzte Kosten: Rund 400 000 Euro. „Aber auch das“, sagt Rühle zuversichtlich, „werden wir schaffen.“

Martinskirche ist oft umgebaut und renoviert worden

Historie:
Im Jahr 1083 wurde die Kirchenweihe des Gebäudes begangen, das teilweise noch im Bau war und dem heutigen Gotteshauses nicht mehr entspricht. Renovierungs- und Umbauarbeiten veränderten im Laufe der Jahrhunderte die innere und äußere Gestalt der Martinskirche. Noch im 11. Jahrhundert entstand die dreischiffige, in einer Basilikaform erbaute Kirche mit den drei Apsiden, die den Chorraum abschließen. Die älteste überlieferte und umfassendere Sanierung geschah zwischen 1863 und 1866 durch den Stuttgarter Architekten Christian Friedrich von Leins. Danach wurde der zuvor zugemauerte Turm wieder hergestellt. Im Jahr 1933 wurde der Innenputz erneuert, es entstand ein Deckengemälde mit Symbolen der Evangelisten.

Gegenwart:
Zu den Renovierungen in den vergangenen fünf Jahren zählt eine von der Stadt spendierte Außenbeleuchtung (2013). Eine Fußbodenheizung wurde installiert und der Sandsteinbodenbelag erneuert (2014). Im Jahr 2015 erfolgten Sanierungsarbeiten an der Sakristei und am Turm. Im vergangenen Jahr wurde die Renovierung der Weigle-Orgel abgeschlossen. Kürzlich sind die Arbeiten an den Apsiden und am Kruzifix beendet worden, der Architekt Joachim Schlecht leitete sie.