Für eine schnelle Integration sollten Flüchtlingskinder mit deutschen Kindern gemeinsam lernen. Foto: dpa

Von September an können Jugendliche auch ohne Deutschkenntnisse das Gymnasium in den Pfarrwiesen besuchen. In wenigen Monaten sollen sie Anschluss in den Regelklassen finden.

Sindelfingen - Jedes Kind hat ein Recht auf eine seinen Fähigkeiten entsprechende Schulbildung“, sagt Bodo Philipsen, der Rektor des Sindelfinger Pfarrwiesen-Gymnasiums. Während dies auch weitgehend für jüngere Flüchtlingskinder umgesetzt werde, blieben die älteren aber zumeist außen vor. Besonders für Jugendliche sei es schwer, im deutschen Schulsystem Fuß zu fassen. „Die Vorbereitungsklassen im Kreis sind alle voll. Es gibt eine Warteliste mit 80 bis 100 Schülern, die im Moment keinen Platz haben und herumhängen.“ Diese Situation hält der Pädagoge für unhaltbar.

Zudem seien die Vorbereitungsklassen an den Berufsschulen zu heterogen, sitzen doch Analphabeten zusammen mit Schülern in einer Klasse, die in ihrer Heimat das Abitur gemacht haben. Philipsen fordert besondere Angebote für begabte Schüler. Deshalb richtet er am Gymnasium in den Pfarrwiesen vom kommenden Schuljahr an eine Vorbereitungsklasse für gymnasialfähige Jugendliche ein. Ähnliche Angebote gibt es bereits am Georgii-Gymnasium in Esslingen sowie am Heilbronner Justinus-Kerner -Gymnasium.

Ziel dieser Klasse soll es sein, die Schüler möglichst schnell – Philipsen spricht von drei bis vier Monaten – in die Regelklassen zu integrieren. „Von Anfang an sollen die Jugendlichen in Fächern wie Sport, Musik und Kunst mit den deutschen Schülern gemeinsam lernen. Nach und nach wird das auf andere Fächer ausgeweitet.“ In der Vorbereitungsklasse selbst gehe es dann vor allem um die Vermittlung der deutschen Sprache. „Durch den täglichen Kontakt mit den deutschen Jugendlichen lernen sie aber schneller. Die Schüler erleben ein Sprachbad“, sagt Regine Wagner, die die Vorbereitungsklasse organisiert.

Ein Konzept wird noch entwickelt

Nach welchen Kriterien sollen die Schüler ausgewählt werden? Dazu gebe es noch keine Richtlinien, genauso wenig wie ein pädagogisches Konzept. „Das müssen wir jetzt in Zusammenarbeit mit dem Schulamt entwickeln“, sagt Philipsen. Einfließen in die Überlegungen soll die Bildungsbiografie der Schüler, die seit März bei der Einreise erhoben werde. Philipsen setzt auch auf den Rat von Kollegen der Vorbereitungsklassen, die die Schüler bisher unterrichtet haben. „Damit haben wir bereits Erfahrung. Elena Schlegel, Lehrerin an der Goldberg-Schule schickt uns gelegentlich Kinder. Ihre Empfehlung stimmt immer.“

Philipsen ist überzeugt, dass die 20 Plätze der Vorbereitungsklasse schnell belegt sein werden. „Im Moment gibt es 1500 schulpflichtige Kinder und Jugendliche im Landkreis. Wenn wir bei ihnen von der gleichen Übergangsquote aufs Gymnasium ausgehen wie bei den deutschen Kindern, sind das 750 Schüler. Wir müssen wohl bald mehr Vorbereitungsklassen schaffen.“ Wie schnell diese benötigt werden, hänge auch davon ab, wie es mit dem Zustrom von Flüchtlingen weiter gehe. „Im Moment kommen weniger zu uns, aber weltweit nimmt das Flüchtlingsproblem zu. “

Der Rektor hält seine Schule für prädestiniert für das Projekt. „Wir sind schon immer eine internationale Schule gewesen. Bei uns besuchen Kinder und Jugendliche aus 40 Nationen den Unterricht.“ Er ist zuversichtlich, dass deshalb auch die Integration der jungen Flüchtlinge klappen wird. Und er ist überzeugt: „Auch für unsere einheimischen Schüler und uns Lehrer sind die Flüchtlinge eine Bereicherung.“

Schule zum Schnuppern

Sindelfingen - Bereits in den vergangenen Monaten durften einige jugendliche Flüchtlinge zum Schnupperunterricht ins Sindelfinger Pfarrwiesen-Gymnasium. „Wir hatten vor den Pfingstferien ein Geschwisterpaar aus Syrien zu Gast, die sich das hier angeschaut haben“, berichtet Regine Wagner, Religionslehrerin. Momentan besucht der 17 Jahre alte Haroon eine der zehnten Klassen. Der Afghane hat in seiner Heimat noch nie eine Schule besucht. Eine gymnasiale Laufbahn kommt für ihn zumindest im Moment nicht in Frage. Doch darum gehe es nicht, sagt seine Erzieherin Silvia Egenter, die ihn in der Holzgerlinger Wohngruppe des Waldhauses betreut.

„Haroon ist sehr ehrgeizig und wissbegierig. Er hat von Anfang an die Wände seines Zimmers mit deutschen Vokabeln plakatiert“, berichtet sie. Bisher besuchte Haroon die Waldhausschule in Sindelfingen, in der nur Flüchtlinge unterrichtet werden. Doch dort war der Junge unzufrieden. „Ich will zusammen mit deutschen Schülern lernen“, sagt Haroon.

Egenter fragte bei verschiedenen Schulen an. „Nur Herr Philipsen zeigte sich aufgeschlossen“, sagt die Erzieherin. Deshalb besucht der Junge nun das Gymnasium, auch wenn er dem Unterricht nicht folgen kann. „ Es geht vor allem um den Kontakt zu Gleichaltrigen. So lernt er auch schneller Deutsch“, sagt Wagner. Haroon fühlt sich sehr wohl. „Ich habe schon mit einigen Jungen Fußball gespielt.“

Von September an geht er in eine Vorbereitungsklasse der Gottlieb-Daimler-Schule. Sein großes Ziel ist, Polizist zu werden. Seine Erzieherin zweifelt nicht daran, dass der ehrgeizige Junge das schaffen kann.