Pannewitz sagt Ade. Foto: factum/Bach

Otto Pannewitz hört nach drei Jahrzehnten als Leiter der städtischen Galerie auf. Damit geht in Sindelfingen eine Ära zu Ende.

Sindelfingen - Wie ein Ruheständler wirkt Otto Pannewitz wirklich nicht. Und doch geht der 64-Jährige in der nächsten Woche nach 30 Jahren als Leiter der Sindelfinger Galerie in Rente. „Die Kinder haben mich jung gehalten“, sagt Pannewitz. Die Aktionen mit jungen Menschen waren ein Schwerpunkt seiner Arbeit.

Herr Pannewitz, als Sie 1987 in Sindelfingen angefangen haben, hätten Sie es sich da träumen lassen, dass Sie bis zur Rente bleiben?
Nein. Wenn man als Kunsthistoriker eine solche Stelle antritt, dann denkt man sich, ich brauche acht, neun Jahre, die Galerie aufzubauen. Das war ja meine Aufgabe. Ich dachte, nach zehn Jahren schau ich mal, was sonst so läuft. Aber mit der Zeit merkt man dann ja, dass man hier auch Möglichkeiten hat, viel zu gestalten. Jeder, der hier ins Haus kam, ist begeistert von dem Gebäude und den Möglichkeiten, die wir hier haben. Unser Pfund war, dass wir offen waren für alles. Verrückte Installationen genauso wie ganz klassische Ausstellungen. Mit einem Wechsel hätte ich komplett neu anfangen müssen. Was ich mir hätte vorstellen können, wäre eine Tausch mit einem Kollegen einer anderen Kommune gewesen. Aber davor steht die kommunale Selbstverwaltung. Die Städte wollen sich ihre Leute natürlich selbst aussuchen.
Wie haben Sie die Interessen von Künstlern und Verwaltung unter einen Hut gebracht?
Wir aus dem Kunstbereich gelten in der Verwaltung sowieso als Chaoten. Aber so chaotisch können wir nicht sein, wir kriegen ja alles hin. Aber es prallen da schon zwei Welten aufeinander: der Umgang mit Künstlern und der mit der Verwaltung. Letztendlich habe ich immer viel Freiraum gehabt. Von den Kulturamtschefs und den Bürgermeistern.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Gemeinderat?
Natürlich gab es immer wieder Diskussionen, die Galerie zu schließen und die Frage, was können wir uns leisten. Aber trotz allem hatten wir zunehmend auch Rückhalt im Gemeinderat. Einmal im Jahr beantrage ich meinen Etat. Je nachdem, was ich bekomme, kann ich Ausstellungen machen. 1994 war der Etat null. Trotzdem haben wir ein anspruchsvolles Ausstellungsprogramm aufgelegt – mit Sponsorengeld.
Trotz Geldsorgen haben Sie international bekannte Künstler nach Sindelfingen geholt. Der Ruf der Galerie strahlt weit in die Region hinein. Das hat doch sicher ihren Rückhalt in Verwaltung und Gemeinderat gestärkt.
Ich denke, dass waren weniger die großen Namen, sondern vor allem die vielen Kooperationen, zum Beispiel mit Daimler. Und noch mehr der museumspädagogische Ansatz, den ich mitgebracht habe und der mir sehr wichtig ist. Mein Ansatz ist, mit Ausstellungen von Kindern die Jugend ins Haus zu holen. Und auch die Eltern, die sonst nie in ein Museum gehen würden. Ich habe das jährliche Sommercamp für Kinder eingeführt. Das gibt es jetzt seit 26 Jahren. Viele Jahre lang gab es eigene Ausstellungen von Jugendlichen. Das ist in den vergangenen Jahren wegen der veränderten Schulsituation schwieriger geworden. Jetzt fangen wir noch früher an und kooperieren dabei mit dem Verein kids@kita.
Welcher Traum bleibt unerfüllt?
Ich wollte seit dem Studium einmal das wunderbare schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch im Original ins Haus holen. Aber das war immer ein Traum. Das schaffen selbst große Museen nicht. Picasso wollte ich nie, weil der rauf- und runtergenudelt wird. Für mich war immer die junge Kunst der Schwerpunkt, Anfangs waren die Ausstellungen mit junger Kunst aus der Not geboren, weil finanzierbar. Aber mit der Zeit wurde sie immer wichtiger. In dieser Kunst ist viel Kraft drin.
Gab es einen Flop?
Ich bedauere nichts. Aber es gab eine Ausstellung, da hatten wir Via Lewandowsky da. Das war der damals jüngste Documenta-Teilnehmer, also durchaus berühmt, wurde überall gefeiert. Und da kam kaum jemand. Das hat mich schon frustriert.
Was war das Highlight?
Mit mehr als 10 000 Besuchern war das die Design-Ausstellung von Daimler vor zwei Jahren. Das spannendste für mich war die Ausstellung 1996 von Ulrich Bernhardt, in einer Zeit mit wenig Geld. Es war unglaublich, dass wir das hingekriegt haben. Der hat eine Gesamtinstallation im Haus gemacht: Zehn Jahre Tschernobyl. Wir hatten eine riesige Installation im Oktogon, eine weitere im zweiten Stock bis in die Dachspitzen hinein. Die war auch sehr gut besucht.
Sind die Sindelfinger ein gutes Publikum?
Man kann sie schon für die Kunst gewinnen. Aber bei den Jungen ist durchaus noch Potenzial da.
Jung heißt?
Von Mitte 20 bis 40. Die Älteren gehören noch zu unserem Publikum der vergangenen Jahre.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
Erstens wäre es mal die Sanierung der Galerie. Die ist wirklich notwendig. Dann würde ich mir mehr Personal wünschen. Im Moment haben wir mit mir drei Leute auf zwei Stellen inklusive Technik. Plus eine drittel Stelle für den Versand und die Werbung. Und vor allem: Ich hoffe, dass die Galerie noch lange bestehen wird.
Sind Sie eigentlich selbst Künstler?
Ich bin Kunsthistoriker. Und privat ja, da mache ich für mich selbst ein wenig Kunst in Anführungsstrichen. Ich zeichne. Und ich hatte durchaus schon mal überlegt, ob ich nicht an die Kunstakademie gehe und ein Studium mache. Aber ich hab immer schon gesagt, ich bin nicht ganz so verrückt wie die jungen Künstler, die ich kannte. Wenn man wirklich Kunst machen will, dann muss man dafür brennen. Dann darf es nichts anderes im Kopf geben. Und für mich gab es halt auch andere Interessen.
Werden Sie mal ausstellen, vielleicht hier in der Galerie?
Nein, ich bin nicht exhibitionistisch, muss nicht alles in die Öffentlichkeit bringen.
Aber werden Sie gelegentlich mal in Sindelfingen sein?
Ich wohne ja in Stuttgart. Und ich werde sicher mal zu einer Ausstellungseröffnung kommen.