Simone Mertz’ Herz hängt den Umständen zum Trotz am Bohnenviertel. Foto: Sascha Maier

Das Künstleratelier Sim1 im Bohnenviertel gibt auf. Die Betreiberin sagt, dass es zu wenig Parkgelegenheiten gebe. Darin schwingt auch Kritik an der Nachnutzung des Züblin-Parkhauses mit.

S-Mitte - Das Bohnenviertel ist Standort und Heimat vieler Handwerker und Künstler“, beginnt die Selbstbeschreibung des Handels- und Gewerbeverein Bohnenviertel auf deren Internetseite. Für Simone Mertz vom Künstler-Atelier Sim1 gehört das bald der Vergangenheit an. Die Künstlerin, die an der Katharinenstraße vor allem Kunsthandwerk und Deko verkauft, gibt den Standort nach fünf Jahren gegen Ende Juli auf und will in Berlin neu Fuß fassen.

Dabei hat ihr Konzept durchaus ins Viertel gepasst. Seit 1984 lebt die in Schwäbisch Hall geborene Mertz in Stuttgart, hat an der Merz-Akademie Kunst und Grafikdesign studiert – ist also vom Fach, passt ihre Produktpalette aktuellen Entwicklungen am Kunstmarkt an und gilt nach fast 30 Jahren hier sicher auch nicht mehr „Neigschmeckte“. Warum konnte sie sich also nicht halten?

Strenge Kontrollen, abgeschreckte Kundschaft

Simone Mertz führt das vor allem auf das neue Parkraummanagement in Stuttgart verantwortlich, das seit einigen Jahren existiert. „Es ist kaum noch möglich, im Bohnenviertel zu parken“, sagt sie. Zumindest nicht legal. „Und wenn jemand kurz hält, um schnell etwas zu kaufen, wie eine Kundin neulich, hat derjenige in der Regel ein Knöllchen“, so Mertz weiter. Die Kontrollen hält sie für so streng, dass das Kundschaft abschreckt.

Und auch mittelfristig sei keine Besserung in Sicht. Denn das Züblin-Parkhaus soll 2023 abgerissen werden. „Prinzipiell bin ja für einen gemäßigten Verkehr in der Stadt. Aber wie sollen die Leute denn zu uns kommen, wenn sie überhaupt nicht mehr parken können?“, sagt Mertz.

Damit spricht sie womöglich ein Problem an, das die Bürgerallianz Leonhardsviertel, die sich um eine bürgerfreundliche Nachnutzung des Züblin-Areals bemüht, vielleicht etwas ausgeblendet hat. Denn die bisherigen Nutzungskonzepte sehen zum Beispiel Raum für Kultur oder grüne Parkanlagen vor – aber sicher keine Parkplätze. Simone Mertz’ finstere Einschätzung: „Es wird zunehmend und leider auf längerer Sicht, für alle Gewerbetreibende im Bohnenviertel schwieriger bis fast unmöglich.“

Zunehmende Umnutzung der Flächen

Ein anderer Grund, den Simone Mertz für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung ihres Ateliers in den letzten Jahren verantwortlich macht, ist die zunehmende Umnutzung der Flächen von ehemaligen Geschäften: „In immer mehr Läden ziehen Büros oder andere Einrichtungen ein.“ Allen voran die Caritas, die immer mehr soziale Einrichtungen im Bohnenviertel unterhält, was für den Handel aber nicht in einem Übermaß verträglich sein dürfte.

Doch findet Mertz bei aller Kritik durchaus auch lobende Worte für das Bohnenviertel: „Das Bohnenviertel hat mir sehr viel gegeben! Mit seinen sehr unterschiedlichen Charakteren, von netten multikulti Anwohnern, tollen kämpferischen Handwerksbetrieben.“ Und auch der HGV mache einen guten Job: „Trotz der großen Anstrengungen der sehr engagierten HGV-Mitglieder verzeichnet das Viertel jedes Jahr einen schwächeren Besucher-, Touristen- und Kundenstrom.“

Ganz verabschieden muss sich die Stammkundschaft von Simone Mertz aber nicht. Ihre Artikel werden nach wie vor auf ihrer Webseite im Internet zu finden sein. Vom 20. bis zum 22. Juli wird es die letzten geöffneten Tage und eine Abschiedsparty geben. Und wie es dann in Berlin weitergehen soll? „So genau weiß ich das noch nicht“, sagt Mertz, „zwischen Kreuzberg und Müggelsee ist noch alles drin.“ So lauschig wie im Bohnenviertel dürfte es aber kaum werden.