Foto: Welzhofer

Silvester ist in Israel keine große Sache. Kein Feuerwerk-Bleigießen-Luftschlangen-Rummel im Voraus. Kein Glücksklee, Schornsteinfeger und Marzipanschweinchen, die einem irgendwo auflauern.

Tel Aviv - Mit Silvester war es ein bisschen wie mit Weihnachten: Ich habe es gar nicht kommen sehen. Silvester ist in Israel keine große Sache. Kein Feuerwerk-Bleigießen-Luftschlangen-Rummel im Voraus. Kein Glücksklee, Schornsteinfeger und Marzipanschweinchen, die einem irgendwo auflauern - und keine Wo-wie-mit-wem-Fragerei schon Monate vorher. Eigentlich wollte überhaupt keiner wissen, was ich an Silvester mache.

Obwohl das tägliche Leben auch hier nach der christlichen Zeitrechnung – also nach dem Gregorianischen Kalender – läuft, feiern die meisten Neujahr nach dem jüdischen Kalender. Und danach liegt dieses Fest im September und heißt Rosh Hashana (Kopf des Jahres). Auch die Muslime haben ihre eigene Zeitrechnung und der 31. ist für sie ein Tag wie viele. Und der 1. Januar ist in Israel kein Feiertag.

Das heißt jetzt nicht, dass an Silvester gar nichts stattfindet. In Tel Aviv gibt es Partys in den Clubs und Restaurants – aber die gibt es ja eigentlich jeden Tag. Auch manche Kibbuzim werben mit Silvesterfeiern und in Städten, in denen viele arabische Christen leben, leuchtet sogar der Himmel bunt.

Ich bin am 31. in Jerusalem, in der German Colony, die einst von Templern erbaut wurde und heute eines der wenigen Amüsierviertel der Stadt ist. Auf der Hauptstraße Emek Refaim reiht sich ein Restaurant an das andere. Und obwohl ich gelesen habe, dass das Rabbinat Silvesterfeiern in koscheren Lokalen ebenso verboten hat wie den Christbaum, sind die meisten hier mit vielen bunten Luftballons geschmückt und aufblasbaren Sektflaschen und großen roten Zahlen, die das Jahr 2013 anzeigen.

Aber das war es dann auch schon mit der Silvesterstimmung. Um zwölf Uhr steigen keine Feuerwerke in die Luft und es so still, dass man von jenseits der Mauer zum Westjordanland viele kleine Knaller hören kann. Irgendwie hat dieses Geräusch - ebenso wie das Wort Rakete - für mich in Israel spätestens seit dem letzten Gazakrieg einen unangenehmen Beiklang. Aber in diesem Fall handelt es sich wirklich nur um Silvesterraketen, die die Menschen in den palästinensischen Städten Bethlehem und Beit Shala abfeuern. Sehen tut man sie nicht.

Ich muss daran denken, dass die Unruhen im Westjordanland seit der UN-Entscheidung, Palästina als Nichtmitgliedsstaat anzuerkennen, zunehmen. Es gibt Demonstrationen, es werden wieder vermehrt Steine auf israelische Soldaten geworfen - und die israelische Regierung treibt den Siedlungsbau unaufhaltsam voran. Manche Beobachter sehen schon das Wetterleuchten einer dritten Intifada am Himmel.

Als ich mit Sekt von den Golanhöhen auf das neue Jahr anstoße und auf das Leben (l'chaim), wünsche ich mir deshalb vor allem eines: Schalom – Frieden.

StN-Redakteurin Lisa Welzhofer lebt und arbeitet zwei Monate lang in Tel Aviv und berichtet für unsere Zeitung von dort. Sie ist Stipendiatin des „Ernst-Cramer & Teddy Kollek-Fellowship“, das deutschen Journalisten einen Aufenthalt im Nahen Osten ermöglicht.