Gut gelaunt: die Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß Foto: dpa

Gut gelaunt, gut gelungen: Silbermond zeigen, wie ein feines Konzert aussieht

Stuttgart - Keine wedelt so wie sie. Ob kreuzweise versetzt oder beidseitig parallel: Stefanie Kloß wirft ihre Arme mit einer unnachahmlichen Empathie um sich, es ist eine Art Ganzkörperwedeln, das sie praktiziert. Elegant? Kaum. Effektiv? Absolut. Schon nach wenigen Minuten haben die Sängerin von Silbermond und die achttausend Zuschauer in der ordentlich gefüllten Schleyerhalle einander fast in Euphorie gewedelt. Schnell vergessen ist also der Ärger über einen nicht eben arbeitnehmerfreundlichen Beginn – erst gegen 21 Uhr enterten die Rocker aus Bautzen die Bühne. Nur ein, zwei Songs spielt die Band dann zunächst mehr laut als gut, aber das ändert sich bald. Um einen Gastkeyboarder verstärkt, präsentiert sich das Quartett aus Sachsen live versiert. Der Schlagzeuger Andreas Nowak sorgt für viel Druck und darf sogar einige leicht synkopierte Rhythmen einstreuen, und der Saitenmann Thomas Stolle gefällt mit schnittigen Soli auf der elektrischen und sauberem Spiel auf der Akustikgitarre. Dazu ein satter Brummelbass von Johannes Stolle – und fertig ist ein Sound zwischen Pop und Rock, der seine Grenzen kennt, aber seine Möglichkeiten ausschöpft.

Tiefer Griff in die Seele

Dabei zeigen sich Silbermond als gut funktionierendes Team mit einer klar definierten Aufgabenverteilung. Die Jungs kümmern sich um die Musik, Stefanie um den Rest. Und wie: Kloß gäbe mit ihrem hemdsärmeligen Humanismus auf jeder Occupy-Kundgebung eine prächtige Rednerin ab – als Popstar ist sie eine (selbst-)begeisterungsfähige Performerin und das Kapital der Band. Ihrer Währung: Emotionen satt. Silbermond ist großes, gut gespieltes Gefühlskino, und Stefanie Kloß führt mit feinem Gespür die Regie. Die Bühnentechnik macht mit deckenhohen Videowänden und einer luxstarken Lichtshow zwar durchaus Eindruck, doch liegt ihre wahre Stärke eher in klug gesetzter Körperlichkeit. So entfachen im Schlussdrittel mehrere Stehtrommler ein veritables Rhythmusfeuer mitten in den Publikumsrängen, und bei einem Unplugged-Intermezzo am Ende eines dreißig Meter langen Laufstegs sorgen Silbermond auf kaum zwei Quadratmetern für einen intimen Akustiksound.

So geht es durch alte Hits wie „Meer sein“, „Himmel auf“ oder „Symphonie“ bis hin zu Songs des aktuellen Albums. Das heißt interessanterweise „Leichtes Gepäck“ und rät zur Entschleunigung, zur Entschlackung des Lebens, dazu, Ballast über Bord zu werfen. Eine Leichtigkeit des Seins ist damit aber nicht verbunden. Stefanie Kloß greift ihren Fans derart tief in die Seele, dass man manchmal eigentlich gerne etwas auf Distanz gehen möchte gegenüber einer solchen emotionalen Aufdringlichkeit. Etwas weniger Pathos und Selbstergriffenheit – und dieses XXL-Paket an Gefühligkeit wäre immer noch ballasthaltig genug gewesen.