Wenn Sina Fath nicht an der Nähmaschine sitzt, näht sie von Hand: Sattelgurte, Trensen oder Hundehalsbänder. Foto: Gottfried Stoppel

Ihr von Rückenschmerzen geplagtes Pferd hat Sina Fath aus Waiblingen darauf gebracht, eine Ausbildung als Reitsportsattlerin zu machen. Die hat sie mit Bravour abgeschlossen. Nun ändert sie in ihrem Ein-Frau-Betrieb namens Sattelwerk Sättel, die drücken, fertigt Trensen und Hundehalsbänder.

Waiblingen/Fellbach - Davidoff ist es gewesen. Ein Pferd als Berufsberater? Ja, so etwas gibt es. Denn ohne den inzwischen 13-jährigen Wallach wäre Sina Fath aus Waiblingen wohl nie auf die Idee gekommen, eine Lehre als Reitsportsattlerin zu machen. Weil das Familienpferd eines Tages nicht mehr laufen wollte und wegen Rückenschmerzen sogar versuchte, seine Reiter abzuwerfen, haben sich die Faths in ihrer Not an einen Maßsattler gewandt. Der reiste vom Bodensee an, nahm Pferd und Sattel genau unter die Lupe und schaffte Abhilfe.

„Meine Mutter hat danach zu mir gesagt: ,Das ist doch ein toller Beruf’“, erinnert sich Sina Fath. Das fand die Schulabgängerin auch. Und weil sie nach einem Praktikum nur wusste, was sie nicht werden will – Bürokauffrau – machte sie ein weiteres Praktikum in eben jenem Sattlerbetrieb in Konstanz.

So manche Blase an den Händen

„Mir hat es gut gefallen, obwohl es recht anstrengend war – das Leder ist am Anfang steif und hart.“ Auch wenn sie sich manche Blase an den Händen geholt hat, war für Sina Fath nach einer Woche klar, dass sie Sattlerin werden wollte. Und so ist es gekommen, wenngleich ihre Lehre teilweise turbulent verlief. Da ihre Ausbilderin den Betrieb verließ, musste die junge Frau in die Schweizer Niederlassung wechseln, wo sie sich weder besonders wohl noch sehr willkommen fühlte. Ein halbes Jahr vor Ausbildungsende einigte man sich auf einen Aufhebungsvertrag, dann begann Sina Faths fieberhafte Suche nach einem anderen Lehrbetrieb – keine einfache Aufgabe bei diesem selten gewordenen Beruf.

Die Sattlermeisterin Eva-Maria Haas in Gomaringen auf der Schwäbischen Alb hat Sina Fath dann herzlich aufgenommen. „Ich habe dort ganz viel gelernt“, sagt die 21-Jährige, die mit ihrem Gesellenstück, einer Pferdetrense, prompt Landessiegerin beim Leistungswettbewerb des Handwerks geworden ist und obendrein einen Sonderpreis eingeheimst hat. Das Preisgeld in Höhe von 1500 Euro hat sie zum Großteil in Leder investiert. 40 bis 50 Euro muss man für einen Quadratmeter rechnen.

Schlangen-, Rochen- oder Geckooptik

Die Häute für Trensen, Lederhalfter und Sattelgurte, für Hundehalsbänder und Leinen, stapeln sich nun im Regal ihrer Ein-Frau-Werkstatt namens Sattelwerk in Fellbach: naturfarbenes Rindsleder sowie hell- und dunkelbraun gegerbtes, aber auch Stücke in Schlangen-, Gecko- oder Rochenoptik, die jedoch ebenfalls aus Rinderleder hergestellt werden. „Beim Leder gibt es verschiedene Klassen – das ist alles eine Frage des Geldes“, sagt Sina Fath und deutet auf eine gegerbte Haut, auf der bei genauem Hinsehen mehrere dunkle Flecke zu erkennen sind: Überbleibsel von Insektenstichen, Zeckenbissen oder zu Lebzeiten eingehandelten Schrammen. „Leder, das vom Hals stammt, ist nicht besonders gut, es hat viele Falten“, erklärt Sina Fath. Auch die Bauchpartie weise häufig Dehnungsstreifen auf:„Das beste Stück ist entlang der Wirbelsäule.“

Wenn Sina Fath nicht an einer ihrer Nähmaschinen sitzt, ist sie oft am Nähkloben zu Gange. Letzterer ähnelt einer riesigen hölzernen Zange mit Standbein. Zwischen den Holzzwingen klemmt Sina Fath das Lederstück fest, damit sie beide Hände zum Nähen frei hat. Der reißfeste Faden aus Polyamid werde gewissermaßen im Leder gekreuzt, erklärt sie: „Wenn ein Stich aufgeht, löst sich nicht die ganze Naht.“

Mancher Kollege in Rente kommt zum Spickeln

Augenmaß braucht es im Sattlerhandwerk – und viele spezielle Werkzeuge: Kantenzieher und Reifelhölzer, um Abstände für eine Naht oder Verzierung zu markieren, Halbmondmesser, um das Leder zuzuschneiden, und Ahlen, mit denen Löcher in verschiedene Materialien gestochen oder vorhandene Löcher geweitet werden. „Ohne meine Eltern hätte ich diese Werkstatt nie aufbauen können“, sagt Sina Fath, die bereits einige Werkzeugspenden von ehemaligen Sattlerkollegen und Schustern bekommen hat, die sich über den Nachwuchs freuen. Manch einer kommt im Sattelwerk vorbei, um zu Spickeln, den Lederduft zu schnuppern, und ein bisschen in vergangenen Zeiten zu schwelgen. Sina Fath freut sich, ihre eigene Chefin zu sein. Jetzt müsse sie sich halt durchbeißen, meint die junge Reitsportsattlerin, die sich vorgenommen hat: „2016 lege ich richtig los.“

Hintergrundwissen hat sie bei zwei Ausbildungen zur Pferdephysiotherapeutin und Sattelexpertin beim Deutschen Institut für Pferdeosteopathie gesammelt. Zunächst will sie sich auf Sattelanpassungen und Änderungen konzentrieren, aber: „Maßsättel machen ist mein oberstes Ziel.“

Und Davidoff? Sina Faths Berufsberater geht es gut. Er hat sich trotz Maßsattel entschieden, lieber niemanden mehr zu tragen und ist nun von Berufs wegen im wahrsten Sinne des Wortes ein Freizeitpferd.