Gehört dieses Bild bald der Vergangenheit an? In der Hinrunde gab es weniger Krawalle in den Stadien im Südwesten Foto: dpa

Die Belastung der Polizei ist immens. Innenminister Gall kündigte im August daher an, den „Kräfteeinsatz rund um Fußballspiele optimieren“ zu wollen. Die Halbzeitbilanz zeigt: Es gibt Fortschritte.

Stuttgart - Die Einsatzzahlen der Polizei bei Heimspielen der drei baden-württembergischen Fußball-Bundesligisten sind in der Hinrunde der laufenden Saison deutlich zurückgegangen. Rund um die bisherigen acht Heimpartien des VfB Stuttgart leisteten die Beamten im Schnitt 1445 Einsatzstunden, in der Spielzeit 2013/14 waren es noch 1913 Einsatzstunden pro Spieltag gewesen.

Beim SC Freiburg nahm die Zahl der durchschnittlichen Einsatzstunden um rund 300 auf 1047 ab, bei 1899 Hoffenheim verzeichnete die Polizei einen Rückgang von 1022 (2013/14) auf 872 Einsatzstunden pro Partie. „Der Trend ist insgesamt erfreulich“, sagte ein Experte des Innenministeriums unserer Zeitung. Er wies allerdings darauf hin, dass mehrere Hochrisiko-Spiele erst in der Rückrunde seien. Etwa die Partie VfB gegen Eintracht Frankfurt.

In den vergangenen Jahren war die Belastung für die Polizei stark gewachsen. In der Spielzeit 2010/11 leisteten die Landespolizisten für die Partien in den fünf höchsten Spielklassen noch 100 733 Einsatzstunden. Zuletzt stieg die Zahl von 143 897 (2012/13) auf 155 567 (2013/14) Einsatzstunden an. Die Kosten beliefen sich auf etwa zehn Millionen Euro.

Innenminister Reinhold Gall sah im August des vergangenen Jahres „die Belastungsgrenze für die Polizei erreicht“. Der SPD-Politiker kündigte damals an, künftig bei risikoarmen Spielen weniger Polizisten einsetzen zu wollen. Zwar gibt das Innenministerium keine Auskunft über die genaue Zahl der Polizisten, um die Einsätze für Krawallmacher nicht berechenbar zu machen. Die Zahl der Einsatzstunden lässt jedoch den Schluss zu: zumindest in der Bundesliga ist der Plan bisher aufgegangen.

Auch die Bundespolizei, die für die Sicherheit an Bahnanlagen zuständig ist, musste in der Hinrunde im Südwesten weit weniger Einsatzstunden (22 941) leisten als erwartet. Grund dafür sei, dass es nur wenige Hochrisiko-Spiele oder es keine Anreise mit der Bahn gab. Die ligaübergreifende Gesamt-Belastung der Landespolizei von der ersten bis zur fünften Spielklasse indes sei im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben, teilte das Innenministerium den Stuttgarter Nachrichten mit: „Aus polizeilicher Sicht können wir mit dem Verlauf der Hinrunde zufrieden sein.“ Es habe weniger Straftaten, weniger Festnahmen und eine gleichbleibende Zahl an Verletzten gegeben.

Und das, obwohl die Herausforderungen für die Polizei größer geworden sind. Nach dem Aufstieg der SG Sonnenhof Großaspach in die Dritte Liga spielen in dieser Runde erstmals zehn Vereine aus dem Land in den drei höchsten Spielklassen. Der Sprung des 1. FC Heidenheim in die zweite Liga erfordert bei dessen Heimspielen auf der Ostalb aufgrund des größeren Zuschauerandrangs und möglicher Krawallmacher der Gastmannschaften ebenfalls ein höheres Kontingent an Polizisten.

Und auch die Sanierung des Gazi-Stadions auf der Waldau brachte aus polizeilicher Sicht Schwierigkeiten mit sich: Der VfB Stuttgart II musste für seine Heimspiele nach Großaspach ausweichen, die Stuttgarter Kickers nach Reutlingen. Vor allem der Umzug der Blauen wurde in Fachkreisen mit Skepsis beäugt. Der Grund: Das Stadion an der Kreuzeiche ist die Heimat der Reutlinger Ultragruppierung Szene E, die mit dem Commando Cannstatt, den Ultras des VfB Stuttgart – und Feinden der Kickers-Ultras –, befreundet sind. Die Polizei befürchtete Auseinandersetzungen; sie blieben jedoch aus.

Neben dem Oberligisten SSV Reutlingen haben zwei weitere Traditionsvereine in der vierten und fünften Liga eine ausgeprägte Fankultur mit teils gewaltbereiten Anhängern: der Regionalligist SV Waldhof Mannheim und der SSV Ulm, der nach seinem Abstieg nur noch in der Oberliga am Ball ist. Aber gerade Auftritte dieser beiden Teams binden teilweise mehr Kräfte als eine Bundesliga-Partie. So gab es das Spiel mit den meisten Einsatzstunden in der abgelaufenen Hinrunde in der Regionalliga: SV Waldhof Mannheim gegen 1. FC Saarbrücken (4304). Zum Vergleich: Spitzenreiter in der Bundesliga war die Partie VfB Stuttgart gegen 1. FC Köln (1954).

Bereits vor der Saison treffen sich Vertreter der Deutschen Fußball Liga (DFL), der Vereine, der Kommune sowie von Bundes- und Landespolizei, um die Partien in Risikostufen – „High Risk“, „Risk“ und „No Risk“ – einzuordnen. Die wesentlichen Kriterien sind Vorfälle aus der Vergangenheit, das generelle Gewaltpotenzial beider Fan-Lager, die Infrastruktur und die anderen Spiele an jenem Tag.

Wie viele Beamte genau eingesetzt werden, entscheidet die Polizei dann wenige Tage vor einer Partie – die Zahl ist abhängig von der sportlichen Brisanz (geht es zum Beispiel um einen Auf- oder Abstieg), der zu erwartenden Zahl an Gäste-Anhängern und den aktuellen Eindrücken der sogenannten szenekundigen Beamten. „Wir hinterfragen und spiegeln uns ständig. Generell versuchen wir natürlich, mit den Kräften sorgsam umzugehen“, erklärte der Experte aus dem Innenministerium. Wenn man die Einsatzbelastung für die Polizei in der Rückrunde halten könne, sei es als Erfolg zu werten.